Alte
chinesische Musikinstrumente (1)
Flöten
aus Knochen
Die chinesischen Musikinstrumente haben
eine lange Entwicklungsgeschichte, die eng mit dem Leben der
Menschen verbunden ist. Beeindruckend ist unter anderem ihre
große Vielfalt. In dieser Serie berichten wir über Instrumente
im traditionellen Stil. Die Beiträge stammen von Mao Jisheng,
Vizechefredakteur der Zeitschrift „Musikforschung“ und außerordentlicher
Forscher des der Zentralen Hochschule für nationale Minderheiten
angeschlossenen Forschungsinstituts.
1986
wurden in der Gegend von Jiahu im Kreis Wuyang in der Provinz
Henan mehrere Knochenflöten gefunden. Den Archäologen zufolge
wurden sie vor 7600 bis 8500 Jahren gefertigt. Sie gelten
als die bisher ältesten Instrumente, die man bei Ausgrabungen
entdeckt hat.
Vor 8000 Jahren wurde in dem erwähnten Gebiet,
in dem das Klima mild und zudem niederschlagsreich war, gejagt,
gefischt und Viehzucht betrieben. Urreligionen entstanden,
und mit ihnen die Musik und die Instrumente, z.B. Knochenflöten,
die aus Raubtierknochen hergestellt wurden. Auf einer Seite
des Knochens wurden saubere Löcher gebohrt, meistens waren
es sieben. Es gibt auch Flöten mit acht Löchern, aber die
sind selten. Neben einem der Hauptlöcher befindet sich in
diesem Fall ein kleineres Loch, das wahrscheinlich dazu diente,
den Ton zu variieren. Die Knochenflöten sind rund 20 cm lang
und haben einen Durchmesser von etwas mehr als einem Zentimeter.
Auf manchen Flöten finden sich noch Markierungen, ein Beweis,
daß vor dem Bohren genau berechnet wurde, wo das Loch zu sein
hatte. Diese Flöten sind zwar die ältesten, aber nicht die
ersten, die gefunden wurden. Ein Paar Jahre zuvor wurden in
Hemudu in der Provinz Zhejiang, rund tausend Kilometer von
Jiahu entfernt, mehrere Dutzend Knochenflöten ausgegraben,
deren Entstehungszeit Archäologen auf ca. 5000 v. Chr. legen.
Sie waren ebenfalls aus Tierknochen gefertigt. Ein Beweis
dafür, daß diese Instrumente in der Jungsteinzeit in China
über ein ziemlich weites Gebiet in Gebrauch waren.
Die in Jiahu gefundenen Flöten werden von
Fachleuten als Querflöten eingestuft und als von guter Tonqualität
bewertet. Der Beginn der chinesischen Zivilisation müßte also
eigentlich um einiges zurückdatiert werden.
Und noch eine weit verbreitete Annahme dürfte
nach dem Fund der Jiahu-Flöten als überholt gelten. Im Jahre
1885 veröffentlichte der britische Gelehrte Alexander John
Ellis (1814-1890) die Tonskalen der Nationen“. Seither ist
man davon ausgegangen, daß in der alten chinesischen Musik
ausschließlich eine Fünf-Ton-Skala verwendet wurde. Die Jiahu-Flöten
wurden jedoch nach einer Sieben-Ton-Skala gespielt. Damit
zeichnet sich in der chinesischen Musikforschung ein ganz
neuer Abschnitt ab.
Flöten wie die von Jiahu sind heute aus
Südost- und Zentralchina verschwunden. Ähnliche Flöten gibt
es allerdings noch in Tibet, sie sind aus Adlerknochen und
werden von den Hirten gespielt; sowie im Autonomen Bezirk
Tadschiken in dem Autonomen Gebiet Xinjiang (sie sind gleichfalls
aus Adlerknochen und gelten bei Feiern als unentbehrlich)
und im Autonomen Bezirk Huangnan in der Provinz Qinghai, wo
die jungen Tibeter mit Vorliebe auf Flöten aus Wildgansknochen
spielen.