Seidenraupenzucht
und Seidenkokons
Seide
erfreut sich auf der ganzen Welt großer Beliebtheit.
In China unterscheidet man zur Zeit drei Arten von Kokons,
nämlich solche von den Maulbeer-Seidenraupen, von den
Eichenraupen und den Rizinusraupen, je nachdem, welche Blätter
an die Raupen verfüttert werden. Im letzten Jahr wurden 210
000 Tonnen Maulbeer-Seidenraupenkokons und mehr als 50 000
Tonnen Eichenraupenkokons erzeugt. Die letzteren machen 90
Prozent der Weltproduktion aus. Die Rizinusraupenkokons kann
man nicht abhaspeln, sondern nur in kurzen Fasern verspinnen.
In unserem Bericht gehen wir hauptsächlich auf die Geschichte
und den augenblicklichen Zustand der Maulbeer-Seidenraupenzucht
ein.
Der
Beitrag unserer Vorfahren
Die
Geschichte der Seidenraupenzucht reicht sehr weit zurück.
Die Legende schreibt der Frau des Kaisers Huang Di die Erfindung
der Seidengewinnung zu. 1899 wurden im Kreis Anyang der Provinz
Henan zusammen mit Funden aus der Shang-Dynastie (16 Jh. -
1066 v.u.Z.) über 100 000 Orakelknochen mit mehr als 1700
Schriftzeichen gefunden. Über 170 Schriftzeichen davon
beziehen sich auf die Seidenraupenzucht oder Seidenweberei.
Daher weiß man jetzt, dass in China schon in der Shang-Dynastie
Seidenraupen gezüchtet wurden. Im Jahre 1958 haben chinesische
Archäologen im Dorf Qianshanyang des Kreises Wuxing,
der Provinz Zhejiang neben anderen Dingen aus der Jungsteinzeit
Seidenbänder, Seidenfäden und Seidenstücke ausgegraben,
die man mit der Radiokarbonmethode auf ein Alter von 3310
- 135 v. u. Z. datierte. Und das heißt, dass man also
in China schon seit etwa 5000 Jahren Kokonfäden verwendet.
Lange
Zeit gab es ausschließlich in China eine Kokonproduktion,
dann gegen Ende der Yin-Dynastie auch in Korea und von dort
ausgehend dann im dritten Jahrhundert auch in Japan. Nach
dem Westen gelangte chinesische Seide über die Seidenstraße.
In der Mitte des 6. Jahrhunderts sollen Eier des Seidenspinners
nach Konstantinopel gebracht worden sein. Im 15. Jahrhundert
schließlich hatten die französischen Seidenwebereien
die führende Stellung in Europa, und heute werden in mehr
als 40 Ländern der Welt Seidenkokons produziert.
Die
Geschichte der Seidenraupenzucht in China
Fast
jeder Kaiser gab Befehle heraus, in denen er den Schwerpunkt
auf die Landwirtschaft und die Seidenraupenzucht legte. Die
Kokonproduktion stieg oder sank jeweils mit der allgemeinen
wirtschaftlichen Entwicklung.
Ursprünglich
wurden hauptsächlich im Einzugsgebiet des Huanghe (Gelber
Fluss), der kulturelle Wiege des chinesischen Volkes, in den
heutigen Provinzen Shandong und Henan, Seidenraupen gezüchtet.
Vom Ende der Östlichen Han-Dynstie (25-220) bis Anfang
der Sui-Dynastie (581-618) spielten sich in diesem Gebiet
viele Kriege ab, und so verlagerte sich das wirtschaftliche
Zentrum Chinas immer weiter nach Süden. Die Kokonproduktion
am Mittel- und Unterlauf des Changjiang-Flusses (Yangtse)
stieg rasch an. Während der Qing-Zeit (1644-1911) öffnete
die Regierung dann den Guangzhouer Hafen (Kanton), verfügte
aber gleichzeitig, dass nur wenig Seide vom Einzugsgebiet
des Changjiang-Flusses exportiert werden durfte, d.h. die
ausländischen Händler konnten nur in Guangzhou Seide
kaufen. Dies war ein starker Anreiz für das Zhujiang (Perl-Fluss)-Delta,
wo Guangzhou sich befindet. Dieses Delta wurde dann auch zu
einem der wichtigen Gebiete für die Kokonproduktion.
Lange
Zeit standen die chinesischen Seidenraupenzüchter mit ihren
Erfahrungen an erster Stelle auf der Welt, aber dann, bedingt
durch die feudale Herrschaft, die Politik der geschlossenen
Tür und die Plünderungen der ausländischen Aggressoren,
blieb die Produktion zurück, gab es kaum noch Neuerungen.
Zum Beispiel hatte Song Yingxing im Jahre 1587 schon in einem
Buch geschrieben, dass man bessere Seidenraupen durch die
Kreuzung verschiedener Rassen züchten konnte. Aber dies wurde
nicht bei der Produktion umgesetzt. Erst 1922 wurden Kreuzungensverfahren
aus Japan eingeführt.
Nach
dem Opium-Krieg von 1840 war China eine halbkoloniale und
halbfeudale Gesellschaft. 1910 wurde es von Japan bei der
Rohseiden- und Kokonproduktion überholt. Dann löste in
China ein Krieg den anderen ab, und schließlich 1949,
zum Zeitpunkt der Gründung der Volksrepublik, betrug die Kokonproduktion
nur noch 30 000 Tonnen, d.h. weniger als ein Siebtel
der Produktion von 1931.
Eine
neue Entwicklung
Nach der
Gründung des Neuen China wurden neue Richtlinien aufgestellt,
wie die Kokonproduktion entwickelt und alte Seidenraupenzuchtgebiete
ausgebaut und neue geschaffen werden sollten. Der Seidenhandel
wurde verstärkt betrieben, ein Aufkaufnetz für Kokons
vom Staat eingerichtet, der Aufkaufpreis für die Kokonfäden
wurde erhöht und den Seidenraupenzüchtern Prämien
zugeteilt, wenn sie Kokons verkauften.
Von staatlicher
Seite aus wurden Seidenraupenrassen erforscht, Versuche angestellt
und dafür gesorgt, dass die Ergebnisse auch Verbreitung fanden.
Neue
Maulbeerbaumarten entstanden, die Seidenraupenzucht wurde
verbessert, z. B. variierte man die Raumtemperatur beim Züchten.
In manchen Gebieten gibt es schon elektrische Anlagen, die
die Raumtemperatur konstant und die Maulbeerbaumblätter
feucht halten. Heute kann man auch die wichtigsten Erkrankungen
der Maulbeerbäume und der Seidenraupen verhüten bzw.
behandeln und weiß auch, wie ihre Schädlinge bekämpft
werden müssen.
Zur Zeit
gibt es bei der Hälfte der über 2000 Kreise des chinesischen
Festlandes eine Kokonproduktion. Auf einer Fläche von
400 000 ha stehen heute Maulbeerbäume. Die Kokonproduktion
pro Hektar liegt durchschnittlich bei 520 kg, ist also dreimal
so hoch wie 1949.
Mit der
Gesamtkokonproduktion liegt China seit 1970 wieder an der
Weltspitze. Aber ein Problem, das es noch zu lösen gilt,
ist die Art und Weise der Produktion, denn sowohl beim Maulbeerpflanzen
als auch bei der Seidenraupenzucht ist beinahe alles noch
manuelle Arbeit.
(Aus „China im Aufbau“,
Nr. 5, 1980)