Coole
Kunden
Die
Jugend Chinas als neuer Traummarkt
Von
Mark Godfrey
(Irischer Journalist, der zur Zeit in Beijing lebt)
In Chinas
derzeitig fürhrendem Kassenschlager, dem Film Lian Ai Zhong
De Bao Bei (Baober in Love) findet Liu Zhi, der Hauptprotagonist,
das moderne materialistische Leben langweilig. Während
er auf das Mädchen wartet, in das er sich leidenschaftlich
verlieben will, beichtet er diese Antipathie seiner Videokamera.
Baober findet seine Videokassette und den Mann, den sie sucht.
Baober und Liu wuchsen auf in einer durch Bagger und Kräne
umgewandelten Stadt. Dieses gewaltige kulturelle Erdbeben
erschütterte Baobers geistige Welt.
Diese
die Moderne und das Konsumdenken betreffende Ernüchterung
sondert Baober und Liu von ihresgleichen ab. Die meisten jungen
urbanen Chinesen haben sich als enthusiastische Käufer
und Konsumenten von Luxusartikeln herausgestellt. Besser ausgebildet,
besser verdienend und großzügiger beim Konsumieren als
ihre Eltern, werden die Teenager und Frühzwanziger von weltweiten
Marketingmanagern angepeilt, die eifrig den riesigen und lukrativen
Markt für ihre Marken bestimmen wollen. Sie haben guten Grund
optimistisch zu sein: eine Umfrage der Marktforschungsagentur
AC Nielsen ergab im Jahr 2001, dass die Ausgaben der Jugend
Beijings im Alter von 10 bis 22 monatlich 1.4 Milliarden Yuan
betragen. Teenager steuern zu dieser Gesamtgeldsumme 60 Prozent
bei.
Einer
neuesten Erhebung des Instituts für Soziologie der Universität
Shandong zufolge sind seit 2001 die Ausgaben der Studenten
für Essen und Kleidung um 20 Prozent auf heute 60 Prozent
gefallen. Studenten geben mehr Geld aus für Handys Magazine,
Computer, Kinokarten, Reisen und Sportausstattung. Viele Studenten
haben Halbtagsjobs angenommen, um diese zusätzlichen
Luxusgüter zu finanzieren. Haarfärbemittel, Kosmetika
und modische Kleidung sind ein Muss für die bei der Erhebung
befragten Studentinnen.
Akademiker
und Kulturwissenschaftler wurden hinzugezogen, um herauszufinden,
wofür Chinas junge Verbraucher am liebsten ihr Geld verwenden,
was cool ist und was nicht. „Es ist großartig, zu wissen
was cool ist, aber die Millionenfrage ist, wodurch etwas cool
wird“, sagt Dr. Carl Rohde, Kulturanthropologe an der Universität
Utrecht in Holland. Rohde arbeitet für die internationale
PR-Firma Hill & Knowlton, um das Einkaufsverhalten von
jungen Konsumenten in verschiedenen Ländern weltweit
zu entschlüsseln. Ein Team von „Coolheitsjägern“ mischte
sich unter seiner Leitung in Beijing und Shanghai unters Volk,
um herauszufinden was „cool“ ist bei Chinas Stadtjugend.
Die ultimativ
coolsten Dinge für chinesische Jugendliche sind - der Umfrage
von Hill und Knowlton zufolge - Tangas, Extremsportarten,
Tätowierungen und Piercings. Den Befragten zufolge symbolisieren
Tangas sexuelle Freiheit, während Extremsportarten wie
Klettern und Bungee Jumping einen gesunden alternativen Lebensstil
und Abenteuer repräsentieren. Tätowierungen und
Piercings andererseits „fordern Traditionen heraus und veranschaulichen
die Betonung des Körpers“, lauten Antworten aus den Fragebögen.
„Stärke,
Persönlichkeit und Unabhängigkeit“ sind die bevorzugten
Worte der im Trend liegenden chinesischen Jugendlichen, mit
denen sie sich selbst beschreiben und die Gründe, laut Rohde,
warum sie spezifische Produkte kaufen. „Mit voller Kraft will
man möglichst tüchtig erscheinen und sein physisches
und psychisches Selbstbewusstsein stärken.“ Der Erfolg
westlicher Marken in China hängt davon ab, wie sehr sie
einen Anreiz für diese Konsumentenbedürfnisse schaffen können.
„Die Marke Puma ist sehr in zur Zeit, weil sie einen zu mehr
Individualität und dem Bewußtsein einer eigener
Persönlichkeit befähigt.“ Chinesische Marken wie
Li Nings Sportbekleidungslabel haben zwar ein gutes Vertriebsnetz,
sind aber beim Marketing des Coolheitsfaktors nicht so erfolgreich.
Die internationale
Kosmetikmarke Avon verdankt ihren Onlineverkauf über 125 Millionen
US-Dollar letztes Jahr zum großen Teil jungen chinesischen
Frauen. Die Firma startete vor kurzem die Produktreihe mit
dem Namen UP2U (“It`s Up to You“), die speziell auf „trendige
chinesische Teenager und junge Erwachsene“ abzielt“, lässt
uns eine Sprecherin der Firma wissen.
„Jedes
Kind der chinesischen Generation von Einzelkindern will einzigartig
sein und jedes von diesen Kindern denkt, eine Berühmtheit
sein zu müssen“, sagt Hung Huang, Herausgeber von Qingchun
Yizu, der 2001 gegründeten chinesischen Ausgabe des amerikanischen
Magazins Seventeen. Hung zielt in den 47 chinesischen
Städten, in denen das Magazin verkauft wird, damit auf
die 15 bis 22-jährigen ab. „Chinas Jugend nimmt auf sehr
ähnliche Weise Marken wahr wie die in London, New York
oder Paris. Was sie unterscheidet ist, dass sie sich als eigenständige
Konsumentengruppe vernachlässigt fühlen.“
Als der
Verfasser eine Gruppe unter 20-jähriger Studenten in
Beijing befragte, gaben diese Nike als ihre Lieblingssportmarke
an. Nike spendet Geld für die Errichtung von Sportplätzen
an Mittelschulen. Aber die Firma hat genügend Konkurrenz:
Adidas und Puma lagen in meiner Miniumfrage knapp hinter Nike.
Um Werbung von multinationalen Kosmetik- und Sportbekleidungsfirmen
zu ergattern, hat sich das populäre Magazin Urban
in Shanghai angesiedelt, und ist voll von Werbungen der
Marken Reebok, Nike, Puma und anderer internationaler Marken,
die auf die reichen Schichten der chinesischen Jugendlichen
abzielen.
„Diese
Generation hasst Fälschungen ihrer Lieblingsmarken. Sie
ist Marken gegenüber anspruchsvoller als die Generationen
vor ihr.“ Emotionen spielen sich in der Generation hauptsächlich
über das Handy ab. „Ich fühle mich ganz nackt, wenn ich ohne
mein Handy auf die Strasse gehe“, antwortete eine der Befragten
der Coolheitsumfrage. Die Massenpopularisierung von DVDs brachte
einen großen Wandel mit sich und bereitete die chinesische
Jugend auf westliche Einflüsse vor, meint Hung Huang. Das
gilt auch für westliche Schnellimbisse und Kaffeeketten. „Starbucks
ist „cool“ bei amerikanischen Jugendlichen, wird aber von
europäischen Jugendlichen als etablierter Durschschnitt
angesehen“, sagt Dr. Carl Rohde. „In Asien hingegen ist Starbucks
auf dem besten Weg zur Coolheit.“
Eine
der jungen Fachkräfte, die die Coolheitsjäger interviewten,
die 24-jährige Ziping, meinte, dass ein kurzer, kantiger
Haarschnitt, am besten vielfärbig, der modischste Haarstil
der jungen Chinesinnen wäre. Hautpflege ist auch eine
Voraussetzung für Raffinesse. Das sind gute Neuigkeiten für
Corey Lindley, Präsidentin der Chinageschäfte des
US-Kosmetikgiganten Nu Skin, die für dieses Jahr ein hundertprozentiges
Umsatzwachstum für ihre Firma voraussagt. „Wir vermarkten
zwei Produktreihen. Unsere Nu Skin Prestigeprodukte verkaufen
wir um durchschnittlich 20 US-Dollar pro Stück. Wir verkaufen
auch eine billligere Produktreihe, bei der ein Produkt etwa
5 US-Dollar kostet. Die besten Kunden von Nu Skin sind junge
städtische Frauen zwischen 18 und 33“, sagt Lindley.
Eine
Umfrage, die letzten Sommer von Banken in der östlichen
Stadt Nanjing durchgeführt wurde, zeigte, dass 65% der Befragten
bereit waren, Anschaffungen durch Bankkredite zu finanzieren.
Der Nanjing-Zweig der Chinesischen Volksbank vergab in den
ersten 5 Monaten des Jahres 2003 schon 22 Milliarden an Privatkrediten.
Beinahe 70% der Kredite wurden in der Form von Hypotheken
vergeben. Scharf darauf ihr, zukünftiges Gehalt schon im Voraus
auszugeben, borgten die Jugendlichen Geld für Autos, Wohnungen,
Haushaltsgeräte und ihre Ausbildung. Ein typisches Verhalten
war, für die Wohnung 80.000 Yuan und 20.000 Yuan für ein Auto
zu borgen. Nur 11 Prozent der Befragten mit höherer Bildung
sagten, sie würden nie Geld für Wohnung und Auto ausleihen.
Die Ausdehnung
der nach Coolheit strebenden Sozialgruppe der chinesischen
Bevölkerung wird vom anhaltenden Wirtschaftserfolg und
dem Urbanisierungsprozess in den ländlichen Gebieten
abhängen, und auch vom erweiterten Zugang zu höherer
Bildung. Wenn einer dieser Faktoren schwankt, ziehen Dr. Rohdes
„Coolheitsjäger“ wohl weiter. Währenddessen, liebe
Leser, schaut euch Baober in Love an, um eine Ahnung
zu bekommen, warum manche junge Chinesen nicht lebende Zielscheiben
für Marken und Coolheitsjäger sein wollen.