Juni 2004
Ihre Position: Homepage >

Rückkehr der chinesischen „Seeschildkröten“

Als „Seeschildkröten“ und wegen ihrer Erfahrungen im Ausland bekannt, finden chinesische Studenten aus Übersee die Arena für ihre Karriere zu Hause.

Von unserem Mitarbeiter Qiu Jianghong

Chinesen, die nach ihrem Studium im Ausland zurückkommen, um in ihrer Heimat Geschäftschancen wahrzunehmen, werden oft als „Seeschildkröten“ bezeichnet nach dem chinesischen Symbol für Ausdauer und Beharrlichkeit. Yu Yu, die den Dangdang Internetbuchladen gegründet hat, der auch Chinas Amazon genannt wird, ist eines dieser ambitionierten Reptilien.

Die Verlockung der hohen See

Yu Yu betrat 1987 als blauäugige 22-jährige zum ersten Mal amerikanischen Boden. Yu schrieb sich zuerst an der Universität Oregon ein, fand die Kurse aber uninteressant und ersann deshalb einen neuen Plan. Mit nur 200 US-Dollar in der Tasche wollte Yu auf einem Fischerboot in Alaska anheuern. „Es ist eine wahre Geschichte“, sagt sie, „damals schlugen mir viele Leute vor, ich sollte doch nach Alaska gehen. Aber glücklicherweise eröffnete sich mir eine andere Alternative.“ Diese Alternative war der eintritt in die Amerikanische Nationale Reserve, da den Mitgliedern Bundeskredite für Ausbildung und andere Leistungen gewährt wurden. Leider war das nur für amerikanische Bürger der Fall.

Schlussendlich bekam Yu die Chance, als Managerin eines Lagerraums zu arbeiten, anstatt in Alaska zu fischen oder zum Militär zu gehen. Beim Anblick ihres zukünftigen Arbeitsplatzes war sie entsetzt über das herrschende Chaos – sogar die Computeraufzeichnungen waren durcheinander. Der erste Job, für den sie sich freiwillig meldete, war, den Lagerbestand zu erfassen, eine einige Millionen US-Dollar schwere Verantwortung.

Zuerst waren Yus Mitarbeiter von ihrer Eigeninitiative überrascht. Doch durch ihre Zielstrebigkeit und ihre Unbeirrbarkeit gewann sie ihre Kollegen für sich. 1992 erlangte Yu den MBA am Institut für Betriebswirtschaft der Universität New York und begann kurz darauf für eine Anlagenbank zu arbeiten. „Es war eine unvergessliche Erfahrung“, sagt sie, „Ich hatte davor kaum Ahnung von Finanzen, aber durch die Zusammenarbeit sowohl mit Partnern als auch mit Mitbewerbern lernte ich zum niedrigsten Preis mit dem wenigsten Risiko zu kaufen.“

Yus Freunde scherzen über Yu und ihren Mann Li Guoqing und sagen, dass „die Seeschildkröte eine lokale Schildkröte mit weicher Schale“ geheiratet hat. Obwohl Li keine Auslandserfahrung hat, hat Yu eine geistige Übereinstimmung zwischen ihrer und seiner ausdauernden Arbeitsethik festgestellt. „Er ist ein talentierter Geschäftsmann, ein unermüdlicher Pionier.“, sagt sie über ihn.

Sieben Monate nachdem sie sich kennen gelernt hatten, heirateten sie, und Yu gebar im Dezember 1997 einen Sohn. Das Ehepaar entschloss sich, wegen der Lage von Lis Firma und Yus Zuversicht, ihre eigene Firma in China zu gründen, sich in Beijing niederzulassen. „Nie zuvor in der Geschichte widmete sich eine Nation so hingebungsvoll der Wirtschaftsentwicklung und dem gesellschaftlichen Fortschritt. Ein wirtschaftlich starkes China und eine stetige Verbesserung des Investitionsklimas haben eine unwiderstehliche Anziehung auf Investoren weltweit, ganz zu schweigen von Einheimischen wie mir.“

Der Unternehmensmarathon

Das zweite „Kind“ des Ehepaares, der Dangdang Internetbuchladen, wurde 1999 ins Leben gerufen. Yu taufte den Laden Dangdang aus kulturellen Gründen und geschäftlichen Überlegungen. „Ein guter Firmenname soll kulturellen Gehalt und eine glücksverheißende Bedeutung verbinden“, sagt sie, „Dangdang ist in jedem Dialekt einfach auszusprechen.“

Innerhalb von zwei Jahren wurde Dangdang zum größten chinesischsprachigen Internetbuchladen weltweit. Davon ist die Leitung des chinesischen Generalamts für Presse- und Verlagswesen sehr begeistert: „Seine riesige Hilfestellung bei der Beschleunigung der Entwicklung der chinesischen Buchindustrie im neuen Jahrtausend macht Dangdang zum Führer des chinesischen elektronischen Handels.“

Yu Yu vergleicht manchmal die Führung ihres eigenen Betriebes mit einem Marathonlauf. „Du kannst es dir nicht leisten, auch nur einen Moment zu rasten.“, sagt sie. Ein anderes Mantra, dass ihre Angestellten oft zu hören bekommen, nämlich „Treue, Eifer und Sparsamkeit“, beschreibt Dangdangs Betriebskultur. Durch das blühende Geschäft füllen sich natürlich auch ihre Kassen, doch ihre Hauptmotivation ist nicht Geld. „Es berührt mich nicht, ob auf meinem Konto 100.000 oder 1 Million Yuan liegen“, sagt Yu. „Mein alleiniges Interesse liegt darin, Dangdang noch stärker zu machen – daraus ziehe ich mein Glücksgefühl.“

-+-+-+-+-+-+-+-+-+-+-+-+-+-+-+-+-+-+-+-+-+-+-+-+-+-+-+-+-+-+-+-+-+-+-+-+-+-+-+-+-+--+-+-+-+--+-+-+--+-
Zurück