Die
Messe Auto China 2004
Von
Katharina Schneider-Roos


Die Beijinger Automesse Auto
China 2004, die seit 1990 alle zwei Jahre abgehalten
wird, ist die größte ihrer Art in China und kann
auf eine Teilnahme von 1600 Ausstellern aus 21 Ländern
verweisen. Laut der Polizeimitteilung Nummer 10 2004, die
sich mit der Verkehrsregulierung während der Messe
(9. bis 16. Juni) befasst, erwartete man pro Tag 70 000
Besucher. Die Messe findet in einer Stadt statt, die täglich
mit dem Stau zu kämpfen hat, in einer Umgebung, in
der Autos sich durchschnittlich 11 Stunden pro Tag durch
zähen Verkehr quälen. Darauf ging auch der Prospekt
der Messe ein, der die Besucher darauf hinwies, sich wegen
Staugefahr dem Gelände doch lieber mit dem Bus oder
Taxi anzunähern. Was für den Autofan wohl das gleiche
Gefühl hervorruft, wie wenn man Modebewusste ohne Kleidung
zu einer Modeschau schickte.
Der
Taxifahrer, der mich zum Ort des Geschehens brachte, hatte
für diese Veranstaltung nicht viel übrig und meinte: „Ich
interessiere mich überhaupt nicht für Autos, weil Autos
für mich immer unerschwinglich bleiben werden. In Beijing
ein Auto zu besitzen ist sehr unpraktisch und nur eine Illusion.
Es ist teuer, ein Auto zu kaufen, dazu kommen noch hohe
Steuern, man ist immer auf der Suche nach einem Parkplatz
und hat, wenn man Pech hat, auch noch einen Unfall.“
Doch der Wunsch nach dieser
Illusion, nach diesem Statusobjekt, zu dem natürlich auch
die sich auf Autos räkelnden Models gehören, wächst
in den Herzen vieler chinesischer Konsumenten, was manche
sogar dazu verleitet, Markenembleme ihrer geliebten Marken,
wie Mercedes, BMW und Toyota auf ihre Billigwagen zu kleben.
Diplomvolkswirt Walter Engelmann, ein an der Messe teilnehmender
Vertreter der Industrie- und Handelskammer Frankfurt am
Main, sieht diesen Wunsch in Zukunft durch die Beihilfe
deutscher Automobilhersteller immer umfassender erfüllt:
„Insgesamt werden in China pro Jahr ca. 2 Millionen PKWs
hergestellt, wobei 2003 700 000 davon mit Beteiligung deutscher
Hersteller gebaut wurden. Das entspricht einem Marktanteil
von 36%. Damit ist Deutschland führender ausländischer
Automobilbauer in China. Nach den jüngsten Entscheidungen
deutscher Automobilbauer wird dieser Trend anhalten. BMW
eröffnete vor kurzem in Shenyang ein Joint Venture
und VW Shanghai will ein neues Werk eröffnen, das 150
000 neue Einheiten pro Jahr erzeugen soll.“ Die in Joint
Ventures hergestellten Fahrzeuge werden zum Großteil
in den Werken nur montiert. Die Bestandteile werden aufgrund
der noch nicht ausgereiften lokalen Qualität importiert.
Da in China nun nicht mehr
wie vor zehn Jahren nur Beamte das Privileg genießen
aus neun Automarken auszuwählen, sondern 80% der Verbraucher
Normalbürger sind, liegt der expansivste Markt in der Preisklasse
zwischen 40 000 Yuan und 80 000 Yuan. Doch auch die Luxuslimousinen
halten in China laut Engelmann Einzug: „VW befriedigte mit
Santana und Jetta den Taxi- und Privatbereich, was am Anfang
dem Markt entsprach. Doch heute hat sich der Markt verändert
und es gibt eine kleine Schicht, die über Geld verfügt und
sich Luxuslimousinen leisten kann. Der Markt für Luxuslimousinen
beginnt sich zu entwickeln. Audi Changchun baute bisher
die offiziellen Luxuslimousinen für die Regierung und war
bislang die höchst ausgestattete Luxuslimousine, die
im Land hergestellt wurde. Doch BMW begann BMWs der 3er
und 5er Reihe zu produzieren und DaimlerChrysler produziert
nun Wagen der C und E Klasse vor Ort.“ Ein Modell der 5er
Klasse erhält man in China um 698 000 Yuan (70 600
Euro), was im Vergleich zu einem importierten Fahrzeug gleichen
Modells um knapp ein Viertel billiger ist.
Doch Studien verschiedener
Unternehmensberater zeigen sich skeptisch, was Chinas unbegrenzte
Expansionsmöglichkeiten betrifft. Eine Studie von KPMG
besagt, dass 2005 4,9 Mio. Einheiten einer Nachfrage von
nur 2,6 Mio. Fahrzeugen gegenüberstehen wird. Guotai Junan
Securities prognostizierte schon für 2004 eine Überkapazität
von 4 Millionen Fahrzeugen, was zum möglichen Rückzug
mancher Unternehmen führen kann. Ein anderer Ausweg aus
der Überproduktion ist laut Engelmann der Export in
die umliegende Region: „2003 begann VW von China aus Produkte
für Märkte in der umliegenden Region zu exportieren,
wie z. B. den Polo nach Australien. Dieser Trend hält
an.“ Der Rückgang der Verkaufszahlen, der aber nicht die
Luxuslimousinen betrifft – das 53%ige Wachstum des Vorjahrs
wird auf prognostizierte 40% in diesem Jahr sinken – liegt
auch an den Plänen der Regierung, die Kreditvergabe
für Autokäufe zu erschweren, da Kredite zum Teil ungeprüft
vergeben werden. Wegen der großen Anzahl säumiger
Schuldner haben sich chinesische Versicherungsträger
wie die Ping An Versicherungsgesellschaft aus dem Autoverkauf
zurückgezogen. Doch viele Käufer zahlen bar und nach
der Marktöffnung durch die WTO ist es den ausländischen
Autoherstellern, die nur in Form von Joint Ventures in China
arbeiten dürfen, nun erlaubt, auch in die Autofinanzierung
einzusteigen, wie Volkswagen Finance, die sich auf Autokreditfinanzierung
konzentriert.
Die Bemühungen der Beijinger
Stadtregierung, den Verkehr einzuschränken, werden
in Zukunft sicher noch verstärkt werden müssen. Engelmann
meint zum Verkehrsproblem Beijings: „Die Infrastruktur steigt
nicht im gleichen Maße wie der Autobau, sie hinkt
hinterher. In Beijing werden jeden Monat 20 000 neue Autos
zugelassen. Bei meinem letzten Besuch vor einigen Jahren
gab es noch viel mehr Fahrradfahrer. Ich habe das Gefühl,
viele Fahrräder wurden durch Autos ersetzt. Die Verkehrsproblematik
ist evident.“ Die Stadtregierung überlegt Maßnahmen
wie die Einführung von Parkgebühren, das Anheben der Zulassungs-
und Benzingebühren und den Ausbau des Straßensystems
und des öffentlichen Verkehrs. Doch da die Autoindustrie
noch immer als Motor der Wirtschaft angesehen wird, wird
es wohl nicht so bald zu einer Beschränkung der Zulassungen
an sich kommen. Für europäische Augen ist eine autofreundliche,
der amerikanischen nicht unähnliche Verkehrspolitik
offensichtlich. Der Traum vom eigenen Auto wiederholt sich
und es ist nicht überraschend, dass China nach Amerika das
zweitlängste Schnellstraßennetz hat und der drittgrößte
Automarkt nach den USA und Japan ist.
Es ist nur zu hoffen, dass
die Zahlen für sich sprechen, die nach der offiziellen Statistik
des Ministeriums für Öffentliche Sicherheit schon 2001
erschreckend sind. Es gab 760 000 Verkehrsunfälle mit
100 600 Todesopfern. Laut der Presseagentur Xinhua gab es
im Mai 2004 8 198 Tote, 10,4% mehr als der Monat davor.
Diese Unfälle machten 180 Mio. Yuan aus und 93 % der
Toten wurden durch ungenügendes Fahrkönnen verschuldet.
Außerdem brauchen über 40% der Beijinger Arbeitnehmer
über eine Stunde zur Arbeit. Dies sind nicht nur menschliche
Verluste und Unannehmlichkeiten, diese Zahlen schlagen sich
auch in der Wirtschaft nieder und werden in die Kalkulation
einer nachhaltigen Entwicklung einberechnet werden müssen.
Nun müssen wir zwei Jahre
auf die nächste Automesse warten und es ist zu hoffen,
dass Beijing in Zukunft auch berühmt für seine umfangreiche
Fahrradmesse sein wird.