August 2002
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Wirtschaft

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Wang Jianming, Unternehmer mit musikalischer Passion

 Von Xu Jing und Jia Lan

Zwischen Literatur und Unternehmensführung gibt es eigentlich keine zwingende Verbindung. Wenn jemand aber von einer literarischen Gestalt besessen ist, dann steht er wohl lebenslang unter ihrem Einfluss. Für Unternehmer Wang Jianming ist Romain Rollands Jean Christophe unvergesslich. Im Leben dieses Musikers erkennt er drei hohe Werte: eine liebevolle Beziehung zwischen Schwester und Bruder, Unnachgiebigkeit dem Schicksal gegenüber sowie Einsatz und Begeisterung für die Musik. Sie prägen Wang Jianmings Lebenseinstellung.

Kapitel 1: Die Dritte Sinfonie (Heldensinfonie)

 „Ohne Kampfgeist ist es aussichtslos, die in Jahrhunderten geschaffene industrielle Zivilisation in einer Zeitspanne von einem Dutzend Jahren oder einigen Jahrzehnten einzuholen.“ (Wang Jianming)

Im Dezember 1994 wurden die Aktien des ersten chinesischen Jointventure-Betriebs an der New Yorker Börse notiert. Als kurz davor die Investment-Bank Bilson und das Rechtsanwaltsbüro Cromwell ein Unternehmensporträt anlässlich der Einführung der Aktien schreiben wollten, stellte ihnen der Vorstandsvorsitzende dieses Jointventure-Betriebs das Konzept der Geschäftsführung vor: „Der Mensch steht im Mittelpunkt, und wir wollen immer von Neuem nach dem ersten Platz streben.“ Dieser Betrieb ist die Guangxi Yuchai Machinery Company Ltd. (im folgenden kurz Yuchai). Er ist der größte Produzent von Verbrennungsmotoren und die einzige Produktionsstätte in der Branche, die mit dem Prädikat „Umweltfreundliche Produktion“ versehen ist.

Seit 1985 hat Wang Jianming wie ein meisterhafter Dirigent mit der Belegschaft von Yuchai eine glänzende Sinfonie vorgeführt.

Am Anfang der 80er Jahre verfügte der Betrieb über ein Kapital von nicht einmal acht Mio. Yuan. Die Fabrikhallen waren baufällig und die Maschinen rückständig. Nach den wirtschaftlichen Hauptindikatoren bildeteYuchai oft das Schlusslicht der Branche. Der Betrieb brachte jedes Jahr nur 600 Dieselmotoren hervor. Er war zwar noch nicht von der unmittelbaren Schließung bedroht, befand sich aber in einem desolaten Zustand.

1985, mit 38, trat Wang Jianming den Posten des Direktors an. Kurz danach setzte er das Ziel, jedes Jahr 1000 Dieselmotoren herzustellen. Fast alle hielten diesen Plan für blanken Wahnsinn. Als Wang Jianming seine Vision vorstellte, dass Yuchai zu den internationalen Topunternehmen im Dieselmotorenbereich aufsteigen sollte, reagierte die ganze Belegschaft mit Schweigen. Viele dachten im Geheimen, dass dieses ehrgeizige Ziel nie erreicht werden würde.

Der Held in Jean Christophe hatte Wang Jianming tief beeindruckt. Er war in seiner Kindheit nicht sehr vernünftig. Ebensowenig war es Wang gewesen. Als er aus seiner unvernünftigen Kindheit erwachte, war er bereits in der 2. Klasse der unteren Mittelschule. Durch einen Zufall nahm er an einem Wettbewerb in den Leistungsfächern teil. Dabei erreichte er den 1. Platz in Aufsatz und Physik. Das war wohl das erste Mal in seinem Leben, dass er die Nummer eins geworden war. Das gute Erlebnis bildete einen wichtigen Beweggrund für seine späteren Anstrengungen.

Im Jahr 1985 fühlte sich Wang Jianming einsam. Dennoch vergaß er in der Einsamkeit seinen Auftrag nicht. Er führte seine Ingenieure aus der abgelegenen Fabrik und bereiste mit ihnen das ganze Land. Sie untersuchten den Markt, sprachen mit Fachkollegen und erkannten den Unterschied zwischen ihnen und fortgeschrittenen Herstellern. Durch die Studienreisen wurde ihr geistiger Horizont erweitert. Bis zum Jahresende wurde nicht nur das Produktionssoll erfüllt, sondern auch die Qualität der Produkte erheblich erhöht.

Die Praxis ist das beste Lehrbuch. Durch die Praxis begann die Belegschaft, ihre Arbeit immer wieder zu überprüfen. Das Wichtigste ist, dass sie dadurch ihr Selbstvertrauen zurückgewann. Mit der neuen Zuversicht wollte auch sie die Nummer eins werden und Yuchai zu einer international führenden Firma machen.

Anfang April 1992 gewann Wang Jianming viele Einsichten aus einem Vortrag über Aktiengesellschaften. Er stellte fest, dass die staatlichen Investitionen allein nicht ausreichten, um Yuchai in eine Aktiengesellschaft umzuwandeln. Man würde von in- und ausländischen Investoren „Geld borgen“ müssen.

Und noch im selben Monat wurde aus dem Staatsbetrieb Yuchai eine Aktiengesellschaft.

Ein Jahr später wurde das Unternehmen durch die Einführung ausländischen Kapitals in eine Jointventure-Aktiengesellschaft umgewandelt.   

In den vier Jahren zwischen 1992 und 1995 nahm Yuchai Kapital in der Höhe von 2,3 Mrd. Yuan auf und wurde damit zum weltweit zweitgrößten Hersteller von Dieselmotoren. Hinsichtlich der Produktionskapazität wird er nur von Isuzu übertroffen.

Allerdings musste Yuchai Mitte der 90er Jahre eine harte Bewährungsprobe bestehen.

In dieser Zeit entwickelte sich die chinesische Wirtschaft zwar rapide, aber die Marktsituation veränderte sich stark. Das Angebot an vielen Waren übertraf die Nachfrage. Fast über Nacht brach der Dieselmotorenmarkt zusammen. 1992 hatte Yuchai mit der Entwicklung eines neuen Produkts begonnen. Aber es wurde nicht vor dem ersten Quartal 1997 herausgebracht. Und ausgerechnet zu dieser Zeit war auf dem Markt Flaute. Der ursprüngliche Plan ging nicht auf und wurde als eine Fehlentscheidung angesehen. In den Jahren 1996/97 sank der Gewinn von einigen hundert Mio. Yuan auf 10 Mio. Yuan, und der Betrieb stand kurz davor, in die roten Zahlen abzurutschen.

Kapitel 2: Schicksalssinfonie

„Wie kann ich stärker werden? Ich habe zwei Maßstäbe: Meine heutige Leistung soll meine gestrige übertreffen. Ich leiste mehr und bessere Arbeit als mein Konkurrent. Wenn ich das jeden Tag tue, dann liege ich im Vorteil“, sagt Wang Jianming.

In seinem Leben musste Wang Jianming viele Schicksalsschläge hinnehmen.

Wangs Vater kam aus Südkorea, lernte seine Frau in China kennen und gründete hier eine Familie. Um in den Unternehmen seiner Familie mitzuwirken, kehrte er nach Südkorea zurück, während die Mutter mit den drei Söhnen in China blieb. Durch den Korea-Krieg 1950 wurde die Familie getrennt. Der Vater hat bis zu seinem Tod seine Familie in China nicht wiedergesehen. Wang Jianming hatte nur eine vage Erinnerung an seinen Vater. Die Mutter hat die Kinder aufgezogen und ihnen die beste Erziehung gegeben. Insbesondere gab sie ihnen ein starkes Verantwortungsbewusstsein mit.

In einem Exklusiv-Interview mit dem Hongkonger Fernsehsender Phoenix TV sagte Wang Jianming: „Die Mitglieder der Geschäftsführung bezeichnen die Fehlentscheidung als hausgemachten Mist, und dafür bin ich der Hauptverantwortliche.“ Obwohl bei Yuchai jede Entscheidung im Kollektiv getroffen wurde, verzichtete Wang Jianming für zwei Jahre auf sein Gehalt.

Die Jahre 1996/97 waren die schwerste Zeit für Wang Jianming. Durch die Absatzschwierigkeiten waren zig tausend Mitarbeiter betroffen. Er verbrachte zahlreiche schlaflose Nächte und zerbrach sich über das Problem den Kopf. In der Krise gelangte er zur Erkenntnis, dass das Problem nicht im Markt liege, sondern im Betrieb selbst. Seit über zehn Jahren hatte sich seine Produktpalette nicht verändert. Es wurden zu wenig leichte und schwere Dieselmotoren hergestellt. Das war die Hauptursache der Krise.

Die Mitarbeiter von Yuchai haben tiefes Vertrauen zu Wang Jianming, weil er seine Entscheidungen immer auf der Grundlage wissenschaftlicher Untersuchungen trifft. Innerhalb von drei Jahren wurde die Angebotsstruktur erheblich verbessert. Neben mittelgroßen werden jetzt auch leichte und schwere Dieselmotoren produziert. Dadurch wurde der Betrieb aus der Talsohle herausgeführt. Während einiger Jahre betrug das jährliche Umsatzwachstum 40%. Im Jahr 2001 belief sich der Umsatz von Yuchai auf 2,148 Mrd. Yuan, und der Gewinn stieg im Vergleich zum Vorjahr um 40%.

Ein kraftvoller Rhythmus schwingt jetzt wieder durch den Betrieb.

Durch die schwere Zeit von 1996/97 wurde Wang Jianmings Krisenbewusstsein sehr gestärkt. Nach Chinas Beitritt zur WTO werden die Zölle für Motoren um 30% bis 40% gesenkt. Wang Jianming weiß, dass dadurch Yuchais Kostenvorteil verschwindet . Dann werden alle auf der gleichen Startlinie stehen.

Im Archiv von Yuchai fanden wir eine Rede Wang Jianmings, die er vor zehn Jahren schrieb. Darin geht es hauptsächlich um die Probleme, mit denen Yuchai nach Chinas WTO-Beitritt konfrontiert sein würde. Damals wurde die Rede im ganzen Betrieb rund zwei Wochen lang diskutiert. Dadurch verschaffte sich die Belegschaft Klarheit darüber, was nach dem WTO-Beitritt zu tun sein würde.

Der größte Hersteller von Dieselmotoren in den USA sah in Yuchai den größten Konkurrenten auf dem chinesischen Markt und wendete nahezu Dumping-Preise an, um mit Hilfe seiner wirtschaftlichen Kraft eine Monopolstellung in China aufzubauen. Dazu bemerkt Wang Jianming, dass bei der Konfrontation zweier Armeen die Armee zuerst zerschlagen wird, die als erste die Flucht ergreift. Yuchai hat Maßnahmen erarbeitet und sich zum Ziel gesetzt, bei den mittelgroßen Motoren die Serie B und bei den schweren Maschinen die Serie C des amerikanischen Konkurrenten zu übertreffen. Beim Service nimmt man sich die Firma Haier als Vorbild und will diese sogar übertreffen.

 Kapitel 3: Mondscheinsonate

 „Ich mag Musik von Tschaikowski und Beethoven, insbesondere ihre Charakterzüge.“

 Wang Jianmings zwei ältere Brüder haben ihn in die Musik eingeführt. Er mag  Tschaikowski und Beethoven. Der erstere beeindruckt ihn mit seinen romantischen Themen, der letztere bewegt ihn mit der heroischen, gewaltigen Stimmung.

 1970 wurde Wang Jianming nach Absolvierung seines Hochschulstudiums zu Yuchai geschickt. Der Lebensstandard in der kleinen Stadt im Südwesten, wo sich Yuchai befindet, war von demjenigen in Großstädten weit entfernt. Damals schrieb er seiner Frau: „Wenn eines Tages die Kinder in einem Ballettkurs geschult werden können, dann bedeutet das, dass sich dieser Ort grundlegend verändert hat.“

 Im Jahr 2001 feierte Yuchai sein 50-jähriges Bestehen. An einem Kulturabend führten die Mitarbeiter Darbietungen auf. Auch die Kinder aus den Kindergärten und den Grundschulen boten Auszüge aus dem Schwanensee dar. Wang Jianming war tief bewegt, er hätte nicht gedacht, dass die Veränderung so schnell eintreten würde.

 Wang Jianming wuchs in einer Zeit auf, die durch Enthusiasmus geprägt war. Wie viele seiner Altersgenossen hat Wang Jianming ein starkes Pflichtbewusstsein, das den Garant für seinen beruflichen Erfolg bildet.

In den Augen vieler Menschen ist Wang Jianming ein erfolgreicher Mensch. Er ist der Vorstandsvorsitzende von Yuchai, außerdem war er Gastprofessor an sieben Hochschulen. Am Massachusetts Institute of Technology hielt er Vorträge für Führungskräfte. Ende 1998 veranstaltete die Lokalregierung eine Meinungsumfrage über die Führer der Unternehmen. 98% der Befragten gaben Wang Jianming ihre Stimme.

Aus seiner Sicht jedoch ist sein Erfolg als Unternehmer für ihn einfach eine Erleichterung.

Wang Jianming strebt stets nach Abwechslung und Vielfalt in seinem Leben. Er gewinnt aus Literatur und Musik oft Eingebungen. In seinem Computer hat er einen Katalog von über 8000 CDs zusammengestellt. Mit seiner Frau spielt er auch gerne Karten. Manchmal spielt er in Mußestunden auch Geige.

Wang Jianming mag das Wahre, Schöne und Gute. Und gerade das macht einen erfolgreichen Unternehmer aus.

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