Februar 2004
Ihre Position: Homepage >

Der Huangguoshu-Wasserfall

Von Peng Jianqun

Im Autonomen Kreis Zhenning der Buyi- und Miao-Nationalitäten in der Provinz Guizhou tost mitten im Lauf des Baishui-Flusses, eines Nebenflusses des Wujiang-Stromes, ein gigantisches Naturschauspiel: der Huangguoshu-Wasserfall. Mit einer Breite von über achtzig Metern und mit einer Fallhöhe von über siebzig Metern ist er der mächtigste Wasserfall in China.

Am Anfang dieser Sommersaison fuhren wir mit einem Touristenbus von der Provinzhauptstadt Guiyang aus nach Südwesten. Nach etwa 150 Kilomtern konnten wir es hören: Allzu fern konnten wir nicht mehr sein. Etwa eine Viertelstunde später, als unser Bus eine scharfe Kurve nahm, ragte der Donnergott vor unseren Augen auf. – Da waren wir!

Dem Wasserfall zu Füßen liegt ein kleines Städtchen, das zwar viel kleiner und jünger als der Donnerer ist, ihm aber seinen Namen gegeben hat: Huangguoshu heißt es, „Dorf der gelben Früchte“, weil es hier in seiner lieblichen Umgebung so viele Mandarinen gibt.

Über eine 500-stufige steinerne Treppe gelangten wir hinunter an die Stelle, wo die Wassermassen sich in sich selbst und die Erde verbohren, an den „Nashorn-Kolk“. Sieht man nach oben, dann gewahrt man oben an der überhängenden Felswand einen riesengroßen steinernen Dickhäuter. Von dort brüllt das Gewässer in die Tiefe; noch hundert Meter weiter kann man sein eigenes Wort nicht verstehen. Wenn mitten im Sommer, bei Hochwasser, die Abflussmenge des Flusses gar 2000 Sekundenkubikmeter erreicht, klirren noch Kilometer entfernt jedem die Ohren.

Es gibt hinter dem Wasserfall an der Felswand eine Höhle, die gewöhnlich vom Wasserfall verhüllt wird. Daraus leitet sich ihr Name „Wasservorhang-Höhle“ her. Einstmals muss es ein paar Abenteurern gelungen sein, bei niedrigem Wasserstand in die Höhle einzudringen, denn bei ihrer Neuentdeckung fand man ein Andenken vor: In die Höhenwand waren vier große chinesische Schriftzeichen „Xue Yin Chuan Xia“ eingehauen: „Kristallne Gischt im Morgenrot“. Ich und meine Reisegefährten fühlten uns auch versucht, irgend etwas Abendteuerliches zu unternehmen. Wir hatten die Höhle ja nicht ohne Mühe erreicht! Vorsichtig strecken wir zunächst den Kopf in die Höhle und merkten, dass es in diesem gespenstisch finsteren Schlund stark tropfte und zudem furchteneinflößend laut widerhallte. Uns standen die Haare zu Berge, und schließlich gaben wir das Abenteuer auf. Man teilte uns mit, dass die „Wasservorhang-Höhle“ mehr als zwanzig Meter tief ist und drei schöne Aussichtspunkte aufweist. Die Höhle soll bald einer Ausbesserung unterzogen werden, ein Weg zu ihr wird ebenfalls angelegt. Dann wird man ohne weiteres in die Höhle eindringen können, und eine Bewunderung des Wasserfalls von der Höhle aus wird sicher ein ganz anderes, aber ebenfalls faszinierendes Bild bescheren.

Der „Nashorn-Kolk“, die Bezeichnung des tiefen Fallteiches, stammt aus einer Überlieferung. Es kam dereinst einmal ein Nashorn aus dem Teich und rang mit einem Büffel – weiter ist darüber leider nichts mehr bekannt. Tatsächlich ist der Teich unermeßlich tief. Die Wassersäulen, die sich in ihn drängen, lassen das Wasser hundert Meter hoch zu einem permanenten Sprühregen emporspritzen. Wer im Sommer hier übernachtet, kann sich an der berauschenden Kühle und Frische erfreuen.

Vor über dreihundert Jahren, noch in der Ming-Zeit, hielt sich der bekannte chinesische Reiseberichtschreiber Xu Xiake hier auf und hat diese majestätische Landschaft in Verse übertragen. In der Qing-Dynastie wurde hier ein Pavillon für die Bewunderung des Wasserfalls gebaut.

Nach der Gründung des Neuen China wurde dieser Pavillon restauriert, außerdem wurde eine Halle gebaut, von der aus man den Wasserfall trockenen Fußes besichtigen kann, und ein Teeturm errichtet, von dem aus man die ganze Landschaft übersehen kann. Um den Touristen die Reise nach hier zu erleichtern, sind in den leztzten Jahren eine neue Landstraße, ein neuer Busbahnhof und eine neue Steintreppe gebaut worden. Zudem haben etliche Restaurants ihre Pforten aufgemacht.

Die Statistik zeigt uns, dass 1981 über 3000 ausländische Touristen und Auslandschinesen an diesen zauberhaften Ort gekommen sind. Was aber die Zahl der chinesischen Besucher selbst angeht, schweigt die Statistik; die alle zu zählen, kann man auch niemanden zumuten.

Die Reise lohnt aber auch aus anderen Gründen noch. Insgesamt gibt es hier acht Touristenattraktionen. Gegenwärtig sind freilich nur zwei davon den Reisenden zugänglich, nämlich die „Milchstraße“ und der „Regenbogen mit schwebenden Feen“. Das „Wasservorhangwunder“, der „Wolkenturm im Nebelregen“, das „Schwarze Gestein in den brandenden Wogen“, das „Dorf unter den Feigenbäumen“, der „Tropfsteinpfeil“ und der „Drachen unter der Sonne“ werden gerade renoviert. In absehbarer Zeit wird es möglich sein, eine drei Tage dauernde Tour in der ganzen Landschaft zu unternehmen. Aber: Bringen Sie einen Schirm mit!

Aus „China im Aufbau“, Nr. 8, 1982

-+-+-+-+-+-+-+-+-+-+-+-+-+-+-+-+-+-+-+-+-+-+-+-+-+-+-+-+-+-+-+-+-+-+-+-+-+-+-+-+-+--+-+-+-+--+-+-+--+-
Zurück