Als
„Germania-Brauerei“ gegründet
Chinas
Tsingtao-Brauerei ist hundert Jahre alt
Von
Atze Schmidt
Chinas größtes Bierunternehmen,
das Brauerei-Imperium Tsingtao, blickt in diesem Jahr auf
das hundertjährige Bestehen seines Stammhauses in Qingdao
zurück. Das Unternehmen betreibt derzeit 50 Brauereien in
China und hält auf dem chinesischen Festland einen Marktanteil
von 13 Prozent. Die enorme Umsatzsteigerung (24 Prozent im
Jahr 2002) und die zielstrebige Expansion der Marke außerhalb
Chinas könnten die Tsingtao-Gruppe schon bald in den
Kreis der Top Ten unter den Bierproduzenten der Welt befördern.
Dies bis zum Jahr 2005 zu schaffen ist denn auch das erklärte
Ziel ihrer Manager.
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Eine
Anzeige aus dem Jahr 1910 in den „Tsingtauer Neuesten
Nachrichten“
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Die Gründung vor hundert Jahren ist Teil
der deutschen Kolonialgeschichte in China (1897-1914). Zwar
wurde in China schon in uralter Zeit ein bierähnliches
Getränk hergestellt, wie Funde und Aufzeichnungen belegen,
doch Chinas Brauereiwesen der Neuzeit begann erst 1903.
„Germania-Brauerei“, unter diesem Namen
fing an, was sich bis heute als eine einzige Erfolgsgeschichte
entwickelt hat. Im deutschen Pachtgebiet in der Küstenprovinz
Shandong war die Brauerei eines von nur wenigen Unternehmen,
die Profit machten. Insgesamt sollte sich die kurze koloniale
Episode des deutschen Kaiserreichs in China als ein ökonomisches
Fiasko erweisen.
Es waren zwei chinesische Geschäftsleute,
die im Jahr 1915, nachdem sie den Erfolg der Germania-Brauerei
und die zunehmende Akzeptanz des für die Chinesen neuartigen
Getränks aufmerksam verfolgt hatten, die erste Brauerei
in chinesischer Hand in Betrieb nahmen, die heute noch existierende
Shuangheshang-Brauerei in der Hauptstadt Beijing (die heutige
Marke ist das Five-Star-Beer). Als Fachleute hatten sie zwei
tschechische Brauer nach China geholt, sämtliche Anlagen
aber im Land selbst herstellen lassen. Täglich standen
damals mehrere Eimer frischen Biers vor den Toren der Brauerei
- zur kostenlosen Bedienung. Bald hatten die cleveren Unternehmer
eine staatliche Kundschaft, und von da an nahm das Bier seinen
Weg durch ganz China.
Deutsche Braukunst, die vor hundert Jahren
das erste Kapital der Erfolgsstory des Biers in China geschrieben
hat, ist im Reich der Mitte nach wie vor gefragt. Eine Großbrauerei
in Wuhan, Hauptstadt der Provinz Hubei, wurde als chinesisch-deutsches
Joint-Venture gegründet (zusammen mit der Spaten-Brauerei
München), und ihr Bier erhielt den Namen „Zhongde“ (China-Deutschland).
So gibt es bei den Brauereien in China viele Beispiele einer
Kooperation mit renommierten deutschen Bierproduzenten.
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Banknote
aus der Zeit der deutschen Kolonialgeschichte in China
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Die Tsingtao-Gruppe treibt die Expansion
ihrer Marke in den internationalen Markt nun kräftig
voran. Sie hat dabei vor allem die Märkte Thailand, Singapur
und Malaysia im Visier. Dabei dürften ihr allerdings zwei
starke Rivalen zu schaffen machen, nämlich die Asia Pacific
Breweries Ltd. und die Carlsberg A/S. Ferner wird mit südafrikanischen
und europäischen Investoren verhandelt mit dem Ziel,
in den Markt Südafrikas vorzustoßen. Das finanzielle
Polster für solche Unternehmungen ist allem Anschein nach
bestens. Anheuser-Busch, der mächtigste Bierproduzent
der Welt, hat erst im vergangenen Jahr seinen Anteil an dem
chinesischen Unternehmen von 5 Prozent auf 27 Prozent erhöht.
Man schätzt bei Anheuser-Busch die Qualität der
chinesischen Spitzenmarke und kennt natürlich ihren ausgezeichneten
Ruf in der Welt.
In einer ausländischen Quizsendung
im Fernsehen wurde vor Jahren einmal die Frage gestellt: „Wonach
stehen Chinesen im Sommer mit Eimern und Töpfen vor bestimmten
Geschäften Schlange?“ Die Antwort, die damals niemand
wußte, wäre gewesen: „Sie kaufen Bier.“ Das war
zu der Zeit, als in China noch vielerorts Bier offen vom Fass
verkauft wurde.
„Heute sieht man solche Szenen nicht mehr“,
schrieb China heute in der Ausgabe August 1990. Das war jedoch
nicht ganz korrekt, und wir möchten uns nun hiermit,
13 Jahre später, korrigieren. Denn in Qingdao, wo Chinas
Zeitrechnung der modernen Bierproduktion vor hundert Jahren
begonnen hat, wird Fassbier noch immer gern offen nach Hause
getragen. Heute zwar weniger in Eimern und Töpfen, vielmehr
in eigens dafür bereitliegenden Plastiktüten mit dem Aufdruck
„Tsingtao Beer“.