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Ein Problem allerdings stellen die Inhalte dar: Nur die Texte, von Lessing, Goethe, Schiller, Novalis, Tieck, Hölderlin usw. zu besprechen, die einen wesentlichen Teil des verwendeten Lehrbuchs ausmachen, finden die Studenten „veraltet“ und die Empfindungs-, Denkungs- und Dichtungsweise der Genannten ist ihnen fremd, da sie hier kaum an eigene Erfahrungen anknüpfen können. Junge Menschen studieren leichter und effektiver, wenn sie motivierende Anregungen erhalten, wenn sie ein persönliches Interesse am Inhalt des Literaturunterrichts verspüren und wenn didaktische Überlegungen ihren Ausgang vom Subjekt nehmen. Das heißt, dass man Themenbereiche auswählen sollte, die junge Studenten ansprechen, um Begeisterung zu erregen und das Bedürfnis zu wecken, sich mit einem Werk intensiv auseinander zu setzen.

Von diesen Überlegungen ausgehend wird zur Zeit in China an einem weiteren Lehrbuch für den Literaturunterricht gearbeitet, wobei die Kriterien für die Zusammenstellung die folgenden sind: Die Texte sollen Auszüge aus verhältnismäßig leicht für Ausländer verstehbaren Romanwerken sein, die nach dem 2. Weltkrieg entstanden sind, die sich also mit Themen und Erfahrungen unserer heutigen Lebenswelt befassen, so dass die Studenten der chinesischen Germanistik ausgehend von der eigenen Lebenserfahrung und eigenem Lebensumfeld einen emotional-affektiven und somit leichteren Zugang zur Literatur erhalten. Es sollen deshalb Romanwerke sein, weil der Roman zum einen im chinesischen Literaturverständnis als die höchste Form der literarischen Spitzenleistung eines Autors gilt und weil er die Studierenden zum anderen mit einer großen Vielfalt sprachlicher und stilistischer Möglichkeiten konfrontiert, sie also auch sprachlich hervorragend schult. Es sollen für das Lehrbuch am besten solche Auszüge aus Romanen gewählt werden, welche die studentische Motivation fördern und ihnen einen anregenden Impuls geben, im Selbststudium das ganze Werk zu lesen. Außerdem sollten die Romane zum chinesischen gesellschaftspolitisch-kulturellen Umfeld passen und dem von der chinesischen Ideologie gesetzten Leitbild der „progressiven“ Kultur entsprechen.

Das Leitmotiv der „progressiven“ Kultur wird von der chinesischen Politik zwar nicht näher definiert. Aber angesichts der Tatsache, dass die Literatur im chinesischen Literaturverständnis vorrangig die Funktion der Belehrung und Erziehung hat, so dass also die Lehrhaftigkeit eine fast allgemein akzeptierte Erkenntnis- und Handlungsprämisse ist, sollten die in Betracht kommenden Romane vor allem in dieser Hinsicht inhaltlich für die jungen Studierenden geeignet sein. Sie müssen also nicht unbedingt Kompensationen von Lebensweltdefiziten anbieten oder angemessene politische, moralische, psychische und sozialethnische Lehren vermitteln. Sie können aber durchaus Gegenentwürfe etwa in dem Sinne entstehen lassen, dass sie ihren Werthorizont darauf richten, vor den hohen Kosten eines falschen Verhaltens zu warnen. Und das ist eben ein bezeichnendes Merkmal der deutschen Gegenwartsliteratur.

Aber das ist alles leichter gesagt als getan. Denn diese deutsche Gegenwartsliteratur ist schwer aufzufinden. Sie muss aus einer ungeheuren, für Ausländer einfach unüberschaubaren Vielzahl von Werken und Texten aufgespürt und ausgewählt werden. Daher wende ich mich mit der großen Bitte um Anregungen und Vorschläge an Sie, für die ich Ihnen schon jetzt herzlich danken möchte.

Fußnoten:

1 Vgl. die publizierten Diskussionsbeiträge in Fremdsprachenunterricht (Waiyu Jiaoxue yu Yanjiu), Nr. 5, 2006, S. 243-247 und S. 254-256.

2 Vgl. Zhao, Jin: Wirtschaftsdeutsch in China. Eine Umfrage unter möglichen Arbeitgebern für Germanistikabsolventen. In: Info DaF 26, 6 (1999), S. 582-600.

3 Vgl. die publizierten Diskussionsbeiträge in Journal of Peking University (Philosophy and Social Sciences), Nr. 5, 2003, S. 19-28.

4 Vgl. Li, Yunfeng: Erziehung mit der fremdsprachlichen Literatur. In Zeitung für Literatur und Kunst (Wenyi Bao), 18.05.2004. S. 8.

5 Vgl. Han, Jiaming: Literaturunterricht und Subjektbildung. In Zeitung für Lesen (Zhonghua Dushubao), 19.06.2002, S.23.

6 Vgl. Zhang, Xianli und Wu, Fei: Shakespeare und politische Philosophie: A Common Based on Intensive Reading of Literary Classics and Small-Group Discussions. In Foreign Literatures (Guowai Wenxue) , Nr. 4, 2006, S. 17-37.

7 Vgl. Wang, Bingjun(Hg.): Literatur und Erkenntnis. Beijing 1997, S. VI/VII.

8 Vgl. Han, Ruixiang(Hg.) Han, Ruixiang: Literatur und Erkenntnis. ions. S.23.eratur. . 5, 2003, S. 1n für Germanistikabsolventen. : Vorwort zu Anthologie der deutschsprachigen Literatur. Beijing 2005, ohne Seitenzahl.

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