Spitzentreffen
der Wirtschaft
Von
Li Xia



Was hat es zu bedeuten, wenn Wirtschaftsmagnaten
zusammentreffen? Was ist es, das Stars wie Sir John Bond,
den Vorstandsvorsitzenden der HSBC Group (Hong Kong
and Shanghai Bank), Michael Treschow, den Vorstandsvorsitzenden
der Firma Ericsson, Nick Scheele, den Präsidenten und
operativen Geschäftsführer des Automobilherstellers Ford,
Gary Rogers, den Vorstandsvorsitzenden von General Electrics,
und Taizo Nishimuro, den Vorstandsvorsitzenden von Toshiba
zusammenführt? Die Antwort: das „Spitzenforum zu Chinas Entwicklung“,
das am 23. und 24. März 2003 in Beijing stattfand. Anwesend
waren ferner mehrere prominente Wirtschaftswissenschaftler,
darunter Stephen Roach, der Chefökonom der Firma Morgan
Stanley, und der Leiter des Forschungsinstituts für Transformationswirtschaften
an der Wirtschaftsuniversität Stockholm.
Eine
Plattform, wo sich in- und ausländische Unternehmer,
Wissenschaftler und Beamte austauschen
Das
„Spitzenforum zu Chinas Entwicklung“, das vom Entwicklungs-
und Forschungszentrum des Staatsrats veranstaltet wird, hat
bisher drei Jahresversammlungen und ein Fachsymposium organisiert.
Sein Ziel ist, neue Mechanismen und Kanäle für den Dialog
und den Meinungsaustausch zwischen in- und ausländischen
Unternehmern, Wissenschaftlern und Beamten einzurichten. Das
Forum sieht vor, dass zuerst chinesische Beamte die Stoßrichtung
der chinesischen Wirtschaftspolitik vorstellen und dann ausländische
Unternehmer, Wissenschaftler oder Beamte ihre Meinungen dazu
äußern und Vorschläge machen. Genauer gesagt,
halten beim „Spitzenforum zu Chinas Entwicklung“ chinesische
Minister Vorträge, die von ausländischen Experten
kommentiert werden sollen. Die Teilnehmer bilden einen kleinen
Kreis, sind aber hochrangige Vertreter ihres Fachs. Beispielsweise
müssen Vertreter aus Unternehmerkreisen mindestens stellvertretende
Generaldirektoren sein, um als Vollmitglied an der Veranstaltung
teilzunehmen. Das ist auch der Grund dafür, dass beim „Spitzenforum
zu Chinas Entwicklung“ so viele Wirtschaftsmagnaten zusammentreffen.
Zweifellos übt das wirtschaftliche Potential Chinas, eines
Landes, das sich rasch entwickelt, eine große Anziehungskraft
aus.
Das
Thema des diesjährigen „Spitzenforums zu Chinas Entwicklung“
lautete „Der umfassende Aufbau einer Gesellschaft mit bescheidenem
Wohlstand in China“, was ebenfalls das Ziel der neuen chinesischen
Regierung für die Zukunft ist. Diskutiert wurden Themen wie
„Aufbau des chinesischen Marktwirtschaftssystems“, „Schwierigkeiten
und Perspektiven der chinesischen Industrialisierung“, „Schwierigkeiten
der Urbanisierung Chinas und Gegenmaßnahmen“, „Finanzbeziehungen
zwischen der Zentralregierung und den Lokalregierungen und
die Koordination der regionalen Entwicklung“, „Chinas Informatisierungspolitik“,
„Chinas Geld- und Devisenpolitik“ und „Neue Maßnahmen
für die Erschließung der westlichen Gebiete Chinas“.
Zu Wort meldeten sich auch hohe chinesische Beamte wie der
Handelsminister Lü Fuyuan, der Aufbauminister Wang Guangtao,
der Vorsitzende der Chinesischen Volksbank Zhou Xiaochuan,
der stellvertretende Finanzminister Lou Jiwei und der Vizeleiter
des Statistischen Zentralamts Qiu Xiaohua.
Dem Bauernproblem
besondere Aufmerksamkeit schenken
Um
eine Gesellschaft mit bescheidenem Wohlstand zu verwirklichen,
muss man den 900 Mio. Bauern Chinas besondere Aufmerksamkeit
schenken. Denn sie machen den größten Anteil an
der gesamten Bevölkerung von 1,3 Mrd. aus. Allen chinesischen
Bauern ein Leben in bescheidenem Wohlstand zu erlauben, ist
eine schwierige Aufgabe, aber sie muss dennoch gemeistert
werden. So äußerten sich bei der diesjährigen
Jahresversammlung des „Spitzenforums zu Chinas Entwicklung“
viele Teilnehmer zum Bauernproblem. Die Urbanisierung ist
eine der Lösungen des Bauernproblems. Der Aufbauminister
Wang Guangtao sagte: „Die Verlegung der überschüssigen ländlichen
Arbeitskräfte in die Städte ist für die Umstrukturierung
der Produktion, die wirtschaftliche und gesellschaftliche
Entwicklung der ländlichen Gebiete, die Erhöhung
des Niveaus der bäuerlichen Bevölkerung und des
Lebensstandards der Bauern und die Steigerung der inländischen
Nachfrage vorteilhaft.“
Dwight
Perkins, der Leiter des Asienzentrums an der Harvard University,
meinte: „Man muss die Herausforderung, dass Bauern in die
Stadt kommen, annehmen.“ Seiner Meinung nach sei es aber nicht
leicht, eine Lösung für diese Herausforderung zu finden.
Er schlug vor, „große Bemühungen zu unternehmen, um
allen neuen Zuwanderern in den Städten die gleichen Einrichtungen
zur Verfügung zu stellen, die den städtischen Einwohnern
angeboten werden“. Gleichzeitig zeigte er aber auf, dass die
vorgeschlagene Methode zwei Probleme hat. Erstens werde sie
durch die weitere Vergrößerung des gegenwärtigen
Unterschieds zwischen Stadt und Land beim Lebensniveau die
Landflucht noch beschleunigen; zweitens entstünden dadurch
riesige Kosten. Die durchschnittlichen Pro-Kopf-Ausgaben für
den Wohnungsbau betragen bei städtischen Einwohnern ungefähr
160 000 Yuan. Daraus könne man errechnen, wie viel Geld
für die Unterbringung von 200 Mio. Zuwandererfamilien nötig
sein werde, von der übrigen städtischen Infrastruktur,
wie Schulen und sanitären Einrichtungen, ganz zu schweigen.
Sollte die Regierung dies aus dem Staatshaushalt finanzieren,
würde kaum etwas übrig bleiben. So ermahnte Dwight Perkins,
die Regierung solle entscheiden, welche Investitionen in diesem
Bereich bevorzugt und welche zurückgestellt werden sollten,
bis mehr Mittel vorhanden seien. Als positiven Punkt vermerkte
er andererseits, dass die Einwanderung der Bauern in die Städte
die einfach ausgestatteten Wohnhäuser und die Infrastruktur
in großem Ausmaß in Anspruch nehmen werde. Das
werde zum Aufbau im großen Umfang führen, was bedeute,
dass sich China während längerer Zeit nicht vor
Deflation zu fürchten brauche.
Der
Aufbauminister Wang Guangtao betonte in seiner Rede, dass
eine korrekte Einschätzung der Funktion der Zuwanderung
von Bauern für die Urbanisierung nötig sei und die Regierung
die Entwicklung aktiv anleiten solle, um Missstände zu
vermeiden, die eine ungesteuerte Bevölkerungswanderung
verursacht.
Schwierigkeiten
und Perspektiven der Industrialisierung
Die
Staatliche Kommission für Entwicklung und Reform wurde erst
kürzlich gegründet. Beim „Spitzenforum zu Chinas Entwicklung“
sprach der Vizeleiter dieser Kommission, Wang Chunzheng, über
die Schwierigkeiten und Perspektiven der chinesischen Industrialisierung.
Er sagte: „China muss einen neuen Industrialisierungsweg gehen,
der sich durch einen hohen wissenschaftlich-technischen Gehalt,
eine hohe wirtschaftliche Effizienz, einen niedrigen Ressourcenverbrauch
und eine geringe Umweltverschmutzung auszeichnet. Außerdem
sollen dabei die Personalressourcen voll zur Entfaltung gebracht
werden. In der Tat bereitet es sehr große Schwierigkeiten,
dieses Ziel zu erreichen.“ Diese Schwierigkeiten umfassten
den Mangel an Technik und Fachkräften, ökologische
Probleme und die Entwicklung der Dienstleistungsbetriebe.
Mit der Beschleunigung der Industrialisierung und der Erhöhung
des Urbanisierungsgrads ländlicher Gebiete werde sich
die Dienstleistungsbranche schnell entwickeln und ihren Anteil
am BIP ebenfalls erhöhen.
Große
Probleme bei der Industrialisierung des neuen Typs bereitet
das Einkommen der Bauern. Die Industrialisierung wird dazu
führen, dass Bauern in großer Anzahl in die Städte
und in den Industriesektor strömen. Nach Wang Chunzhengs
Meinung soll man besonderen Wert auf die Entwicklung der mittleren
und kleinen Betriebe, einschließlich der Privatunternehmen,
legen. Erst damit könne das Urbanisierungstempo der ländlichen
Gebiete beschleunigt werden, und so könnten auch mehr
Arbeitskräfte aufgenommen werden, was in Zukunft entscheidend
sein wird, um die Einkommen der Bauern zu erhöhen.
Nick
Scheele betonte, die Förderung der wirtschaftlichen Entwicklung
eines Staates und die Verbesserung der Wohlfahrt des Volkes
durch die Industrialisierung müssten vor allem durch die technische
Industrie erfolgen, womit er im Großen und Ganzen mit
Wang Chunzhengs Meinung übereinstimmt. Nick Scheele sagte:
„Ich spreche immer gern über die Funktion der Industrie in
der wirtschaftlichen Entwicklung eines Staates. Chinas Plan,
eine Gesellschaft mit bescheidenem Wohlstand aufzubauen, ist
angesichts seiner Wirtschaft und der Lebensweise der Chinesen
vernünftig und zeitgerecht. Historische Erfahrungen beweisen,
dass Länder, die sich von der wirtschaftlichen Einseitigkeit
gelöst haben, stabiler sind.“ Seiner Meinung nach kann
eine herstellende Industrie mit komplexen Technologien sowohl
in wirtschaftlicher als auch gesellschaftlicher Hinsicht das
Land bereichern und dem Volk Nutzen bringen, und zwar aus
mehreren Gründen: Erstens sei eine herstellende Industrie
mit komplexen Technologien für China, das heute so großen
Wert darauf legt, vom Ausland zu lernen, nicht nur notwendig,
sondern auch ein guter Brutkasten. Jetzt sei der richtige
Zeitpunkt für die Verbindung der Produktion von Hightech-Konsumgütern
mit dem Aufbau einer Gesellschaft mit bescheidenem Wohlstand.
Zweitens bestehe ein wichtiger Vorteil von Produkten mit fortgeschrittenen
Technologien darin, dass sie auch weit außerhalb der
Fabrik Gelegenheiten schaffen. Beispielsweise schafft in Nordamerika
jede Stelle bei einem Automobilproduzenten rund sieben Stellen
bei Lieferanten. Drittens sei diese Multiplikationswirkung
nicht nur für die Beschäftigungslage, sondern auch für
die Entwicklung anderer Branchen nützlich. Denn ein Produkt
mit komplexer Technologie enthalte normalerweise andere Produkte
mit ebenfalls komplexen Technologien. Beispielsweise hätten
ein Auto, ein Mikrowellen-Ofen, eine Stereoanlage und ein
Telefon Gemeinsamkeit, dass sie Computer- oder Computer-Chip-Technik
einsetzen. Viertens könne die Entwicklung der Infrastruktur
gefördert werden. Beispielsweise werde zur Zeit parallel
zur steigenden Anzahl privater Autos das Straßennetz
in China in allen Landesteilen ausgebaut. Nick Scheele fügte
noch an, dass sich China genau zum richtigen Zeitpunkt an
den großen Umwälzungen der Gegenwart beteiligte.
Auf
den ersten drei Tagungen des „Spitzenforums zu Chinas Entwicklung“
traf der Ex-Ministerpräsident Zhu Rongji mit den Teilnehmern
zusammen. Bei der diesjährigen Versammlung fiel diese
Rolle der neu gewählten stellvertretenden Ministerpräsidentin
Wu Yi zu. Wu Yis Rede kann als Zusammenfassung der Ziele und
der Funktion des Spitzenforums gelten: „In einem Land wie
China, das wirtschaftlich und kulturell noch rückständig
ist und sich noch immer unausgeglichen entwickelt, ist es
eine sehr schwierige, historische Aufgabe, eine Gesellschaft
mit bescheidenem Wohlstand allseitig aufzubauen und die Modernisierung
zu verwirklichen. Dabei werden wir mit vielen Problemen konfrontiert
sein. Trotzdem sind die chinesische Regierung und das chinesische
Volk voller Zuversicht und auch in der Lage, verschiedene
Schwierigkeiten zu überwinden und alle möglichen Probleme,
die beim Voranschreiten auftreten könnten, zu lösen.
Während wir dabei unsere Erfahrungen gewissenhaft zusammenfassen
und daraus Lehren ziehen, finden wir es auch notwendig, den
internationalen Austausch umfangreich zur Entfaltung zu bringen
und internationale Erfahrungen ernsthaft als Beispiel heranzuziehen.
Das ‚Spitzenforum zu Chinas Entwicklung‘ bietet uns eine gute
Plattform, Meinungen auszutauschen. Ich hoffe aufrichtig,
dass die zu diesem Spitzenforum eingeladenen in- und ausländischen
Freunde gründlich über die betreffenden Probleme diskutieren,
kritische Meinungen äußern und Vorschläge
machen. Das ist für ein verbessertes gegenseitiges Verständnis
zwischen der Welt und China von Nutzen.“