Durch die Autobahn wurde eine dreitätige Reise auf sechs
Stunden verkürzt
Bei Ankunft in der Provinzhauptstadt Kunming überreichte
mir Herr Dai, der mich am Flughafen empfing und das Interviewprogramm
für mich ausgearbeitet hatte, ein Programm, auf dem zu lesen
war: Am 21. März, 8.30 Uhr, Abfahrt von Kunming mit dem Bus;
14.30 Uhr, Ankunft in der Stadt Simao. Meine erste Reaktion darauf
war: Entweder hatte sich Herr Dai im Verkehrsmittel oder in der
Reisezeit geirrt. Ohne nachzudenken sagte ich zu ihm: Ich
kann mich genau erinnern, dass man mit dem Bus von Kunming nach
Simao drei Tage braucht. Meine Behauptung verwunderte Herrn
Dai zunächst, doch bald begriff er und antwortete lächelnd:
Das war früher einmal so. Inzwischen gibt es eine Autobahn,
auf der man für die Strecke nur sechs Stunden braucht.
Ich wollte meinen Ohren nicht trauen, aber ich merkte, dass Herr
Dai keinen Spaß mit mir machen wollte. Ja. Wirklich,
nur sechs Stunden!, versicherte Herr Dai. Ich musste ihm
wohl glauben, aber ich zweifelte noch, denn ich wusste, dass zwischen
Kunming und Simao einige hohe Gebirge lagen und der Bus sich auf
der 600 km Strecke immer bergauf zu schlängeln hatte. 1970
war ich mit dem Fernbus von Kunming nach Simao gefahren, um mich
dort bei meiner Arbeitseinheit anzumelden. Damals hatte die Fahrt
drei Tage gedauert. Das war auch 1978 noch so, als ich die Provinz
Yunnan verließ.
Am frühen Morgen des nächsten Tages fuhren wir von
Kunming aus mit hoher Geschwindigkeit auf der Autobahn in Richtung
Süden. Die Asphaltautobahn hatte sechs breite und glatte
Fahrspuren. Unser Fahrer fuhr ca. 120 km/h. Der Bus schlängelte
sich nicht die Bergstraße hinauf, sondern fuhr durch eine
Reihe von Tunnels, so dass ich glaubte, über eine Ebene zu
fahren. Nach zwei Stunden hielt der Bus. Ein Straßenschild
zeigte an, dass wir die Gemeinde Yangwu erreicht hatten.
Ich war vor Überraschung sprachlos. Vor 36 Jahren brauchte
man einen ganzen Tag, um mit dem Bus von Kunming nach Yangwu zu
kommen. Unterwegs musste man sogar übernachten, und dann
am nächsten Morgen wieder in Richtung Süden fahren.
Aber heute waren es nur zwei Stunden Fahrzeit gewesen. Damals
holperte der Bus über eine steinige und sandige Straße
und wirbelte so viel Staub auf, dass die Reisenden völlig
eingestaubt waren, bevor sie ihr Ziel erreicht hatten. Heute dagegen
lag auf keinem von uns auch nur ein einziges Stäubchen. Wieder
einmal war ich überrascht.
Ich befragte ausführlich Journalisten aus der Provinz, um
mich mit der Verkehrsentwicklung in Yunnan vertraut zu machen.
Sie erzählten mir, die vielen Gebirge in Yunnan galten als
Haupthindernis für den Verkehr und damit für eine schnellere
Entwicklung der Wirtschaft und Gesellschaft in der Provinz. Die
Einwohner Yunnans litten unter dem rückständigen Verkehr.
Straßenbau war stets einer ihrer größten Wünsche.
Aber Yunnan liegt eben im Südwesten unseres Landes und darum
hat die Provinz eine niedrigere Ausgangsbasis für ihre Entwicklung
und das Enwicklungstempo ist überdies sehr langsam. Geld
ist natürlich auch knapp, knapper als in vielen anderen Gebieten.
Angesichts dieser Umstände beschloss die Provinzregierung,
gemäß der Idee Straßen auf Kredit zu bauen
und den Kredit durch Gebührenerhebung zu tilgen, mit
Unterstützung der Zentralregierung den Straßenbau zu
beschleunigen. Die Gesamtlänge aller Straßen, die zwischen
1998 und 2003 gebaut wurden, beträgt mehr als doppelte der
Strecken, die innerhalb der 45 Jahre von 1950 bis 1995 angelegt
wurden. Bis Ende vorigen Jahres betrug die Länge aller Straßen
167 760 km. Damit belegte Yunnan den ersten Platz unter allen
Provinzen, autonomen Gebieten und regierungsunmittelbaren Städten.
Die Länge der Straßen erster und zweiter Kategorie
lag bei 4994 km. Die Straßen in den ländlichen Gebieten,
die in die staatliche Statistik aufgenommen wurden, erreichten
insgesamt eine Länge von 142 400 km. Wo es früher natürliche
Hindernisse gab, findet man heute ebene Straßen. Die verschiedenen
Straßeneinrichtungen nehmen einen Spitzenplatz unter den
südwestlichen Gebieten Chinas ein. Die lokalen Regierungen
verschiedener Ebenen haben ebenfalls Geld beschafft, um den örtlichen
Verhältnissen entsprechende Straßen anzulegen.
Die Entwicklung des Straßenbaus hat den Prozess der Urbanisierung
in der Provinz und den gesellschaftlichen Fortschritt in den ländlichen
Grenzregionen beschleunigt. Der Personen-, Güter- und Informationsverkehr
nahm bedeutend zu. Um ein Beispiel zu geben: Die Gemeide Xibeile
des Kreises Mengzi liegt in einer Gebirgsgegend, wo in der Vergangenheit
der Transport von Agrarprodukten von der Zahl der Arbeitskräfte
und der Maultiere abhängig war. Angebautes Obst und Gemüse
konnten selten rechtzeitig abtransportiert werden, so dass oft
2/3 der Ernte verdarben. Die von Maulesel gezogenen Wagen holperten
fürchterlich auf den steinigen Wegen, so dass die Kartoffeln
sich sozusagen von selbst schälten und natürlich kaum
abzusetzen waren. Die Einwohner führten ein hartes Leben.
Sie hatten Mühe, sich ausreichend mit Nahrung und Kleidung
zu versorgen. 2004 haben sie dann eine Straße in die Außenwelt
gebaut, was die Wirtschaft angekurbelt hat. Innerhalb eines Jahres
stieg das Einkommen der Bauern um das 8fache. Heute hat sich fast
an jeder Straße eine kleine Wirtschaftszone gebildet, immer
mehr Bauern haben durch die Straße Kontakte zur Außenwelt
aufgenommen und sich von ihrer Armut befreit.
Herr Dai führte weiter aus: Die China-ASEAN Freihandelszone,
die zur Zeit eingerichtet wird, bietet der Provinz Yunnan vielleicht
so viele Möglichkeiten wie der Stadt Shenzhen vor 20 Jahren,
als die Reform- und Öffnungspolitik in China begann. Sieben
von zehn Staaten des Verbandes Südostasiatischer Staaten
haben direkte Landverbindungen nach Yunnan. Der Bau diverser Straßeneinrichtungen
wird einen unmittelbaren Einfluss auf die Stellung und die Rolle
der Provinz Yunnan in der gesamten Freihandelszone ausüben.
Deshalb ist es äußerst dringend, den Bau der großen
Durchgangsstraße zwischen Kunming und Bangkok zu beschleunigen.
Die Schlüsselrolle der Provinz Yunnan in der Freihandelszone
muss so früh wie möglich gesichert werden. Dann kann
die historische Umwandlung der Provinz Yunnan endgültig Wirklichkeit
werden. Die Autobahn, auf der wir jetzt fahren, ist Bestandteil
der großen Durchgangsader Kunming-Bangkok.
Dies hörend, bewunderte ich die großen Fortschritte
der Provinz Yunnan im Verkehrsbereich noch mehr, denn ich wusste
nun, wie oft beim Straßenbau in Yunnan Felsen weggesprengt,
Tunnel gebohrt, Gräben zugeschüttet und Brücken
errichtet werden mussten. Wer Yunnan nicht kennt, kann sich die
Schwierigkeiten beim dortigen Straßenbau kaum vorstellen.
Ich kenne Yunnan und deshalb haben mich die Leistungen der Straßenbauer
besonders begeistert.
Aber was ich am nächsten Tag auf dem Weg zum Besuch des
1000-jährigen Teegartens im Kreis Puer gesehen hatte,
schmälerte meine Begeisterung. Wir fuhren nun mit Geländewagen,
und darum ahnte ich, welche Straßenqualität uns erwarten
würde. Und richtig, es begann ein holpriger, steiniger Weg,
sobald wir die Kreisstadt Puer verlassen hatten. Die Geländewagen
wirbelten Staub auf, wer im hinteren Wagen saß, konnte den
vorderen nicht mehr sehen. Die Straße war sehr eng und ausgefahren,
an manchen Stellen war Erdrutschgefahr angezeigt. Unser Fahrer
fuhr nun oft Schritttempo und wir brauchten für eine Strecke
von 30 km eineinhalb Stunden! Wir wussten natürlich, dass
es auch weiterhin noch große Probleme beim Bau von Straßen
in den ländlichen Gebieten gab. Am Abend surfte ich im Internet,
um entsprechende Informationen zu finden. Das Ergebnis meines
Suchens: Obwohl die Straßenlänge in der Provinz Yunnan
den ersten Platz unter allen Provinzen, autonomen Gebieten und
regierungsunmittelbaren Städten Chinas einnimmt, steht die
Länge der Straßen höherer Kategorie auf dem letzten
Platz. In den ländlichen Gebieten gibt es bis heute weit
mehr als 100 000 km Straßen ohne Beton oder Asphalt, sowie
mehr als 50 000 km Straßen, die den staatlichen Standard
nicht erreichen. Daraus ist zu ersehen, dass es eine unübersehene
und dringende Aufgabe ist, den Straßenbau in den ländlichen
Gebieten zu beschleunigen und die verschiedenen Probleme wie Materialbeschaffung,
Technik, Personal, Verwaltung, Systematisierung und Investitionen
beim Straßenbau in den ländlichen Gebieten schwerpunktmäßig
zu lösen. Der Bau von Autobahnen muss weiter beschleunigt
werden. Vor allem sind die vitalen Interessen der Bauern bei der
Strukturveränderung in den ländlichen Gebieten zu berücksichtigen.
Dabei ist die Verbesserung ihrer Lebensqualität entscheidend.
|