Chinesische
Autos zu schicken Preisen
In der
Erwartung, dass die Preise nach Chinas Beitritt zur WTO fallen
würden, wartete Herr Wang zwei Jahre mit dem Kauf eines Autos
zu. Dies traf jedoch nicht ein – Autos sind so teuer wie eh
und je. Die Autohändler sind mit der abwartenden Haltung
potentieller Kunden bestens vertraut. Ein Verkäufer im
Automarkt Yayuncun in Beijing teilte dem Reporter mit: „Obwohl
sich Woche für Woche große Menschenmengen auf dem Automarkt
einfinden, gibt es kaum einen, der seine Brieftasche zückt.“
Mit dem
gestiegenen Lebensstandard in China ist es heute nicht mehr
allzu außergewöhnlich, einen Privatwagen zu kaufen.
2002 erhöhte sich die Zahl der zivil verwendeten Fahrzeuge
um 2,51 Mio. 60% davon waren für den privaten Gebrauch – in
Beijing betrug dieser Anteil gar 90%. Laut einigen Experten
steht das Zeitalter der Privatautos in China unmittelbar bevor,
doch die Mehrheit der Konsumenten ist anderer Meinung. Sie
haben starke Vorbehalte gegenüber den exklusiven Autopreisen,
die in China herrschen. Chinas größter Automarkt,
der Automarkt Yayuncun in Beijing, führte gemeinsam mit acht
Internetportalen und sieben Medienagenturen eine Online-Umfrage
über den chinesischen Automarkt durch. Das Ergebnis: 87% der
Konsumenten finden die Preise in ihrem Land zu hoch. In der
Bevölkerung gibt es einen starken Wunsch, ein Auto zu
besitzen, doch es fehlt das nötige Geld dafür.
Besucher
aus dem Ausland zeigen sich über die chinesischen Autopreise
überrascht. Hierzulande sind sie mindestens doppelt so hoch
wie anderswo. Für den neuen Honda Wagon z. B. sind in China
259 800 Yuan hinzublättern, während er in den USA
nur 15 000 US-Dollar – rund 121 000 Yuan – kostet. Heißt
dies etwa, dass die Chinesen mittlerweile so reich sind, dass
sie sich ohne Weiteres ein Auto leisten können? Nicht,
wenn man sich die Angaben des Staatlichen Amts für Statistik
ansieht. Im ersten Quartal 2003 betrug das durchschnittliche
monatlich verfügbare Einkommen städtischer Einwohner
784,8 Yuan, womit einem Haushalt im Jahr gut 9000 Yuan für
außerordentliche Anschaffungen zur Verfügung stünden.
Um einen 100 000 Yuan teuren Wagen zu erstehen, müsste er
acht bis zehn Jahre sparen.
Warum
sind die Preise so hoch?
Zum einen
besteuert China die Kraftfahrzeuge nicht gemäß
der international üblichen Praxis. Der Verkaufspreis einer
Limousine aus inländischer Produktion beinhaltet 17%
Mehrwertsteuer, 3–8% Verbrauchssteuer, 10% Kaufsteuer sowie
Importgebühren auf Ersatzteile und örtliche Steuern.
Somit entfallen 30–40% des Endpreises auf verschiedene Steuern,
bei den Importautos gar 60%.
Zum anderen
war Chinas Automobilindustrie lange ein geschütztes Monopol.
Das Fehlen eines grundlegenden Wettbewerbsmechanismus trug
zu den abnormal hohen Preisen bei. Laut Angaben der Staatlichen
Planungskommission belief sich das Verkaufsvolumen auf dem
chinesischen Automarkt 2002 auf 151,5 Mrd. Yuan, mit Gewinnen
von 43,1 Mrd. Yuan. Die durchschnittliche Gewinnmarge liegt
in der Kfz-Industrie bei 28,45% und ist damit die höchste
der Welt. Experten haben darauf hingewiesen, dass Volkswagen
in Deutschland an jedem verkauften Wagen 2000 Yuan verdient,
in China jedoch das Zehnfache. Doch trotz dieser hohen Preise
wünscht sich die Mehrheit der Bevölkerung ein Auto. Der
Anteil der chinesischen Autobesitzer nimmt zwar rasch zu,
aber sie sind noch immer eine kleine Minderheit. In Beijing
beispielsweise stieg die Anzahl der Wagen 2002 um 276 000
und durchbrach die 2-Mio.-Marke. Hält man sich jedoch
vor Augen, dass die Gesamtbevölkerung der Hauptstadt
bei über 14 Mio. liegt, wird klar, dass die Mehrheit ihrer
Einwohner noch immer mit dem Kauf eines Autos zuwartet. In
kleineren Städten ist dies erst recht der Fall. Das Auto
ist in China noch immer ein Luxus, und die meisten werden
lange warten müssen, bis sie sich eines leisten können.
Ein gewisser
Herr Liu drückt den allgemeinen Wunsch des Volkes aus: „Ich
hoffe, dass die Festlegung der Autopreise in China bald internationalen
Gepflogenheiten folgt. Ich wünsche den Autoherstellern keine
Verluste, aber es scheint mir ungerecht, dass ein Auto in
China so viel mehr kosten sollte als im Westen.“