Chinas
Religionen
Die Volksrepublik China ist ein Staat mit
vielen Religionen. Und so steht auch in der chinesischen Verfassung:
„Die Bürger haben das Recht auf Religionsfreiheit sowie die
Freiheit, sich zu keiner Religion zu bekennen und den Atheismus
zu propagieren.“ Auch unter den Abgeordneten des Volkskongresses
gibt es Vertreter verschiedener Religionsgemeinschaften, und
zwar gibt es in China die folgenden: Die Gesellschaft der
Chinesischen Buddhisten, die Gesellschaft der Chinesischen
Taoisten, die Chinesische Islamische Gesellschaft, die Patriotische
Gesellscahft der Chinesischen Katholiken und das Landeskomitee
der Protestantischen Kirche Chinas für Selbstverwaltung.
Der Buddhismus war früher die einflussreichste
Religion in China. Historischen Aufzeichnungen zufolge war
er während des 3. Jh. v. u. Z. in Nordwestchina weit
verbreitet. Im 1. Jh. erreichten dann zwei Buddhisten namens
Kasyapa-matansa und Dharma-maksa aus Tianzhu (so nannte man
in der alten Zeit Indien) via Zentralasien Luoyang, die Hauptstadt
der Östlichen Han-Dynastie (25-220), und errichteten
dort den ersten buddhistischen Tempel in China, den Weißpferd-Tempel.
Im allgemeinen betrachtet man dies als Ausgangspunkt für die
Verbreitung des Buddhismus im Binnenland. In dem von der Han-Nationalität
bewohnten Gebiet fand sich die ältere Lehre, der südliche
Buddhismus (Mahajana, „das große Fahrzeug“), in dem
das Ideal nicht nur in der eigenen Erlösung, sondern
auch in dem Sichaufopfern für andere, um sie zur Erlösung
zu führen, gesehen wird.
In Tibet, wohin im 8. Jh. der Mahajana-Buddhismus
aus Nepal gelangte, verband er sich dagegen mit der dort schon
existierenden Religion und entwickelte sich zu einer Sonderform,
dem Lamaismus. Nach und nach wurde dann der Lamaismus in Tibet
und der Mongolei dominierend.
Im 13. Jahrhundert wurde die ältere
Lehre, der südliche Buddhismus, genannt „das kleine Fahrzeug“
(Hinayana) von der Dai-Nationalität, die in Südwestchina
wohnt, angenommen.
Der Taoismus ist die eigentliche Religion
der Han-Nationalität. Im 2. Jh. wurde er von Zhang Daoling
offiziell begründet, d.h., es entstanden feste Kultformen,
organisierte Gemeinden und ein Mönchswesen, aber der
Ursprung des Taoismus reicht viel weiter zurück. Innerhalb
des Taoisumus gab es damals viele Gruppen, und Ende des 14.
Jahrhunderts entwickelten sich dann zwei große Sekten:
der Quanzhen-Taoismus, bei dem es vor allem darum ging, durch
Meditationsübungen Unsterblichkeit zu erlangen und der Zhengyi-Taoismus,
bei dem Zauberglaube und Alchemie bevorzugt wurden.
In den Gebieten, die die Han-Nationalität
bewohnt, verehrte man früher sowohl Heilige und Götter
des Taoismus als auch Buddha. Und so war es oft schwer zu
erkennen, ob jemand Buddhist oder Taoist war. Nach einer Schätzung
kurz nach der Gründung des Neuen China 1949, gab es damals
etwa 500 000 buddhistische und 8 000 taoistische
Mönche bzw. Nonnen.
Buddhismus und Taoismus haben auf die Entwicklung
der Ideologie und Kultur bzw. die Sitten und Gebräuche
im alten China großen Einfluss ausgeübt. Viele Bauten,
die bis heute noch gut erhalten sind und als Kulturschätze
betrachtet werden, erinnern noch an den Buddhismus und Taoismus,
z. B. der Weißwolken-Tempel und der Yong He Gong-Lamatempel
in Beijing, das Buddhakloster Lingyin („Einsiedelei der Geister“)
in Hangzhou, der Weißpferd-Tempel in Luoyang, die Große
Wildganspagode in Xi’an sowie der weltberühmte Potalapalast
in Lhasa. Dazu zählen auch die Höhlentempel in Dunhuang,
die Höhlentempel in Longmen bei Datong, die Höhlentempel
in Yungang bei Luoyang und andere.
In der Mitte des 7. Jahrhunderts, mit der
Entwicklung der Kontakte zwischen dem Osten und Westen, waren
islamische, arabische und persische Kaufleute nach China gekommen
und hatten Moscheen gebaut. 651 hatte ein arabischer Gesandter
dem Kaiser Gao Zong der Tang-Dynastie die islamische Lehre
und die arabischen Sitten und Gebräuche dargelegt, und
so ist für Historiker das Jahr 651 das Jahr, in dem der Islam
in China eingeführt wurde. Der Islam fand Gläubige bei
folgenden chinesischen Nationalitäten: den Hui, Uiguren,
Tataren, Kirgisen, Dongxiang, Sala und Bao’an. Heute gibt
es nahezu zehn Millionen Moslems in China.
Nach geschichtlichen Aufzeichnungen wurde
in China dreimal angesetzt, um das Christentum einzuführen.
Einige christliche Sekten kamen erstmals
im 8. Jahrhundert nach China, aber ihre Religion fand keine
große Verbreitung und verschwand in der Folge wieder.
Den zweiten Versuch, der ebenfalls erfolglos
blieb, machte der italienische Franziskanermönch Johannes
Pico von Montecorvino (1247-1328) während der Yuan-Zeit
(1271-1368) mit Predigten in Beijing.
Im Jahre 1582 missionierte dann der italienische
Jesuitenpriester Matteo Ricci (1552-1610) in China. Die katholische
Kathedrale in der Diozöse Xuanwumen in Beijing wurde
auf seinen Vorschlag und den eines weiteren Missionars namens
Johann Adam Schall von Bell (1592-1666) Anfang des 17. Jahrhunderts
errichtet.
Aber erst in den letzten hundert Jahren
gab es in China mehr Christen, und zwar zählte man zur
Zeit der Gründung der Volksrepublik China rund drei Millionen
Katholiken, 700 000 Protestanten und eine kleine Zahl von
orthodoxen Christen.
(Aus „China im Aufbau“, Nr.
5, 1980)