Dezember 2004
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Jun-Porzellan

– Einmalig und zauberhaft

 

Von Liu Hongfa

 

Ist die Rede vom Jun-Porzellan, erinnert man sich gern an die Sage von einer Porzellanbrennerin aus der Song-Zeit (960–1279). Ein buntfarbiges und kristallhelles Weingefäß wurde von ihr hergestellt und als ein Tributgeschenk an den Kaiser gesandt. Es war so faszinierend, dass der Kaiser sich an dieser Rarität berauschte und von ihr verlangte, ein gleiches wie dieses zu brennen. Die Frau versuchte eins ums andere Mal, das gewünschte Weingefäß zu brennen, was ihr jedoch bis zum Ablaufen der ihr gesetzten Frist nicht glückte. Deshalb blieb ihr nichts anderes übrig, als Selbstmord zu begehen, und so sprang sie in ihren Brennofen. Als man die sich gleichzeitig in diesem Ofen befindenen Porzellanprodukte ausräumte, blendete daraus völlig unerwartet ein wunderschönes Weingefäß hervor, das noch viel schöner war als das erste. Später erklärte man dieses Wunder damit, dass die Porzellanbrennerin Kupferschmuck an ihrem Körper getragen und dieser eine entscheidende Rolle beim Brennvorgang gespielt habe. Auf Grund dieser Beobachtung entwickelte man ein Brennverfahren, bei dem der Glasur eine bestimmte Menge an Kupferoxyd zugegeben wurde und beim Brennen eine entsprechende Temperaturveränderung erfolgte.

Vielfarbig

Die Kleinstadt Shenhou im Kreis Yu, Provinz Henan in Mittelchina, ist die Hochburg des Jun-Porzellans. Schon in der Song-Zeit wurde hier Jun-Porzellan gebrannt. Es besticht durch Schlichtheit und Lebendigkeit, Natürlichkeit und Vornehmheit. Die meisten Jun-Porzellanwaren wirken Trauben-, Auberginen-, Flieder- und Rosa-Purpur; beim Grün Smaragd-, Papageien-, Rosa- und Pflaumen-Grün; außerdem gibt es Blau und Fischbauch-Weiß. Insgesamt weist das Jun-Porzellan 5000 verschiedene Farbschattierungen auf.

Einmalig

Auf der ganzen Welt ist kein Paar Jun-Porzellan zu finden, dessen Farben gleich sind. Auch wenn das Prozellan mit der gleichen Glasur überzogen und gleichzeitig im selben Ofen gebrannt wird, kommen die Farben auf jedem Teil ganz unterschiedlich heraus. Deshalb sagt man seit jeher: „Beim Einsetzen in den Brennofen ist ungebranntes Porzellan gleichfarbig, beim Herausnehmen aber ist es buntfarbig“. Selbst ein erfahrener Porzellanbrenner ist nicht in der Lage, die Farben seiner Produkte vorherzusehen.

Zauberhaft

Manche Jun-Porzellanartikel sind kristallklar und -hell, manche sehen aus wie weißer Nephrit, andere sind kontrastreich und ihre Farben verändern sich mit unterschiedlicher Lichteinwirkung. Selten und kostbar sind diejenigen, deren Glasur mit Linien und Flecken verziert ist, sichtbar, aber spiegelglatt. Die Linien erscheinen hauptsächlich in der Form von Rinderhaaren, Eisrissen und Krebstatzen sowie ähnlichen feinen Linien. Die Flecken sind im Wesentlichen moos- und perlenartig. Porzellan mit farbig gefleckter Glasur zählt zum besten. Linien und Flecken entstehen durch Verlaufen der Glasur beim Brennvorgang. Wunderschön wirken die in der Glasur natürlich entstandenen Landschaften: Berge und Flüsse, Pavillons und Terrassen, Häuser und Wasserfälle sowie steile Felsen. Sie formen sich zu pastoralen Szenen, wie es virtuosen Malern nur schwerlich gelingt. Jun-Porzellanwaren machen auf den Betrachter immer einen tiefen Eindruck und entführen ihn in eine sagenhafte Welt. Eben das ist die Ursache, warum chinesische und ausländische Sammler nicht mehr von Jun-Porzellan lassen wollen, wenn sie erst einmal die Sammelleidenschaft gepackt hat.

Selten und gut

Zwei chinesische Redewendungen veranschaulichen den hohen Wert des Jun-Porzellans: „Man besitzt lieber ein Stück Jun-Porzellan als Reichtum“, und „Gold ist schätzbar, Jun-Porzellan unschätzbar“. Denn neben seinem hohen Kunstwert kommt ein Jun-Porzellanartikel kaum noch einmal auf der Welt vor. Zudem kann Jun-Porzellan nur sehr schwer auf Bestellung hergestellt werden.

Während der Song-Zeit erlebte Jun-Porzellan eine starke Entwicklung, obwohl es bereits in der Tang-Zeit (618–907) entstanden war, wobei es auch in der Song-Zeit nur am kaiserlichen Hof benutzt werden durfte, und privater Besitz damals für gesetzwidrig gehalten wurde. Während der Herrschaft des Song-Kaisers Hui Zong (Anfang des 12. Jahrhunderts) stand das Jun-Porzellan in seiner höchsten Blüte. Danach wurde die Herstellung des Jun-Porzellans für immer eingestellt. Seitdem geriet das Herstellungsverfahren in Vergessenheit. Deshalb war song-zeitliches Jun-Porzellan zu einer unschätzbaren Rarität geworden.

Alte Kunst, neues Leben

Ab 1955 organisierte die Volksregierung erfahrene Porzellanbrenner und entsprechende Forschungsinstitutionen, um verlorene Glasurrezepte und Brenntechnologien neu zu entdecken bzw. zu entwickeln. Nach siebenjährigen Bemühungen gelang es ihnen schließlich, ein Verfahren für die Herstellung von Jun-Porzellan zu entwickeln, nachdem über hundert verschiedene Experimente angestellt worden waren.

Der wichtigste Punkt bei der Herstellung von Jun-Porzellan ist der Brennvorgang. Dabei kommt es auf die Bedingungen im Brennofen, wie z. B. Rohmaterialien, Brennstoff, Glasur, Temperatur und die Lage des Brennofens, an. Äußere Bedingungen, wie etwa Jahreszeit, Umgebungstemperatur, Regen und Wind, beeinflussen ebenfalls direkt die Qualität des Jun-Porzellans. All diese Faktoren wirken während des ganzen Brennprozesses zu jeder Sekunde. Die Erfolgsrate eines Brandes liegt normalerweise bei nur 30%. Nicht selten kommt es vor, dass ein ganzer Brand nicht zu gebrauchen ist. Deshalb pflegt man auch zu sagen: „Auf einen gelungenen Brand kommen neun misslungene Brände.“ Das Wort „gelungen“ bedeutet hier, dass die Farbe „Rot“ beim brennen zum Vorschein kommt. Das Rezept der Rot-Glasur und dessen Prozesskontrolle entscheiden die Qualität des Jun-Porzellans. Es ist noch schwer realisierbar, eine prächtig glasierte Rarität zu brennen.

Ein Beispiel dafür ist das Erlebnis von Lu Zhengxing, einem Veteran in der Jun-Porzellan-Herstellung. In seinem 50-jährigen Arbeitsleben ist es ihm nur einmal gelungen, eine Vase mit Goldflecken anzufertigen. Auf ihrem flammengrünen Hintergrund erschienen neun blattförmige, gleichmäßige Goldflecken. Er erzählte: „Meine Familie beschäftigt sich seit einigen Generationen mit der Porzellanbrennerei. Nur mein Großvater hatte von einer ähnlichen Vase wie meiner gehört, aber niemals gesehen.“

In der Ausstellungshalle der Kunstgewerblichen Fabrik von Shenhou sind drei seltene Kunstwerke zu sehen: der Schmuckteller „Wegen der Kälte kehrt die Krähe ins Nest zurück“, die Flasche „Grüne Berge im Wolkenmeer“ und die Vase in Form eines Gänsehalses „Regenwürmer hinterlassen schlängelnde Spuren auf der Erde“. In dreißig Jahren seit ihrer Gründung hat die Fabrik nur diese drei seltenen Kunstwerke hergestellt. Direktor Ma meinte: „ Wenn man auch tausend Porzellan-Serien brennt, so gelingt einem eine Rarität nur selten.“

Zur Zeit arbeiten 10 000 Bewohner der Kleinstadt Shenhou – ein Viertel aller Einwohner – in der Produktion und der wissenschaftlichen Forschung dieser Porzellanbranche, und sie haben durch ihre Bemühungen die Anzahl der gelungenen Produkte beträchtlich erhöht. Die Annahme, dass Artikel aus Jun-Porzellan nicht höher als 33,3 cm sein könnten, ist wiederlegt worden.150 cm und 200 cm große Schmuckvasen und ein großer Blumentopf mit einem Durchmesser von 100 cm sind hergestellt worden. Alte Gussverfahren sind verbessert worden, so dass die Qualität und Produktion der Prozellanmasse beachtlich stieg. Überdies macht die Formung große Fortschritte. Man ist jetzt dazu in der Lage, einen am Henkel hängenden nahtlosen Ring erfolgreich zu brennen, was in der Vergangenheit unvorstellbar war. Dadurch kann Jun-Porzellan noch schöner gestaltet und sein Wert noch gestiegert werden. Die verschiedenen Arten von Jun-Porzellan sind von knapp dreißig in der Song-Zeit auf tausend angewachsen. Manch seltene Glasur ist entwickelt worden, und in- und ausländische Sachverständige sind sich einig darüber, dass die neuentwickelten Jun-Porzellanartikel die song-zeitliche Tradition allseitig fortgesetzt und weiterentwickelt haben.

Produkte aus Jun-Porzellan werden heute in über fünfzig Ländern verkauft. In China nennt man es „Schatzporzellan“, und es dient heute als Ehrengeschenk der Regierung.

Aus „China im Aufbau“, Nr. 12. 1984

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