Lianyungang,
eine sagenumwobene Stadt
Von
Qian Chunyuan, Gong Ming und Zhang Shuping
Im
Juli 2002 brachte die Ausgrabung eines über 2000 Jahre alten
Grabs aus der Han-Dynastie (206 v. Chr. – 220 n. Chr.) bei
Lianyungang in der Provinz Jiangsu eine Sensation: Es wurde
eine weibliche Leiche freigelegt, die so gut erhalten ist,
dass sie der in den 70er Jahren entdeckten, weltweites Aufsehen
erregenden Leiche aus dem Mawangdui-Grab aus der Westlichen
Han-Dynastie (206 v. Chr. – 24 n. Chr.) in Changsha, Provinz Hunan, in nichts
nachsteht. Die neu entdeckte Leiche lag in einer Flüssigkeit
im Sarg. Die Archäologen bezeichneten das als Wunder.
Die berühmten Experten, die an einem Bildnis der Leiche von
Mawangdui gearbeitet hatten, nahmen die Restaurierungsarbeiten
gleich auf und stellten eine lebendig wirkende, anmutige Gestalt
wieder her, die der Hofdame von Mawangdui ebenbürtig ist.
Nachforschungen ergaben, dass die Frau Ling
Huiping hieß. Sie hätte wohl im Traum nicht gedacht,
dass sie ihre Heimatstadt, die als Reiseort bereits einen
Namen hat, um eine zusätzliche Attraktion bereichern
würde. Zahlreiche Experten und Touristen besuchten das Stadtmuseum
von Lianyungang, um sich den jahrtausendealten Leichnam anzusehen.
Die Stadt Lianyungang befindet sich am östlichen
Ende der eurasischen „Eisenbahn-Landbrücke“ – das westliche
Ende bildet Rotterdam. Eine Reise nach Lianyungang lohnt sich
nicht nur wegen der im letzten Jahr entdeckten Schönheit,
sondern auch wegen seiner anderen historisch bedeutenden Kulturstätten.
Man merkt gleich, dass sich in der Stadt ein reicher Kulturgehalt
verbirgt und sie ein mysteriöser Hauch umweht.
Die „Himmelsschrift des Ostens“
Vor etwa 7000 Jahren war im heutigen Lianyungang
ein Stamm namens Dongyi Shaohao ansässig, der den Vogel
als Vorfahren verehrte. So wurde der Vogel das Totem dieses
Stammes.
Dieser
Stamm hinterließ die bekannte Felsenmalerei auf der
Jiangjun-Felswand am Jinping-Berg. Diese Bilder werden als
„Himmelsschrift des Ostens“ bezeichnet und sind die ältesten
Felsenmalereien Chinas. Sie sind auf einer Fläche von
rund 22 auf 15 m in schwarzen Felsen eingeritzt. Die Malereien
bestehen aus drei Bildergruppen: In der einen, 6,23 m langen
und durch drei kurze Striche getrennten Bildergruppe sind
die Sonne, der Mond und die Sterne so von oben nach unten
angeordnet, dass sie den Eindruck der glitzernden Milchstraße
erwecken. Die Sternenkonstellation zeigt wechselnde Himmelsbilder
mit drei Sonnen, deren Mittelpunkte genau einen rechten Winkel
bilden. Aus dieser Konstellation lassen sich die Winter- und
die Sommersonnenwende erschließen. In der Felsenmalerei
gibt es überdies eine Linie, welche direkt zum zentralen Opferaltar
führt und parallel zum Meridian verläuft. Achäologen
sind der Auffassung, dass es sich bei dieser Felsenmalerei
um die älteste Sternenkarte Chinas handelt und sie damit
eine große Entdeckung der vorgeschichtlichen Astronomie
darstellt. Ihre Abreibungen liegen heute in der Alten Sternwarte
in Beijing, und eine Nachbildung wurde auf der Astronomischen
Weltausstellung in Belgien ausgestellt.
Der Felsenmalerei kulturhistorisch ebenbürtig
sind die buddhistischen Felsskulpturen auf dem Kongwang-Berg,
4 km vom Stadtzentrum von Lianyungang entfernt. Der Name des
Bergs (wörtl. „Konfuzius hält Ausschau“) rührt daher,
dass Konfuzius ihn vor 2500 Jahren bestieg, um das Meer zu
betrachten. Auf diesem Berg steht das berühmte, über 1400
Jahre alte buddhistische Nonnenkloster Longdong aus der Nördlichen
Qi-Dynastie (550–577). Geht man vom Kloster aus 200 m dem
mit Steinplatten belegten Weg entlang nach Westen, erreicht
man die buddhistischen Skulpturen, die unter höchstem
staatlichem Denkmalschutz stehen.
In der 17 m langen und 8 m hohen Felswand
sind über 100 Skulpturen eingehauen. Die größte
Gestalt ist 1,54 m hoch und die kleinste 10 cm. Die Kunstwerke
decken ein breites Spektrum buddhistischer Motive ab, darunter
Darstellungen des Nirwana, buddhistischer Geschichten sowie
von Buddhafiguren in sitzender und stehender Stellung. Diese
buddhistischen Skulpturen gelten als die frühesten buddhistischen
Skulpturen Chinas. Sie entstanden 200 Jahre vor den berühmten
Grotten in Dunhuang und sind ein überzeugender Beweis dafür,
dass der indische Buddhismus über den Seeweg nach China eingeführt
wurde.
Lianyungang
war aber auch in anderer Hinsicht ein bedeutender historischer
Ort. Schlägt man ein Geschichtsbuch auf, so liest man,
dass eine Reihe bedeutender Persönlichkeiten hier ihre
Spuren hinterlassen haben.
Eine davon war Xu Fu, den Kaiser Qinshihuang,
der erste Kaiser Chinas, mit dreitausend Knaben und Mädchen
von hier aus auf die Suche nach einem Elixier für die Unsterblichkeit
entsandte. Er kehrte nie zurück. Japanischen Geschichtsbüchern
und volkstümlichen Überlieferungen zufolge erreichte
er Kyushu in Japan. Dort verbreitete er Techniken zum Reisanbau,
zur Raupenzucht, Salzgewinnung und Eisenverhüttung und leistete
bedeutende Beiträge zur Kulturentwicklung in Japan. Er
wird als Pionier der Überwindung des Ostchinesischen
Meers heute noch vom japanischen Volk verehrt.
Lianyungang bildete den östlichen Endpunkt
von Qinshihuangs Suche. Noch heute kann man am südwestlichen
Ufer der Insel Qinshan im Kreis Ganyu bei Ebbe einen rund
2 km langen Steinpfad erkennen, der ins Meer führt. Dieser
berühmte Weg erinnert an die Schritte des ersten Kaisers.
mehr...