Pudong
macht sechs Schritte,
wenn
die Welt einen macht
Von
Shen Honglei und Wu Xinyi
Die
in Beijing erscheinende Economic Daily führte kürzlich die Schlagzeile „China macht drei Schritte,
während die Welt einen macht“ – eine Beobachtung über Chinas
Wirtschaftswachstum. Mit einem jährlichen BIP-Zuwachs von
16% schreitet Pudong gar mit der doppelten Geschwindigkeit voran.
Dieses phänomenale Wachstum bewegte uns dazu, Pudong zum
Schwerpunkt dieser Ausgabe zu machen.
– Red.
Shanghai
liegt an Chinas Ostküste, mit Blick auf den Pazifischen Ozean.
19 Bezirke und ein Kreis unterliegen seiner Verwaltung.
Schon
vor der Ankunft der westlichen Mächte war Shanghai eine
blühende Küstenstadt. 1843 wurde es durch die ausländischen
Mächte zur Öffnung gezwungen. Diese führten auf der
ganzen Länge ihres zehn Kilometer umfassenden Konzessionsgebiets
zeitgemäße Praktiken in Handel und Finanz ein. Die
34 Bankgebäude am Bund sind Monumente der Finanzgeschichte
Shanghais und erinnern an seine Stellung als Handels- und Finanzzentrum
des Fernen Ostens.
Während
des letzten Jahrhunderts behielt Shanghai seinen Status als
finanzieller Motor Chinas bei und war der wirtschaftliche Gradmesser
des Landes. Am 18. April 1990 gab die chinesische Regierung
die Absicht bekannt, Pudong zu erschließen und für ausländische
Investitionen zu öffnen. Dieser Entscheid setzte Shanghai
bei Reformen und Öffnung an die vorderste Front. Der Stadt
wurde die strategische Führung im Jangtze-Delta zugesprochen
und sie zu Chinas Wirtschafts-, Finanz- und Handelszentrum erklärt.
Shanghai breitete mit Pudong seine Flügel aus.
Shanghais
Höhenflug
Die ersten
Früchte der Industriellen Revolution in Europa und in Nordamerika
wurden in den 20er und 30er Jahren des 19. Jh. in Shanghai eingeführt,
und später wurden Schiffswerften und Spinnereien gegründet.
Shanghai spielte eine führende Rolle beim Übergang von
mittelalterlichen Manufakturen zu einer modernen Industrie in
China und etablierte sich als Hafenstadt von internationalem
Rang. Nach der Gründung des Neuen China blieb Shanghai eine
wichtige Industriestadt und leistete in den Bereichen von Finanz,
Kapitalbildung und Technologie einen wesentlichen Beitrag zur
Nationalökonomie. Während vieler Jahre lieferte die
Stadt ein Siebtel der Staatseinnahmen.
In
den 80er Jahren wurden vier Küstenstädte zu Versuchsgebieten
für Chinas Reformen und Öffnung erklärt. Shenzhen,
eine der vier Sonderwirtschaftszonen, stieg in der Folge zur
wirtschaftlich aktivsten Stadt in China auf.
Zehn Jahre
später, als Shenzhen mit seinem Entwicklungstempo alle
Erwartungen übertraf, sah sich Shanghai der größten
Herausforderung gegenüber. Seine industrielle Ausrüstung war
entweder in schlechtem Zustand oder veraltet und der Wohnraum
zu knapp. Die Leute in Shanghai wollten Fortschritt, aber ihrer
alten Stadt mangelte es am nötigen Spielraum dafür.
Shanghai
versuchte mit dem Bau zweier Stahlwerke in Baoshan eine Expansion
nach Norden. Doch jenes Gebiet ist durch seine unmittelbare
Nähe zum Jangtze stark beschränkt. Hinter dem westlichen
Verwaltungsgebiet von Shanhai liegen die Provinzen Jiangsu und
Zhejiang. Obwohl wirtschaftlich entwickelt, lagen sie für Shanghais
Bedürfnisse zu weit vom Meer entfernt. Die dritte Entwicklungsalternative
lag am gegenüberliegenden Ufer des Huangpu, in Pudong.
Am Ostufer
des Huangpu gelegen, nimmt Pudong eine Fläche von 522 km²
ein – einem Zwölftel von Shanghai. In der Vergangenheit
bezeichnete „Pudong“ ganz allgemein das Gebiet östlich
des Huangpu, während die alte Stadt im Westen „Puxi“ genannt
wurde. Auf keiner Karte waren diese beiden Bezeichnungen zu
finden. Der 114 km lange Huangpu ist Shanghais wichtigster Wasserlauf.
Er fließt von Südwesten in die Stadt, durchquert das eigentliche
Stadtgebiet und mündet bei Wusongkou im Osten Shanghais in den
Jangtze.
Ursprünglich
gab es weder Brücken noch Tunnels, welche vom westlichen Ufer
des Huangpu über den Fluss führten. So blieb Pudong, obwohl
in Sichtweite des blühenden Bunds und der Nanjing Lu, Shanghais
Einkaufsmeile Nr. 1, wirtschaftlich unterentwickelt. An seinen
Ufern standen jedoch Kais, Fabriken und Lagerhäuser. In
den 90er Jahren entstanden in Pudong über 1000 Industrieunternehmen
mit einem Ausstoß im Wert von knapp 20 Mrd. Yuan, doch
das Gesamtbild wurde weiterhin von der Landwirtschaft geprägt.
Der
Entscheid der Zentralregierung zur Erschließung Pudongs
ließ den Neuen Bezirk auf die siebenfache Größe
des alten Stadtgebiets in Puxi anwachsen. Er umfasst heute fast
das gesamte Gebiet östlich des Huangpu. Ein ausländischer
Investor bemerkte dazu: „Shanghai steht auf festem Grund, und
darüber hinaus ist es mit dem Neuland von Pudong gesegnet. Es
ist sehr selten, dass eine Großstadt über Landreserven
in diesem Ausmaß verfügt. Dadurch wird Shanghai für Investoren
zweifelsohne sehr attraktiv werden.“
Nachfolgend
einige Fakten zu Pudong und Meilensteine in seiner Entwicklung:
Das
erste Jahr der Erschließung Pudongs wurde zu Shanghais
„Jahr der Finanz“ erklärt. Heute sind über 3300 einheimische
und ausländische Finanzunternehmen in der Stadt vertreten,
und 80% der 50 weltweit führenden Banken haben eine Zweigstelle
in Shanghai.
In Pudong
stehen der Jinmao-Tower, eines der höchsten Gebäude
in Asien, und der Oriental-Pearl-Fernsehturm, der höchste
in China. Ebenfalls in Pudong befinden sich die Erschließungszone
für Finanz und Handel Lujiazui, die Exportumschlagszone Jinqiao,
die Freihandelszone Waigaoqiao und der Hochtechnologie-Park
Zhangjiang.
Seit dem
Jahr 2000 trägt der tertiäre Sektor mehr als die Hälfte
zum BIP der Stadt bei. Dies ist ein Anzeichen dafür, dass Shanghai
dem Ziel, ein Wirtschafts-, Finanz- und Handelszentrum zu werden,
einen Schritt näher gekommen ist. Pudong ist zu einem wichtigen
Knoten der Weltwirtschaft geworden.
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