Ein
Buddhamaler
Von
Bao Wenqing
Der 50-jährige Li Zongyi stammt aus
der Stadt Panjin in der Provinz Liaoning. Er ist langhaarig
und hat ein liebevolles Gesicht. Auf den ersten Blick erkennt
man, dass das Schicksal für ihn eine enge Beziehung zum Buddhismus
vorherbestimmt hat. In der Tat ist er landesweit bekannt geworden,
weil er Buddhafiguren sehr gut malen kann.
Fünf Einträge im Guinness-Buch der
Rekorde
Li Zongyi ist der erste Maler Chinas, der
mit seinen Buddha-Bildrollen fünfmal einen Guinness-Weltrekord
aufgestellt hat.
1995 wandte er 10 Monate für das Malen einer
über 1000 m langen Bildrolle mit 84 000 Buddhafiguren auf.
Sie wurde als längste Bildrolle der Welt ins Guinness-Buch
der Rekorde aufgenommen. Zwei Jahre später zeichnete
er 162 188 Buddhafiguren auf 24 Bildern mit einer Gesamtlänge
von 4744 m. Wieder stellte er damit einen Weltrekord auf,
diesmal für die Bilder mit den meisten Menschenfiguren. Im
Oktober 1998 zeichnete er 168 000 Buddhafiguren auf ein 1300
m langes und 66 cm breites Reispapier und errang damit zum
dritten Mal einen Weltrekord.
„84 000 Buddhafiguren“, „Bild mit 10 000
Buddhafiguren“ und „Eine Million buddhistische Gläubige“
sind Li Zongyis drei wichtigste Bildrollen. Sie werden von
seinen Kollegen hoch geschätzt und haben eine Lücke in
der buddhistischen Kultur und Geschichte geschlossen.
Der Buddhismus kann auf eine lange Geschichte
zurückblicken und hat einen großen Einfluss auf die
Gesellschaft ausgeübt. Die Entwicklung der buddhistischen
Kultur ist aber zurückgeblieben. Beispielsweise sind Buddhafiguren
normalerweise nur in Grotten oder auf Wandmalereien zu finden,
und es gibt sehr wenige, die sich dem Malen von Buddhafiguren
hingeben. Li Yongyi hat dank seinem ausgezeichneten Begriffsvermögen
und seinem Fleiß eine große Menge von Buddhafiguren
gezeichnet. Das ist beispielslos in der chinesischen Geschichte.
Alle von ihm gezeichneten Buddhafiguren sind lebendig und
haben unterschiedliche Gesichtsausdrücke.
„Strichkönig“
Li Zongyi wurde 1954 in einer armen Arbeiterfamilie
geboren. Schon in seiner Jugend entwickelte er eine Liebe
zum Malen von Buddhafiguren. Dies hatte er vor allem den Steinskulpturen
am Haitang-Berg in seiner Heimat zu verdanken, unter denen
sich viele Buddhafiguren befinden.
Im Alter von 8 Jahren begann er, malen zu
lernen. Aus seiner eigenen Erfahrung wußte er, dass
die ganze Welt aus Strichen besteht und ein guter Maler die
Striche für sich sprechen lässt.
Nach dem Mittelschulabschluß studierte
er am Lu-Xun-Institut für bildende Kunst in der Stadt Shenyang.
Für das Zeichnen einiger Figuren brauchten seine Kommilitonen
normalerweise eine Woche. Li Zongyi hingegen konnte in der
gleichen Zeit über hundert Werke schaffen. Seine Kommilitonen
malten die Vorderansicht, er aber im Profil. Da ermahnte ihn
ein Lehrer, dass er sich dem Vorgehen der anderen anschließen
sollte. Einmal versuchte er, dem Wunsch seines Lehrers zu
folgen. Doch das Bild misslang. Mit blitzschnellen Pinselbewegungen
ließ er zahlreiche lebendige Menschenfiguren auf dem
Papier entstehen. Dadurch erhielt Li Zongyi den Titel „Strichkönig“.
In den folgenden Jahren widmete sich Li
Zongyi nach wie vor der Strichzeichnung. Durch wechselvolle
Striche drückte er sein Verständis für das Leben und
die Kunst sowie seine Verpflichtung gegenüber der Geschichte
aus.
Eine neue „Flußufer-Szene vom Qingming-Fest“
Li Zongyis Malatelier liegt in der Stadt
Fuxin und ist sehr primitiv eingerichtet. Es ist nur 12 qm
groß. Ein gemauertes Ofenbett, das Li Zongyi auch als
Arbeitstisch dient, nimmt die Hälfe des Raums ein. Wenn
er malt, sitzt er einige Stunden auf einem 20 cm hohen Klappstuhl
vor dem Ofenbett.
Hier, in diesem kleinen Zimmer, entstand
sein erstes Meisterwerk „Shanghui Tu“. Er hat diese Bildrolle
unter dem Einfluss der „Flußufer-Szene vom Qingming-Fest“,
eines bekannten Werks von Zhang Zeduan aus der Song-Dyanstie,
geschaffen. Li Zongyi ist der Meinung, dass die „Flußufer-Szene
vom Qingming-Fest“ die politischen, wirtschaftlichen und kulturellen
Umstände der Song-Dynastie nur beschränkt darstelle.
Um dieses Bild zu verbessern, ist er durch ganz China gereist
und hat gründliche Untersuchungen über die Sitten und Gebräuche
in der Song-Dynastie angestellt. In „Shanghui Tu“ sind über
50 000 Menschenfiguren zu finden, darunter Literaten, Händler,
Bauern, Frauen, Schauspieler, Pilger usw. Über 40 Szenen,
in denen Leute Drachen steigen lassen, das Laternenfest feiern
oder den Yangge tanzen, sind lebhaft dargestellt. Außerdem
gibt es auf dem Bild über tausend Bäume und einige Hundert
Häuser. Deshalb ist es nicht übertrieben, wenn man das
Bild als eine Enzyklopädie der Folklore in der Song-Dynastie
bezeichnet.
Li Zongyi hat „Shanghui Tu“ 1991 fertig
gemalt. Noch im selben Jahr ließ das Staatliche Amt
für Post- und Fernmeldewesen das Bild auf eine Postkarte mit
einer Länge von 27,72 m drucken. Nach der Bestätigung
der Guinness-Zentrale in Shanghai im Jahr darauf erzielte
diese Postkarte den „Weltrekord für die längste Postkarte
der Welt“.
Gespräch mit dem Maler über den
Buddhismus
Beim Treffen mit Li Zongyi stellte ich ihm
eine Frage, die mir schon lange unter den Nägeln brannte:
„Wie schaffen Sie es, die Buddhafiguren so lebendig darzustellen?“
Er antwortete: „Eine drei Fuß dicke
Eisschicht ist nicht das Ergebnis eines einzigen Frosttages.
Mein Erfolg ist vor allem Fleiß zu verdanken. Beim Malen
wetteifern die Buddhafiguren miteinander, so dass ich überhaupt
keine Zeit habe, den Pinsel in Tusche einzutauchen“.
Ich fragte: „Haben Sie bei der Darstellung
der Buddhafiguren von anderen Gemälden profitiert? “
Er antwortete: „Nein, ich kopiere die Buddhafiguren
nicht von anderen. Ich habe den Lebenslauf Schakjamunis studiert.
Er war einmal ein Prinz und hatte Reichtum und Ehre, bevor
er den Buddhismus begründete. Beim Malen muss ich mir jegliche
frivolen Gedanken aus dem Kopf schlagen, erst dann können
die Buddhafiguren lebendig erscheinen. “
„Sie haben so viele Buddhafiguren gemalt.
Haben Sie die buddhistischen Sutren studiert? “
„Nein. Ich habe nur Buddha-Figuren studiert.
“
Li Zongyis größter Wunsch ist
es, eine Kunsthalle für Buddha-Figuren in seiner Heimat zu
gründen.
