März 2004
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Huang Di, der Gelbe Kaiser

Von Feng Tang

 

Das chinesische Volk bezeichnet sich traditionell als Nachfahren Huang Dis, einer legendären Herrschergestalt, in grauer Vorzeit. In einer Sammlung von Sagen, die in der Zeit der Streitenden Reiche (475–221 v. u. Z.) verfasst wurde, wird folgender Bericht gegeben:

Huang Di, der Gelbe Kaiser, lebte in einem großartigen Palast auf dem Kunlun-Berg im Westen. Ihm zur Seite stand ein himmlischer Wächter mit dem Kopf eines Menschen, dem Körper eines Tigers und neun Schwänzen. Der Kunlun-Berg war voller seltener Tiere, wunderschöner Blumen und Pflanzen. Huang Di hatte einen Hausvogel, der ihm half, Kleider und persönliche Gegenstände in Ordnung zu halten. Überall auf dem Berg gab es weiche, weiße Jade, deren kristallklare kremige Absonderungen dem Gelben Kaiser zur Nahrung dienten.

Huang Di wird die Erfindung des Wagens, des Bootes und des Südanzeiger-Wagens zugeschrieben. Letzterer war mit einem besonderen Rädermechanismus ausgestattet, der einen Zeiger immer nach Süden gerichtet hielt, ganz gleich, wohin das Gefährt gelenkt wurde. Huang Di, so heißt es, habe den Richtungsweiser stets in die Schlacht mitgenommen. Auch in der Astronomie war er bewandert. So soll er den ersten chinesischen Kalender entworfen haben. Seine Gespräche über Diagnose und Therapie mit dem Arzt Qi Bo sind in Chinas erstem medizinischem Fachwerk, Nei Jing, aufgezeichnet.

Lei Zu, Huang Dis Frau, hat der Überlieferung nach das Volk gelehrt, Seidenwürmer aufzuziehen und schöne Seidenstoffe zu weben.

Die Initiative talentierter Menschen zur Entfaltung zu bringen, wurde auch damals schon geschätzt, denn die Berichte heben eben dies als eine der starken Seiten Huang Dis hervor. Er sammelte fähige Männer um sich und ließ sie bedeutende Erfindungen ausführen: Chang Jie die piktographischen Schriftzeichen, Ling Lun die Zwölftonskala, Li Shou verschiedene Messinstrumente und Feng Bo den Südanzeiger-Wagen. – Alle diese Dinge kamen tatsächlich vor vier-, fünftausend Jahren auf. Der Gelbe Kaiser wurde so zu einem Symbol der Kultur der chinesischen Nation und zu einem Repräsentanten ihrer erfinderischen Intelligenz.

Eine Geschichte, in der möglicherweise die Erinnerung an Stammeskriege der Vorzeit nachklingt, handelt vom Kampf zwischen Huang Di und Chi You. Sie ist im Tai Ping Yu Lan enthalten, einem Werk, das von Li Feng und anderen zwischen 977 und 981 zusammengestellt wurde. (Chi You wird darin als eine Gottheit beschrieben, während andere Quellen ihn als Stammesführer bezeichnen.)

Chi You hatte 72 Brüder (81 nach anderen Überlieferungen) von fruchteinflößendem Aussehen. Ihre Köpfe waren aus Bronze und ihre Stirn aus Eisen. Sie hatten ein menschliches Gesicht, aber den Körper eines Tieres. Chi You verstand sich besonders auf das Schmelzen von Bronze und das Schmieden von Waffen. Seine Pfeile, Äxte und Speere waren von unübertroffener Güte. Er führte seine Männer nach Shandong und griff den Stamm Yan Dis an, der bis nach Zhuolu im nordwestlichen Hebei getrieben wurde, wo sich das Herrschaftsgebiet Huang Dis befand. Darüber erzürnt, zog der daraufhin gegen Chi You in die Schlacht. Zunächst war Huang Di seinem Gegner nicht gewachsen und musste mehrere Niederlagen hinnehmen. So ließ Chi You mitten im Schlachtgetümmel einen dichten Nebel aufziehen, der den Männern des Gelben Kaisers alle Sicht nahm. Glücklicherweise hatten sie jedoch den Südanzeiger-Wagen mit, der ihnen den Weg wies.

In Chi Yous Heer waren viele Monstren und Dämonen, die den Truppen Huang Dis große Verluste zufügten. Die fürchterlichen Krieger hatten aber einen Schwachpunkt: sie fürchteten sich vor dem Schrei eines bestimmten Drachen. Der Gelbe Kaiser wies daher siene Männer an, aus Tierhörnern Instrumente herzustellen, mit denen der Drachenschrei täuschend nachgeahmt werden konnte. Als die Dämonenkrieger den Laut hörten, waren sie gelähmt vor Schrecken und verloren die Schlacht.

Chi You rief daraufhin einen Drachengott zu Hilfe, der ein mächtiges Gewitter über den Gegner heraufbeschwärte. Doch Huang Di führte dagegen seine Tochter an. Sie trat an die Front und ließ eine Hitzewelle los, die den Regensturm völlig auftrocknete. Bevor Chi Yous Brüder sich von ihrem Schrecken erholen konnten, hatten die Krieger des Gelben Kaisers sie geschlagen.

Die Entscheidungsschlacht wurde bei Zhuolu ausgetragen. Chi You hatte die Kuafu, eine Sippe von Reisen im Norden (ihr Ahn war einst mit der Sonne um die Wette gelaufen und verdurstet), um Hilfe gebeten. Sie trieben Huang Di 50 Li zurück. Doch mit einer Strategie, die er von der Göttin des Neunten Himmels erlernte, konnte sie der Gelbe Kaiser schließlich besiegen. Chi You zog sich ins heutige Shanxi zurück, wo er von den Männern Huang Dis gefangen wurde. Huang Di ließ ihn köpfen und den Körper – um zu verhindern, dass dieser sich mit dem Haupt wiedervereinigt – 1000 Li entfernt eingraben. Der Ort heißt bis auf den heutigen Tag Xiexian: Xie – Spalten, Xian – Kreis. In der Nähe befindet sich ein Salzsee, dessen rötliche Farbe, so heißt es, von Chi Yous Blut stammt.

Nachdem der Gelbe Kaiser Chi You besiegt hatte, herrschte er über die ganze Mittlere Ebene. Sein Reich erstreckte sich im Osten bis ans Meer, im Westen bis ins heutige Gansu, im Süden bis an den Changjiang (Yangtse) und im Norden bis nach Shanxi und Hebei. Als er hundert Jahre alt geworden war, so die Legende, holte ihn ein Drache in den Himmel zurück.

Aus „China im Aufbau“, Nr. 10, 1982

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