Die
Redaktion, eine große Familie
In
den ersten Jahren seit der Gründung von China Reconstructs
wurde die Zeitschrift nur in befreundeten Ländern wie Indien
und Indonesien normal vertrieben. Die Staatsmänner dieser
Länder, die gute Beziehungen mit den leitenden Funktionären
des Neuen China hatten und sogar mit Sung Tjing-ling befreundet
waren, spielten bei der Verbreitung der Zeitschrift in ihren
Ländern eine große Rolle. Im Westen war die Zeitschrift
verboten. Besonders im Korea-Krieg und in den 50er und 60er
Jahren des letzten Jahrhunderts, in denen China blockiert wurde,
setzte die Regierung der USA China Reconstructs
auf die schwarze Liste jener Zeitschriften, die nicht importiert
werden durften. Post- und Zollämter wurden angewiesen,
diese Zeitschriften an Ort und Stelle zu vernichten. Einzelne
Personen sollten sich bei den zuständigen Behörden
anmelden, wenn sie diese Zeitschriften erhielten. In Europa,
sogar in den Ländern, die diplomatische Beziehungen mit
China aufgenommen hatten, waren die inoffiziellen Zeitschriften
wie China Reconstructs unterschiedlichen Beschränkungen
unterworfen.
Auf einem Empfang
für die englisch-chinesische Freundschaft, der in den 80er
Jahren des 20. Jahrhunderts in London gegeben wurde, ließ
ein Engländer einen in England arbeitenden Chinesen sehen,
dass eine Zeitschrift von China Reconstructs in
seiner inneren Tasche steckte. Er sagte, er würde von seinem
Chef entlassen, wenn jener diese Zeitschrift bei ihm entdeckte.
Aber er wollte von China mehr wissen. In seinen Augen war das
chinesische Volk eine hervorragende Nation, die den Frieden
liebte, arbeitsam und mutig war.
Sowohl
Zhou Enlai wie auch Sung Tjing-ling war es ganz klar, wie wichtig
eine gute Redaktion für eine Zeitschrift war. Auf Betreiben
der beiden Persönlichkeiten wurde von Anfang an ein Redaktionskollegium
von ausgewiesenen Fachleuten zusammengestellt. Die Mitglieder
waren Jin Zhonghua (bekannter Journalist und Experte für
internationale Fragen), Chen Hansheng (berühmter Ökonom),
Qian Duansheng (bekannter Jurist), Li Dequan (Frau des patriotischen
Generals Feng Yuxiang und soziale Aktivistin), Liu Hongsheng
(bekannter Unternehmer), Wu Yifang (berühmte Pädagogin)
und Wu Yaozong (prominente Persönlichkeit der christlichen
Gemeinde). Shen Suru analysiert in seinem Buch Abriss
der Medienkunde für Ausländer: Alle Mitglieder
des Redaktionskollegiums sind nicht nur in China, sondern auch
in der Welt bekannt. Sie vertreten breite soziale Schichten.
Manche sind keine leitenden Funktionäre der KP Chinas.
Sung Tjing-ling hat im In- und Ausland hohes Ansehen. Das alles
verleiht der Zeitschrift unter den Ausländern eine größere
Attraktivität und Aufnahmebereitschaft.
Bis zu ihrem Tod im Jahr 1981 kümmerte
sich Sung Tjing-ling stets um die Zeitschrift China Reconstructs.
Sie schrieb über 30 Artikel mit verschiedenen Themen für
die Zeitschrift und redigierte persönlich wichtige Artikel.
Sie las jede Ausgabe genau und schrieb oft Briefe an die Redaktion
und erteilte ihr Hinweise über die Redaktionsarbeit. Wenn
ein Heft ihr gefiel oder sie beim Treffen mit in- oder ausländischen
Freunden eine Anerkennung der Zeitschrift China Reconstructs
hörte, gratulierte sie der Redaktion dazu in einem Schreiben.
Über die Januar-Ausgabe 1960 schrieb sie beispielsweise
in ihrem Brief an die Redaktion: Ich lese gern diese Ausgabe.
Das Titelbild gefällt mir besonders. (Foto von einer Holzschnitzerei:
ein Mädchen mit einer Taube in den Händen Anmerkung
der Autorin) Die ganze Zeitschrift ist lebendig und interessant.
Sie wird, so nehme ich an, einen guten Anklang finden. Im Vergleich
zu den älteren Ausgaben ist das Layout besser, es lässt
jedoch noch zu wünschen übrig.
Sung Tjing-ling kümmerte sich auch um
die Auflage und den Vertrieb der Zeitschrift. 1956 schrieb sie
der Redaktion, bevor sie Indien einen Staatsbesuch abstattete,
und fragte, was sie für den Vertrieb der Zeitschrift in
Indien tun könne. Sobald ein neues Heft herausgegeben wurde,
sandte sie einige Dutzend Exemplare an ihre Freunde im Ausland,
um den Einfluss der Zeitschrift im Ausland zu vergrößern.
Sung Tjing-ling war sowohl mütterliche
Freundin als auch Kollegin der Mitglieder des Redaktionskollegiums.
Von dieser Sonderbeziehung beeinflusst, herrschte in den ersten
Jahren nach der Gründung der Zeitschrift die Atmosphäre
einer großen Familie im Verlag. Diese Atmosphäre
wurde in der großen Karikatur Ein Blick ins Leben
der Redaktion, die von einigen bekannten Malern zur Feier
des fünfjährigen Jubiläums der Zeitschrift geschaffen
wurde, lebendig widergespiegelt.
Zhang
Yan, ein ehemaliger Chefredakteur der Zeitschrift, erinnerte
sich im Artikel Die Brücke der Freundschaft und Verständigung
schlagen daran: Die Betrachtung dieser Karikatur
erinnert uns an die Jahre, in denen die Atmosphäre einer
großen Familie herrschte. Damals gab es fast keinen Abstand
zwischen den Menschen. Alle waren Geschwister. Man nannte sich
einander beim Vornamen. Nur Chen Hansheng, Vizevorsitzender
des Redaktionskollegiums, bildete eine Ausnahme. Man nannte
ihn Han Lao (eine Anrede mit Achtung und Respekt), denn er war
im Verlag nicht nur am ältesten, sondern stellte auch stets
hohe Anforderungen an sich selbst und seine Kollegen.
Chefredakteur Epstein war wie Han Lao
ein Mitbegründer der Zeitschrift und pflegte die gute Tradition
im Verlag. Man fürchtete die beiden Senioren und verehrte
sie zugleich. Man wusste genau, dass keine Beiträge ohne
Änderungen bei Epstein durchkommen. In dieser großen
Familie arbeitete man sehr ernst, während die Freizeit
entspannt und lebhaft gestaltet wurde. Bei Veranstaltungen,
die an Festtagen stattfanden, traten Kollegen mit selbst einstudierten
Liedern und Tänzen auf. Es ist eine Tradition des Verlags
worden, dass jährlich ein Frühjahrs- und ein Herbstausflug
organisiert werden, an denen alle in- und ausländische
Mitarbeiter im Verlag mit ihren Familienangehörigen teilnehmen
können.