August 2004
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Die Messe Auto China 2004

Von Katharina Schneider-Roos

Die Beijinger Automesse Auto China 2004, die seit 1990 alle zwei Jahre abgehalten wird, ist die größte ihrer Art in China und kann auf eine Teilnahme von 1600 Ausstellern aus 21 Ländern verweisen. Laut der Polizeimitteilung Nummer 10 2004, die sich mit der Verkehrsregulierung während der Messe (9. bis 16. Juni) befasst, erwartete man pro Tag 70 000 Besucher. Die Messe findet in einer Stadt statt, die täglich mit dem Stau zu kämpfen hat, in einer Umgebung, in der Autos sich durchschnittlich 11 Stunden pro Tag durch zähen Verkehr quälen. Darauf ging auch der Prospekt der Messe ein, der die Besucher darauf hinwies, sich wegen Staugefahr dem Gelände doch lieber mit dem Bus oder Taxi anzunähern. Was für den Autofan wohl das gleiche Gefühl hervorruft, wie wenn man Modebewusste ohne Kleidung zu einer Modeschau schickte.

Der Taxifahrer, der mich zum Ort des Geschehens brachte, hatte für diese Veranstaltung nicht viel übrig und meinte: „Ich interessiere mich überhaupt nicht für Autos, weil Autos für mich immer unerschwinglich bleiben werden. In Beijing ein Auto zu besitzen ist sehr unpraktisch und nur eine Illusion. Es ist teuer, ein Auto zu kaufen, dazu kommen noch hohe Steuern, man ist immer auf der Suche nach einem Parkplatz und hat, wenn man Pech hat, auch noch einen Unfall.“

Doch der Wunsch nach dieser Illusion, nach diesem Statusobjekt, zu dem natürlich auch die sich auf Autos räkelnden Models gehören, wächst in den Herzen vieler chinesischer Konsumenten, was manche sogar dazu verleitet, Markenembleme ihrer geliebten Marken, wie Mercedes, BMW und Toyota auf ihre Billigwagen zu kleben. Diplomvolkswirt Walter Engelmann, ein an der Messe teilnehmender Vertreter der Industrie- und Handelskammer Frankfurt am Main, sieht diesen Wunsch in Zukunft durch die Beihilfe deutscher Automobilhersteller immer umfassender erfüllt: „Insgesamt werden in China pro Jahr ca. 2 Millionen PKWs hergestellt, wobei 2003 700 000 davon mit Beteiligung deutscher Hersteller gebaut wurden. Das entspricht einem Marktanteil von 36%. Damit ist Deutschland führender ausländischer Automobilbauer in China. Nach den jüngsten Entscheidungen deutscher Automobilbauer wird dieser Trend anhalten. BMW eröffnete vor kurzem in Shenyang ein Joint Venture und VW Shanghai will ein neues Werk eröffnen, das 150 000 neue Einheiten pro Jahr erzeugen soll.“ Die in Joint Ventures hergestellten Fahrzeuge werden zum Großteil in den Werken nur montiert. Die Bestandteile werden aufgrund der noch nicht ausgereiften lokalen Qualität importiert.

Da in China nun nicht mehr wie vor zehn Jahren nur Beamte das Privileg genießen aus neun Automarken auszuwählen, sondern 80% der Verbraucher Normalbürger sind, liegt der expansivste Markt in der Preisklasse zwischen 40 000 Yuan und 80 000 Yuan. Doch auch die Luxuslimousinen halten in China laut Engelmann Einzug: „VW befriedigte mit Santana und Jetta den Taxi- und Privatbereich, was am Anfang dem Markt entsprach. Doch heute hat sich der Markt verändert und es gibt eine kleine Schicht, die über Geld verfügt und sich Luxuslimousinen leisten kann. Der Markt für Luxuslimousinen beginnt sich zu entwickeln. Audi Changchun baute bisher die offiziellen Luxuslimousinen für die Regierung und war bislang die höchst ausgestattete Luxuslimousine, die im Land hergestellt wurde. Doch BMW begann BMWs der 3er und 5er Reihe zu produzieren und DaimlerChrysler produziert nun Wagen der C und E Klasse vor Ort.“ Ein Modell der 5er Klasse erhält man in China um 698 000 Yuan (70 600 Euro), was im Vergleich zu einem importierten Fahrzeug gleichen Modells um knapp ein Viertel billiger ist.

Doch Studien verschiedener Unternehmensberater zeigen sich skeptisch, was Chinas unbegrenzte Expansionsmöglichkeiten betrifft. Eine Studie von KPMG besagt, dass 2005 4,9 Mio. Einheiten einer Nachfrage von nur 2,6 Mio. Fahrzeugen gegenüberstehen wird. Guotai Junan Securities prognostizierte schon für 2004 eine Überkapazität von 4 Millionen Fahrzeugen, was zum möglichen Rückzug mancher Unternehmen führen kann. Ein anderer Ausweg aus der Überproduktion ist laut Engelmann der Export in die umliegende Region: „2003 begann VW von China aus Produkte für Märkte in der umliegenden Region zu exportieren, wie z. B. den Polo nach Australien. Dieser Trend hält an.“ Der Rückgang der Verkaufszahlen, der aber nicht die Luxuslimousinen betrifft – das 53%ige Wachstum des Vorjahrs wird auf prognostizierte 40% in diesem Jahr sinken – liegt auch an den Plänen der Regierung, die Kreditvergabe für Autokäufe zu erschweren, da Kredite zum Teil ungeprüft vergeben werden. Wegen der großen Anzahl säumiger Schuldner haben sich chinesische Versicherungsträger wie die Ping An Versicherungsgesellschaft aus dem Autoverkauf zurückgezogen. Doch viele Käufer zahlen bar und nach der Marktöffnung durch die WTO ist es den ausländischen Autoherstellern, die nur in Form von Joint Ventures in China arbeiten dürfen, nun erlaubt, auch in die Autofinanzierung einzusteigen, wie Volkswagen Finance, die sich auf Autokreditfinanzierung konzentriert.

Die Bemühungen der Beijinger Stadtregierung, den Verkehr einzuschränken, werden in Zukunft sicher noch verstärkt werden müssen. Engelmann meint zum Verkehrsproblem Beijings: „Die Infrastruktur steigt nicht im gleichen Maße wie der Autobau, sie hinkt hinterher. In Beijing werden jeden Monat 20 000 neue Autos zugelassen. Bei meinem letzten Besuch vor einigen Jahren gab es noch viel mehr Fahrradfahrer. Ich habe das Gefühl, viele Fahrräder wurden durch Autos ersetzt. Die Verkehrsproblematik ist evident.“ Die Stadtregierung überlegt Maßnahmen wie die Einführung von Parkgebühren, das Anheben der Zulassungs- und Benzingebühren und den Ausbau des Straßensystems und des öffentlichen Verkehrs. Doch da die Autoindustrie noch immer als Motor der Wirtschaft angesehen wird, wird es wohl nicht so bald zu einer Beschränkung der Zulassungen an sich kommen. Für europäische Augen ist eine autofreundliche, der amerikanischen nicht unähnliche Verkehrspolitik offensichtlich. Der Traum vom eigenen Auto wiederholt sich und es ist nicht überraschend, dass China nach Amerika das zweitlängste Schnellstraßennetz hat und der drittgrößte Automarkt nach den USA und Japan ist.

Es ist nur zu hoffen, dass die Zahlen für sich sprechen, die nach der offiziellen Statistik des Ministeriums für Öffentliche Sicherheit schon 2001 erschreckend sind. Es gab 760 000 Verkehrsunfälle mit 100 600 Todesopfern. Laut der Presseagentur Xinhua gab es im Mai 2004 8 198 Tote, 10,4% mehr als der Monat davor. Diese Unfälle machten 180 Mio. Yuan aus und 93 % der Toten wurden durch ungenügendes Fahrkönnen verschuldet. Außerdem brauchen über 40% der Beijinger Arbeitnehmer über eine Stunde zur Arbeit. Dies sind nicht nur menschliche Verluste und Unannehmlichkeiten, diese Zahlen schlagen sich auch in der Wirtschaft nieder und werden in die Kalkulation einer nachhaltigen Entwicklung einberechnet werden müssen.

Nun müssen wir zwei Jahre auf die nächste Automesse warten und es ist zu hoffen, dass Beijing in Zukunft auch berühmt für seine umfangreiche Fahrradmesse sein wird.

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