Februar 2004
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Mit viel Konsum und Krach feiern die Chinesen das neue Mondjahr 

Von Uschi Nagy

Zwar wurde auch in China längst das Jahr 2004 nach dem Gregorianischen Kalender eingeläutet, doch nach dem traditionellen Mondkalender begann das neue chinesische Jahr erst am 22. Januar, mit dem sogenannten „Frühlingsfest“. Dieses Mal steht es im Zeichen des Affen, eines besonders glücksbringenden Tierkreiszeichens.

Rote Laternen und Bilder mit Neujahrswünschen zieren am Vorabend des chinesischen Neujahrs viele Eingänge. Reger Trubel herrscht auf den Straßen, in Läden und auf Blumenmärkten. Schnell werden noch die letzten Sachen für das große Fest gekauft. Viele Chinesen putzen ihre Wohnung und dekorieren sie mit Duftzweigen, Blumen und roten Spruchbändern. Denn am nächsten Tag beginnt die wichtigste chinesische Feier: das Frühlingsfest.

Bei den Festlichkeiten hat jede Region ihre eigenen Rituale. In Nordchina zum Beispiel beginnt das Frühlingsfest schon einen Monat vor dem Ende des Mondjahres. Zur Eröffnung der Feier kocht dort jeder Haushalt acht verschiedene Körnersorten. Der Höhepunkt ist der letzte Abend des Jahres. Traditionell wird er mit der Familie verbracht.

Song Xiao kommt aus der nördlichen Provinz Shandong und erinnert sich noch gut, wie sie als Kind das Neujahrsfest gefeiert hat: „Nach einem ersten Essen bereitet die ganze Familie das Mitternachtsmahl vor: Teigtaschen und Kekse. Um Mitternacht werden die Teigtaschen gekocht und die Kinder gehen raus, um Feuerwerkskörper zu zünden. Überall ist viel Lärm. Das soll die bösen Geister vertreiben. Am nächsten Morgen wünscht man als erstes seiner Familie ein frohes neues Jahr und sagt nur gute Sachen. Denn wir glauben, dass alles, was man am ersten Tag sagt, Vorzeichen für das kommende Jahr sind.“ Traditionsgemäß bekommen die Kinder neue Schuhe und Kleider und wünschen ihren Eltern und Großeltern ein frohes neues Jahr. Dafür bekommen sie einen roten Umschlag mit etwas Geld.

Heute sind in den Großstädten Chinas viele Bräuche verblasst. Die Feier erstreckt sich hier nur über wenige Tage. Viele Chinesen sparen sich das aufwändige Kochen und feiern den Neujahrsabend in Hotels und Restaurants. Früher sprach die Familie über das vergangene Jahr und schmiedete Pläne für die Zukunft. Heute läuft in vielen Haushalten der Fernseher, denn das Zentralfernsehen (CCTV) sendet am letzten Jahrestag eine abendfüllende Neujahrsshow. Eine Tradition ist nach wie vor sehr beliebt: das Zünden von ohrenbetäubenden Böllern – obwohl es in den chinesischen Großstädten teilweise verboten ist. Andere zieht es am Neujahr in Tempel, wo sie mit einem langen Holzpfahl den Gong schlagen, beten und Räucherstäbchen anzünden.

Die meisten Chinesen scheinen sich vor allem über die freien Tage zu freuen. Offiziell gibt es eine Woche Ferien. Eine gute Gelegenheit, um sich auszuruhen, meint die 40-jährige Frau Gu aus Shanghai: „Als ich klein war, wollte ich immer mit meinen Eltern Verwandte besuchen. Heute möchte ich einfach mal für mich sein. Unsere Familie wird das Festessen zelebrieren und in den ersten zwei Tagen nach dem Neujahr die traditionellen Verwandtschaftsbesuche abstatten. Ab dem dritten Tag gehe ich mit Freunden zum Einkaufen und in die Karaoke-Bar und ruhe mich aus.“

Alles andere als ruhig haben es Händler und Bankangestellte, denn sie haben an den Feiertagen Hochbetrieb. Viele Geschäfte und Reisebüros locken mit Sonderangeboten. Denn wie bei allen nationalen Ferien möchte die Regierung den Konsum ordentlich ankurbeln. Mit Erfolg: Viele Chinesen verbringen die Feiertage mit Reisen und Einkaufen. Auch unter Freunden und Kollegen werden inzwischen Geschenke verteilt. Andere müssen ihre Mitarbeiter zum Essen einladen. Auch die Kinder erwarten in den roten Umschlägen immer mehr Geld. So ist das Frühlingsfest ein kostspieliges Vergnügen. Leisten kann es sich allerdings nur die Mittelschicht.

Die 30-jährige Jin Song aus der 5-Millionen-Stadt Ningbo an der Ostküste Chinas feiert nur noch den Neujahrsabend mit ihrer Familie. In ihren Augen genießen heute wenige junge Leute das Frühlingsfest: „Meine Freunde scheinen nicht wirklich glücklich über die Neujahrsfeier zu sein. Sie sind viel beschäftigter als sonst mit den vielen Besuchen und dem Verteilen von Geld und Geschenken. Die Kinder kriegen immer mehr Geld geschenkt, manche bekommen bis zu 5000 Yuan. Früher waren die Geldgeschenke eher symbolisch gemeint. Heute ist das Frühlingsfest viel zu sehr von materiellen Aspekten geprägt.“

Doch weit entfernt von den boomenden Großstädten Ostchinas feiern viele Chinesen das Neujahr noch so wie vor vielen hundert Jahren. Mit besonderen Speisen, ausgiebigen Verwandtenbesuchen und vielen Böllern, um die bösen Geister zu vertreiben.

Neben dem lauten Feuerwerk zum Jahreswechsel kann man aber auch in den Großstädten Chinas noch traditionelle Veranstaltungen zum Neujahr erleben. An den ersten Tagen des neuen Mondjahres gibt es viele Neujahrsmärkte und es werden  traditionelle Drachen- und Löwentänze aufgeführt.

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