Rückkehr
der chinesischen „Seeschildkröten“
Als
„Seeschildkröten“ und wegen ihrer Erfahrungen im Ausland
bekannt, finden chinesische Studenten aus Übersee die
Arena für ihre Karriere zu Hause.
Von
unserem Mitarbeiter Qiu Jianghong
Chinesen,
die nach ihrem Studium im Ausland zurückkommen, um in ihrer
Heimat Geschäftschancen wahrzunehmen, werden oft als
„Seeschildkröten“ bezeichnet nach dem chinesischen Symbol
für Ausdauer und Beharrlichkeit. Yu Yu, die den Dangdang Internetbuchladen
gegründet hat, der auch Chinas Amazon genannt wird, ist eines
dieser ambitionierten Reptilien.
Die Verlockung der hohen See
Yu Yu
betrat 1987 als blauäugige 22-jährige zum ersten
Mal amerikanischen Boden. Yu schrieb sich zuerst an der Universität
Oregon ein, fand die Kurse aber uninteressant und ersann deshalb
einen neuen Plan. Mit nur 200 US-Dollar in der Tasche wollte
Yu auf einem Fischerboot in Alaska anheuern. „Es ist eine
wahre Geschichte“, sagt sie, „damals schlugen mir viele Leute
vor, ich sollte doch nach Alaska gehen. Aber glücklicherweise
eröffnete sich mir eine andere Alternative.“ Diese Alternative
war der eintritt in die Amerikanische Nationale Reserve, da
den Mitgliedern Bundeskredite für Ausbildung und andere Leistungen
gewährt wurden. Leider war das nur für amerikanische
Bürger der Fall.
Schlussendlich
bekam Yu die Chance, als Managerin eines Lagerraums zu arbeiten,
anstatt in Alaska zu fischen oder zum Militär zu gehen.
Beim Anblick ihres zukünftigen Arbeitsplatzes war sie entsetzt
über das herrschende Chaos – sogar die Computeraufzeichnungen
waren durcheinander. Der erste Job, für den sie sich freiwillig
meldete, war, den Lagerbestand zu erfassen, eine einige Millionen
US-Dollar schwere Verantwortung.
Zuerst
waren Yus Mitarbeiter von ihrer Eigeninitiative überrascht.
Doch durch ihre Zielstrebigkeit und ihre Unbeirrbarkeit gewann
sie ihre Kollegen für sich. 1992 erlangte Yu den MBA am Institut
für Betriebswirtschaft der Universität New York und begann
kurz darauf für eine Anlagenbank zu arbeiten. „Es war eine
unvergessliche Erfahrung“, sagt sie, „Ich hatte davor kaum
Ahnung von Finanzen, aber durch die Zusammenarbeit sowohl
mit Partnern als auch mit Mitbewerbern lernte ich zum niedrigsten
Preis mit dem wenigsten Risiko zu kaufen.“
Yus Freunde
scherzen über Yu und ihren Mann Li Guoqing und sagen, dass
„die Seeschildkröte eine lokale Schildkröte mit
weicher Schale“ geheiratet hat. Obwohl Li keine Auslandserfahrung
hat, hat Yu eine geistige Übereinstimmung zwischen ihrer
und seiner ausdauernden Arbeitsethik festgestellt. „Er ist
ein talentierter Geschäftsmann, ein unermüdlicher Pionier.“,
sagt sie über ihn.
Sieben
Monate nachdem sie sich kennen gelernt hatten, heirateten
sie, und Yu gebar im Dezember 1997 einen Sohn. Das Ehepaar
entschloss sich, wegen der Lage von Lis Firma und Yus Zuversicht,
ihre eigene Firma in China zu gründen, sich in Beijing niederzulassen.
„Nie zuvor in der Geschichte widmete sich eine Nation so hingebungsvoll
der Wirtschaftsentwicklung und dem gesellschaftlichen Fortschritt.
Ein wirtschaftlich starkes China und eine stetige Verbesserung
des Investitionsklimas haben eine unwiderstehliche Anziehung
auf Investoren weltweit, ganz zu schweigen von Einheimischen
wie mir.“
Der Unternehmensmarathon
Das zweite
„Kind“ des Ehepaares, der Dangdang Internetbuchladen, wurde
1999 ins Leben gerufen. Yu taufte den Laden Dangdang aus kulturellen
Gründen und geschäftlichen Überlegungen. „Ein guter
Firmenname soll kulturellen Gehalt und eine glücksverheißende
Bedeutung verbinden“, sagt sie, „Dangdang ist in jedem Dialekt
einfach auszusprechen.“
Innerhalb
von zwei Jahren wurde Dangdang zum größten chinesischsprachigen
Internetbuchladen weltweit. Davon ist die Leitung des chinesischen
Generalamts für Presse- und Verlagswesen sehr begeistert:
„Seine riesige Hilfestellung bei der Beschleunigung der Entwicklung
der chinesischen Buchindustrie im neuen Jahrtausend macht
Dangdang zum Führer des chinesischen elektronischen Handels.“
Yu Yu
vergleicht manchmal die Führung ihres eigenen Betriebes mit
einem Marathonlauf. „Du kannst es dir nicht leisten, auch
nur einen Moment zu rasten.“, sagt sie. Ein anderes Mantra,
dass ihre Angestellten oft zu hören bekommen, nämlich
„Treue, Eifer und Sparsamkeit“, beschreibt Dangdangs Betriebskultur.
Durch das blühende Geschäft füllen sich natürlich auch
ihre Kassen, doch ihre Hauptmotivation ist nicht Geld. „Es
berührt mich nicht, ob auf meinem Konto 100.000 oder 1 Million
Yuan liegen“, sagt Yu. „Mein alleiniges Interesse liegt darin,
Dangdang noch stärker zu machen – daraus ziehe ich mein
Glücksgefühl.“