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Im Unterricht fällt der Literatur nun primär die Aufgabe zu, zur Wissens-, Erkenntnis- und Methodenaneignung sowie zur kritischen Selbstwahrnehmung und Fremdwahrnehmung der Studierenden beizutragen. Hier schließt sich der Kreis des skizzierten Literaturdisputs in China. Dabei vertreten die beiden genannten Lehrwerke den aktuellen Stand des Lehrmaterials für den deutschsprachigen Literaturunterricht an den chinesischen Hochschulen und bestimmen insofern zu Recht in hohem Grad die literaturdidaktischen Konzepte und die Funktionen, die der Literaturunterricht zu erfüllen hat. Den beiden Lehrwerken liegen die Bemühungen des jeweiligen Autors zugrunde, die Germanistik in China als ein wissenschaftliches Fachstudium zu etablieren. Ihnen ist der Standpunkt gemeinsam, die deutsche Literatur nicht weiterhin allein als fremdsprachige Literatur zu betrachten, die ihre Funktion allein im Spracherwerb hat, sondern vielmehr als fremdkulturelle Literatur zu verstehen, mit deren Hilfe die Studierenden zu guten Kennern des fremden Kulturraums ausgebildet werden sollen. Ihnen ist die zentrale didaktische Überlegung gemeinsam, dass die Studierenden zum einen grundlegende Kenntnisse über Autoren und Epochen in einem aktiven und selbstbestimmten Prozess erwerben und andererseits bestimmte wissenschaftliche Methoden bzw. Techniken lernen und üben sollen. Hierfür werden in beiden in Aufbau und Struktur ähnlichen Lehrwerken insbesondere theoretische und literarische Texte des in Deutschland verbreiteten Kanons herangezogen, die für eine vergleichende Betrachtung eine gewisse Orientierung an der deutschen Germanistik sichtbar werden lassen. Auch an Verständnisfragen und Aufgabenstellungen nach jeder Texteinheit in beiden Lehrwerken wird man erkennen, dass hier ein zentraler Stellenwert auf Interpretation und kritische Reflexion gelegt wird, wie es in Deutschland im Fach Germanistik die Praxis ist.

So konzipiert kommt der Literaturunterricht modifiziert und vertieft wieder in den Lehrplan der chinesischen Germanistik zurück. Vertieft, da die Literatur nun als eigentlicher Studiengegenstand behandelt wird. Modifiziert, da im Unterricht nun die nicht ausreichenden Sprachkenntnisse der Studenten in Bezug auf literarische Fragen bewusst berücksichtigt bzw. „geduldet“ werden und die Muttersprache teilweise verwendet werden darf, wenn es darum geht, ein Thema in seiner ganzen Tiefe auszuloten.

Die Frage ist nun aber, ob das skizzierte literaturdidaktische Konzept der chinesischen Germanistik für die Studenten überhaupt zuträglich ist angesichts der Tatsache, dass fast alle eigentlich nicht gerade wegen der Literatur die Germanistik als Hauptstudienfach gewählt haben? Wird das Konzept von ihnen schlicht als vom Fachprofessor aufgezwungen verstanden oder wird es von ihnen doch mit Akzeptanz aufgenommen? Die Erfahrungen zeigen bislang, dass die Studenten sehr engagiert und fleißig im Unterricht mitarbeiten, weil sie zu Beginn des Kurses vorbereitet werden und folglich wissen, dass die im Literaturunterricht geschulten Schlüsselqualifikationen von ihnen in der globalisierten Welt erwartet und gefordert werden. Die Erfahrungen zeigen auch, dass sich der Genuss an der Literatur bei den Studenten einstellt, wenn sie befähigt werden, literarische Werke zu deuten, zu interpretieren und zu beurteilen. Es kann außerdem feststellt werden, dass die Studenten es gern „in Kauf“ nehmen, dass sie im Unterricht gelegentlich die Muttersprache sprechen dürfen, weil sie zu wissen scheinen, dass für ihre zukünftigen Arbeitgeber ihre Sprachkenntnisse im Deutschen sowieso nur eine geringere oder eine zusätzliche Rolle spielen gegenüber den Englischkenntnissen, über die jeder verfügen muss.

 

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