Auf
der Suche nach dem richtigen „Kindermädchen“ fürs Auto
Frau
Sun war auf dem Weg zum Bahnhof, um eine Freundin abzuholen,
als plötzlich dicker Rauch unter der Motorhaube ihres
Wagens hervorzuquellen begann. Es ist nur zu verständlich,
dass sie erschrak. In ihrer Ratlosigkeit rief sie ihren Freund
an, doch dieser wusste auch keinen Rat. Schließlich
rief sie zwei Mechaniker zu Hilfe, und diese stellten fest,
dass der Wassertank leer war. Suns Autowissen, das sie sich
im Fahrunterricht erworben hat, beschränkt sich wie das
der Mehrheit der noch jungen Gruppe von Privatwagenbesitzern
auf das Fahren selbst und die Verkehrsregeln. „Ich möchte
mein Auto in gutem Zustand halten, weiß aber nicht wie.
Deshalb ist es toll, wenn mir in der Not ein ‚Kindermädchen‘
zu Hilfe eilen kann“, sagt Sun. Auto-Clubs erfüllen dieses
Bedürfnis und erfreuen sich einer regen Nachfrage.
Der
Weg zum Wohlstand
Chinas
erster Auto-Club, die Continental Automobile Association,
wurde 1995 gegründet. „In den ersten drei Jahren schossen
wir 5 Mio. Yuan ein, machten aber keinen Gewinn“, erinnert
sich der Clubvorsitzende Gao Yang. Heute zählt der Club
über 150 000 Mitglieder –15% der Autobesitzer in Beijing gehören
ihm an. Für den Erfolg der CAA macht Gao das Dienstleistungskonzept
verantwortlich, das er sich im Ausland aneignete: einen angemessenen
Mechanismus zu entwickeln, um die Wahrung der Konsumenteninteressen
sicherzustellen.
In Übereinstimmung
mit diesem Prinzip führte die CAA drei mutige Neuerungen ein:
Erstens wird sie als Gemeinschaftsdienst anstatt als Geschäft
geführt, so dass auch wenig profitable und nicht gewinnbringende
Dienste im Angebot stehen, zweitens widmet sie sich sowohl
den Problemen des Fahrers bzw. der Fahrerin als auch des Autos
und drittens bietet sie ihren Mitgliedern den besten Dienst
und den besten Gegenwert fürs Geld.
Gemäß
Peter Steele, dem Geschäftsführer der National Road and
Motorist Association (NRMA), des größten Automobilistenverbands
Australiens, sieht die Zukunft für Chinas Auto-Club-Sektor
vielversprechend aus. 1999 errichteten die NRMA und die CAA
ein Jointventure, das erste seiner Art in China.
Ein weiterer
Club, der Off-Roader Club (Club der Geländefahrer), organisiert
wöchentlich Gelände-Rallies und zielt damit auf
Autofahrer ab, die mit ihrem Auto eine Herausforderung suchen.
1999 weitete der Club seine Geschäftstätigkeit aus
und richtete einen Umbauservice für Geländewagen, eine
technische Beratung und einen Dienst für Gelände-Rallies
ein. Seit seiner Gründung hat es jährliche Expeditionen
nach Tibet gesponsert, doch diese könnten wegen Geldmangels
bald ein Ende finden.
2001
vertrat der Off-Roader Club China bei seiner ersten Teilnahme
an der International Rainforest Challenge in Malaysia, der
härtesten und schwierigsten 4x4-Gelände-Rally, und
gewann internationale Anerkennung.
„Für
Auto-Clubs ist aller Anfang schwer, und noch schwerer ist
es für sie, am Leben zu bleiben, doch die Aussichten sind
trotzdem ganz gut“, urteilt Li Chunsan, Vizegeneralsekretär
des Beijinger Verbands für Auto- und Motorradsport. Seiner
Ansicht nach sollte ein Auto-Club in erster Linie einen Notfallreparaturdienst
anbieten, sich dem Schutz der Rechte und Interessen der Autofahrerinnen
und -fahrer widmen und Sportveranstaltungen durchführen.
Seine
Meinung deckt sich mit den Ergebnissen einer Umfrage, die
der Chinesische Konsumentenverband in 20 Städten durchführte.
Diese zeigen, dass der Unterhaltsdienst beim Kaufentscheid
für ein Auto eine führende Rolle spielt. Mehr Gewicht messen
die Kunden nur dem Preis zu. Prognosen des Zentrums für Entwicklungsforschung
des Staatsrats rechnen mit 71,67 Mio. Privatautos im Jahr
2010 – also mit einem jährlichen Wachstum um 15,2%. Bei
den Limousinen, die dannzumal 20,7 Mio. Einheiten erreichen
werden, soll die Steigerung noch rascher erfolgen, und zwar
um 16,3% pro Jahr. Dass die Auto-Clubs blühen werden, ist
deshalb jetzt schon gewiss.
Gleichgesinnte
treffen
Als letzter
Schrei unter den chinesischen Städtern bildet das Auto
zunehmend einen Bestandteil der Mode und des Lebensstils.
Ein Auto macht Spaß, ist aber auch praktisch. In den
Auto-Clubs finden die Auto-vernarrten technische Unterstützung
und Gleichgesinnte.
Herr
Jia führt ein kleines Unternehmen und schloss sich einem Auto-Club
an in der Hoffnung, potentielle Kunden kennen zu lernen. Wie
bei den Golfclubs ist dies ein verbreiteter Grund für eine
Mitgliedschaft in einem Autoverband.
Frau
Huang schätzt die Gruppenaktivitäten ihres Clubs
am meisten. „Jetzt ist es nicht mehr so, dass ich am Wochenende
nichts mit mir anzufangen weiß, und ich habe viele neue
Freunde gewonnen.“ Ihr Club organisiert regelmäßig
Parties und Ausflüge für seine Mitglieder und fördert
so die Kameradschaft.
Es gibt
auch Auto-Clubs, die sich im Wohltätigkeitsbereich einsetzen.
Der Off-Roader Club z. B. hat über seine Mitglieder mehrere
Spendeaktionen durchgeführt, die armen Kindern den Schulbesuch
ermöglicht haben oder Opfern von Naturkatastrophen zugute
kamen.
Trotz
alledem erfüllen Chinas Auto-Clubs die öffentlichen Erwartungen
noch nicht. Herr William aus Großbritannien macht dafür
einen Mangel an qualifiziertem und erfahrenem Personal in
der Branche verantwortlich. „Die Idee mag großartig
sein, aber es hapert an ihrer Umsetzung. Einem großen
Teil der Club-Manager scheint es an Planungs- und Organisationserfahrung
zu fehlen.“ Herr Gao ist kritischer: „Warum mussten so viele
Auto-Clubs schließen? Weil ihre Dienste schwer mangelhaft
waren. Wenn sie nicht einmal einen zuverlässigen und
qualifizierten Service anbieten können, weshalb nehmen
sie überhaupt den Betrieb auf?“
Zur Hauptverkehrszeit
in Shanghai teilen sich mindestens drei Personen einen Quadratmeter
des Busflurs, während ein Privatauto ganz drei Quadratmeter
auf Rädern bietet – eine andere Welt. Auto-Clubs, so
die Erwartung, sollen das Leben im Auto besser und sicherer
machen.
Absatzzahlen
in einem der größten Automärkte in Beijing
Rang |
Marke |
Privat
|
Verkaufte
Einheiten |
Marktanteil |
Privat |
durchschnittl.
Kaufpreis (Yuan) |
