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Ione Kramer
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bbbbbbbbb xxxxxxxxbbbbbbMonatszeitschrift Chinas
Januar 200250n
Ione Kramer

Von Liu Zongren

Im Jahre 1965, ich hatte gerade einen sechsjährigen Militärdienst und einen 15-monatigen Intensivkurs Englisch absolviert, wurde mir eine Stelle bei „China Reconstructs“, jetzt „China Today“, zugeteilt. Man wies mir einen Schreibtisch in der äußersten Ecke eines Büros zu, wo ich jeden Tag Schreibmachine übte.

Hier arbeiteten außer mir noch acht weitere Personen – fünf Chinesen und drei Ausländer, darunter ein Amerikaner, eine Amerikanerin und eine Britin. Später lernte ich sie mit Namen kennen: Israel Epstein, ein Freund von Sung Tjing-ling (Mme. Sun Yat-sen, Gründerin von „China Recontructs“ und ehemalige Ehrenvorsitzende der Volksrepublik China), und Mitbegründer unseres Magazins; Epsteins Frau Elsie Fairfax-Cholmely, die aus einer prominenten britischen Familie stammte; und die Amerikanerin Ione Kramer.

Ich saß Tag für Tag Maschine schreibend in meiner Ecke, während meine chinesischen Kollegen, über ihre Schreibmschinen gebeugt, vom Chinesischen ins Englische übersetzten und die drei Ausländer die Übersetzungen redigierten. Um unseren ausländischen Kollegen die Kommunikation zu erleichtern, wurde im Büro nur Englisch gesprochen. Ich jedoch brachte selbst nach dem Intensivkurs keinen einzigen englischen Satz korrekt über die Lippen. Ich hatte keine Ahnung, über was man sprach und fühlte mich lange Zeit ausgeschlossen und niedergeschlagen.

Auch war ich von der Anwesenheit so vieler Ausländer auf engem Raum eingeschüchtert; von Personen, die ein Dienstwagen zum Büro brachte und wieder abholte, was zu dieser Zeit ein Privileg war, das nur hohen Funktionären zustand.

Eines Tages kam Ione Kramer zu mir und fragte mich: „Liu, können wir uns unterhalten?“ „Was?“ gab ich zurück und ein Gefühl der Panik ergriff mich: „Aber mein Englisch ist doch so schlecht“, protestierte ich und versuchte mein Bestes, jede Silbe korrekt auszusprechen. „Darüber mache dir mal keine großen Sorgen“, sagte sie. „Das wichtigste ist: Du brauchst mehr Übung. Wenn es dir recht ist, dann komme doch eine halbe Stunde früher ins Büro und ich helfe dir bei der Aussprache.“ Das war mir natürlich vollkommen recht.

Meine Einzelsitzungen mit ihr begannen am nächsten Tag. Iones Ehemann war damals Professor an der Qinghua-Universität und so lebte sie mit ihrer Familie auf dem Campus. Bis zu diesem Tag fuhr sie mit dem Fahhrad zum Freundschaftshotel (in dem die meisten ausländischen Experten wohnten), von wo sie dann der Dienstbus zur Arbeit brachte. Nun musste sie den ganzen Weg mit dem Fahrrad fahren: Eine Stunde durch Beijings kalten und eisig-windigen Winter.

Ione hatte sich verschiedene Pläne zur Verbesserung meines Englisch zurechtgelegt, aber die politischen Unruhen jener Zeit machten alles zunichte. Um das Jahr 1970 herum wurde ihr Mann fälschlicherweise der Spionage angeklagt und Ione wurde unter Hausarrest gestellt. Beide wurden jedoch 1978 rehabilitiert und Ione kehrte an ihren alten Arbeitsplatz zurück. Sie blieb trotz allem, was sie durchgemacht hatte, überzeugt und engagiert. Sie kümmerte sich wie immer in herzlicher Weise um uns junge und unerfahrene Übersetzer, besonders um mich.

Zu dieser Zeit hatte ich meine Englischkenntnisse soweit verbessert, dass ich einfaches Korrekturenlesen machen konnte – Wort für Wort verglich ich das Manuskript mit dem Fahnenabzug. Ione gab mir wieder Einzelunterricht. Gelegentlich fand ich kurze chinesische Texte, die ich übungshalber ins Englische übersetze und die von Ione korrigiert wurden, obwohl sie sie nicht zur Veröffentlichung vorgesehen waren. Nach und nach verbesserte sich mein Englisch, mein Selbstbewusstsein stieg.

1980 nahm ich an einem von der Regierung ausgeschriebenen Test teil und gewann ein zweijähriges Stipendium in den USA. Ich fasste die Gelegenheit beim Schopf und verbesserte meine Sprachkenntnisse erheblich. Ione gratulierte mir herzlich dazu. Ich unterließ es, mich bei ihr zu bedanken, denn ich wusste, dass sie es nicht erwartete.

Ione Kramer ist vor vielen Jahren in den Ruhestand getreten und lebt heute mit ihrem Mann und zwei Söhnen in den Staaten. Vor zwei Jahren kam sie nach Beijing und lud mich zum Essen ins Freundschaftshotel ein. Ich wollte die Rechnung begleichen, unterließ es dann aber doch. Obwohl ich damals schon 58 war, wusste ich, dass ich für Ione immer ein Schüler bleiben würde: Ein junger Neuling, der gerade auf der untersten Sprosse der Karriereleiter stand, mit einem Gehalt, das kaum dazu reicht, um über die Runden zu kommen.

Anmerkung: Ione Kramer kam im September 1955 mit ihrem chinesischen Ehemann nach Beijing und nahm im Dezember des gleichen Jahres ihre Arbeit als Lektorin in der englischen Abteilung von „China Reconstructs“ auf. 1986, nach 31-jähriger Tätigkeit für unsere Zeitschrift, kehrte sie in die USA zurück.

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