März 2004
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Die Erschließung Nordostchinas bringt der Welt Chancen

Von Li Wuzhou und Luo Yuanjun

Strategie für die Erschließung Nordostchinas

Der Freigesetzte Zhang Tiejun aus der Stadt Anshan in der Provinz Liaoning wohnt nahe an der Eisenbahn. In seiner Kindheit sah er täglich Züge voll von Getreide, Kohle, Rohöl, Nutzholz, Eisen und Stahl sowie Kraftfahrzeugen, die von hier in den Süden Chinas fuhren. Als Wiege der chinesischen Industrie lieferte der Nordosten Chinas ununterbrochen Energie und Ausrüstung und leistete große Beiträge für den Aufbau Chinas.

Aber heute sieht man im Nordosten Chinas – eines der frühesten Industriegebiete des Landes und einst das wichtigste – immer mehr Zeichen von Verfall. Eine große Anzahl von Fabriken ist stillgelegt, und auf deren Gelände ist nur noch Sicherheitspersonal im Dienst. Statistische Angaben zeigen, dass das Bruttoinlandsprodukt der Provinz Liaoning in den ersten Jahren nach der Einführung der Reform- und Öffnungspolitik doppelt so hoch war wie das der Provinz Guangdong, heute aber ist es umgekehrt. Wie Millionen andere Entlassene in Nordostchina hat Zhang Tiejun seinen Stolz verloren.

Der Nordostteil Chinas umfasst die Provinzen Liaoning, Jilin und Heilongjiang und zählt 107 Mio. Einwohner. Das entspricht fast der Bevölkerungszahl Großbritanniens und Frankreichs zusammen. Im Vergleich zu anderen Gebieten Chinas sind die Industriearbeiter in Nordostchina viel besser qualifiziert. Wenn der Einkommensunterschied zwischen dem Nordosten und den anderen Landesteilen immer größer würde, verstieße dies nicht nur gegen die Fairness, sondern bedrohte wegen der hohen Arbeitslosigkeit auch die Stabilität der Gesellschaft.

Angesichts dieser Situation erklärte die chinesische Zentralregierung im vorigen Jahr die Belebung Nordostchinas zur „wichtigsten und dringendsten Aufgabe“ im neuen Jahrhundert, d. h. die traditionelle Industriebasis Nordostchinas soll zu einer wichtigen Produktionsbasis für industrielle Ausrüstungen umgestaltet werden.

Diese wichtige Maßnahme erregte auf der ganzen Welt große Aufmerksamkeit, ganz so wie die Gründung der Sonderwirtschaftszonen im Jahr 1980, die Öffnung der Küstenstädte im Jahr 1984, die Einrichtung der Wirtschaftszonen in den Küstengebieten im Jahr 1985, die Einrichtung und Öffnung der Neuen Zone Pudong in Shanghai im Jahr 1990 und die Große Erschließung Westchinas.

Analysten sind der Meinung, dass das Ziel der Belebung Nordostchinas oberflächlich darin liege, den Entwicklungsrückstand Nordostchinas zu anderen Gebieten auszugleichen. Tatsächlich aber soll damit die industrielle Struktur des Landes reguliert werden.

Nach der Einführung der Reform- und Öffnungspolitik legte die chinesische Regierung großen Wert auf die Entwicklung der Leichtindustrie, um die Warenknappheit zu beheben. Dadurch entstanden zwei wichtige Produktionsbasen, eine im Yangtse- und eine im Perlfluss-Delta. Dank der Vorzugsbedingungen, die die chinesische Regierung den ausländischen Investoren einräumte, erreichte das Volumen der ausländischen Investitionen in China im Jahr 2002 den höchsten Wert weltweit. In der gleichen Zeit aber verschlechterte sich die Grundlage der chinesischen Produktionsindustrie. Viele benötigte Maschinen mussten importiert werden. Allein im Jahr 2002 gab China mehr als 70 Mrd. US-Dollar für den Import von Maschinen aus. Das überstieg bei weitem die eingeführten Investitionen und verhinderte, dass sich China den Herausforderungen einer im Zeichen der Globalisierung immer stärkeren Konkurrenz zwischen den Ländern stellen konnte.

Die Politik der Belebung Nordostchinas zeigt, dass sich die politischen Entscheidungsträger der Wichtigkeit der Schwerindustrie für die Entwicklung Chinas bewusst sind. Sie wünschen, dass der Nordosten nach dem Perlfluss-Delta, dem Yangtse-Delta sowie Beijing und Tianjin zur vierten großen Wirtschaftszone Chinas wird.

Andere Analysten weisen darauf hin, dass die Belebung des Nordostens mit anderen Maßnahmen zur Förderung des wirtschaftlichen Aufschwungs in der jüngsten Vergangenheit im Einklang steht. So braucht China die Methoden des Westens nicht zu wiederholen, dessen industrieller Aufstieg auf der Plünderung der natürlichen Ressourcen anderer Länder beruhte, sondern wird sich darauf beschränken, die inländische Nachfrage anzukurbeln.

Die chinesische Regierung hat beschlossen, 61 Mrd. Yuan in die Belebung Nordostchinas zu investieren. Das reicht aber für das gesamte Gebiet der traditionellen Industriebasis bei weitem nicht aus. Deshalb will die chinesische Regierung großen Wert auf die Einfuhr ausländischen Kapitals legen.

Gute Gelegenheiten für internationales Kapital

Chancen sind oft so, dass Partner gegenseitig profitieren. Bei der Suche nach einem Weg für die Weiterentwicklung hat sich der Nordostteil Chinas zum Ziel gesetzt, die traditionellen Industrien durch fortschrittliche neue Technologien zu erneuern. Das bringt großen internationalen Unternehmen der Produktionsindustrie zweifellos Chancen. Ausländische Investoren, die ihr Kapital in Nordostchina anlegen, können nicht nur mit der Unterstützung der chinesischen Regierung rechnen, sondern auch mit der Dankbarkeit des chinesischen Volks.

Nun ist die beste Zeit für Investitionen in Nordostchina. Noriyoshi Ehara, der Leiter der Beijinger Filiale einer japanischen Handelsfirma, hat 6 Jahre in der nordöstlichen Hafenstadt Dalian gelebt. Er ist der Meinung, dass der Nordostteil Chinas reich an natürlichen Ressourcen wie Erdöl und Kohle sei. Außerdem verfüge er über eine gute industrielle Struktur und moderne Produktionsanlagen. Insbesondere in der Chemie- und Schwerindustriebranche gebe es eine solide Materialbasis. Das alles übe eine große Anziehungskraft auf Investoren aus. Diese Ansicht ist für viele Investoren repräsentativ.

Nordostchina hat in der günstigen Verkehrslage einen weiteren Vorteil. Es gibt ein gut ausgebautes Straßennetz, und Eisenbahn und Schiffsverkehr sind auf hohem Stand. Bis jetzt haben viele ausländische Firmen ihre Produktionsstätten im Yangtse- und im Perlfluss-Delta gegründet. Aber der Verkehr dort staut sich sehr oft. Dieses Problem besteht in Nordostchina nicht. „Leider ist das vielen ausländischen Firmen, einschließlich japanischen, noch nicht bewusst“, sagt Noriyoshi Ehara.

Professor Song Donglin, Vizedirektor des Wirtschaftsinstituts der Universität Jilin, hält nicht nur die solide industrielle Grundlage Nordostchinas für einen Vorteil, sondern auch seine unmittelbare Nachbarschaft zu Russland und der Mongolei. „Südkorea und Japan liegen ebenfalls in der Nähe. Diese geographische Lage ist sehr günstig für den Handel zwischen Nordostchina und seinen Nachbarländern“, meint Song. Außerdem sei das Gebiet reich an natürlichen Ressourcen. Der Erdölausstoß mache 40% des ganzen Landes aus, und auch die Kohlevorräte seien sehr groß. Es gebe hier kein Problem bei der Energieversorgung. „Im Vergleich zu anderen Landesteilen sollten die Investoren in Nordostchina höhere Profite erzielen können“, ist Song überzeugt.

Die Qualität der Arbeitskräfte ist ein wichtiger Faktor für eine langfristige starke Konkurrenzfähigkeit. In Nordostchina gibt es eine große Menge an hoch qualifizierten Facharbeitern. In den letzten Jahren war der Mangel an Facharbeitern ein großes Hindernis für die Entwicklung des Yangtse-Deltas. Beispielsweise entgehen der Stadt Haining in der Provinz Zhejiang, die als „Heimat des Pelzmantels“ landesweit bekannt ist, wegen Facharbeitermangels jeden Tag Bestellungen im Wert von 1 Mio. US-Dollar. Im Gegensatz dazu wurde eine Menge von hoch qualifizierten Facharbeitern in Nordostchina wegen der Optimierung der industriellen Struktur freigesetzt. Manche von ihnen haben eine neue Stelle im Yangtse-Delta gefunden. Wenn sich die Industriearbeiter, die heute von der Regierung als Belastung betrachtet werden, effizient mit dem Kapital verbinden, werden sie ihre Überlegenheit ausspielen können.

Xu Chuanchen, der Leiter des Forschungszentrums für staatliche Wirtschaft Chinas an der Universität Jilin, sagt: „China heißt ausländische Investoren willkommen und ermutigt sie, an der Reform und Umgestaltung der staatlichen Betriebe in Nordostchina mitzuwirken. Der beste Weg für sie, an der Erschließung dieses Gebietes teilzunehmen, ist, direkt in traditionelle Betriebe zu investieren oder sie aufzukaufen.“ Im Juli 2003 hat eine singapurische Firma Hualin Rubber, den einst größten Reifenhersteller Chinas, erfolgreich übernommen. Es war das erste Mal, dass eine ausländische Firma dem Staat Aktienanteile abkaufte, nachdem die chinesische Regierung entsprechende Beschränkungen aufgehoben hatte.

Wenn die Betriebe der traditionellen Industrie in Nordostchina geeignete Technologie einführen und das nötige Kapital erhalten, werden sie ihre Vitalität voll entfalten. Die Eisen- und Stahlhütte Anshan ist ein gutes Beispiel dafür. In der Vergangenheit hatte sie große Schwierigkeiten in der Entwicklung. Mit günstigen Regierungskrediten importierte sie die modernsten Produktionsanlagen und ist heute unter den Eisen- und Stahlbetrieben Chinas führend. Die von ihr hergestellten Schiffsplatten werden von den fünf größten Schiffswerften der Welt verwendet.

Die Eisen- und Stahlhütte Anshan hat außerdem mit der deutschen Firma Thyssen Krupp ein Joint Venture für die Herstellung von verzinktem Stahlblech gegründet. Daraus haben beide Seiten viel Nutzen gezogen. Der chinesische Partner konnte ausgereifte deutsche Produktionstechnik einsetzen, während der deutsche Partner in China Fabriken errichtet hat und in den asiatischen Markt vordringen konnte. Sun Yu, stellvertretender Generalmanager des chinesischen Joint-Venture-Partners, sagt, dass das Stahlblech des chinesisch-deutschen Unternehmens unter vielen ausländischen Firmen wie Volkswagen und General Motors Corp. in Shanghai, Citröen in Wuhan und BMW in Shenyang Abnehmer finden und von ihnen geschätzt wird.

„Ausländisches Kapital anzuwerben ist nicht nur unser Wunschdenken“, gab Bo Xilai, ehemaliger Gouverneur der Provinz Liaoning und jetzt Chinas Handelsminister, Anfang dieses Jahres auf einer Pressekonferenz in Beijing bekannt, die er mit seinen Amtskollegen der beiden anderen Provinzen Nordostchinas abhielt. Mit der Verbesserung des Investitionsklimas steigt die Anziehungskraft von Chinas Nordosten, insbesondere der Provinz Liaoning, auf ausländische Investoren. Vor dem Jahr 2000 lagen die tatsächlich getätigten ausländischen Investitionen in Liaoning bei 2,2 Mrd US-Dollar pro Jahr. 2003 erreichten sie über 5 Mrd. US-Dollar. Allein in der Stadt Dalian haben sich mehr als 8700 Firmen mit ausländischem Kapitalanteil niedergelassen.

Einige Experten sind voller Zuversicht, dass der Nordosten Chinas in den kommenden bis 20 Jahren zu einem der wichtigsten Schwerindustriegebiete der Welt aufsteigen wird, wenn die chinesische Regierung die Strategie für die Erschließung Nordostchinas beharrlich umsetzt. Auf den, der die Gelegenheit beim Schopf packt, wartet eine schöne Zukunft.

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