Ein
Spanier in Beijing
Von
Yao Bei
He
Liou (Oriol), unser ausländische Experte, ist seit
fünf Jahren mein Kollege. Er ist mit einer Chinesin verheiratet
und hat eine reizende kleine Tochter. Er ist gar nicht so, wie
man sich gemeinhin einen typischen Spanier vorstellt. Oriol
hat ein ruhiges und freundliches Wesen, sein Lächeln ist
herzlich und warm.
Wenn er sich daran erinnert, wie er seine
Frau kennengelernt hat, sagt Oriol sehr ernst Destino,
um dann hinzuzufügen: So würden es wohl die
Chinesen sagen.
Es ereignete sich an einem Tag, da eine Party
für spanische Experten im Freundschaftshotel, wo die meisten
ausländischen Experten wohnen, stattfand. Oriol wollte
erst gar nicht teilnehmen, selbst wenn ich die Frau meines
Lebens treffen würde. Aber wie das Schicksal so spielt:
Er ging doch hin und traf sie die Frau seines Lebens.
Sie verabredeten telefonisch, sich auf halbem
Wege ihrer Wohnorte, am Eingang der Sporthalle im Dorf der Asiatischen
Spiele wiederzusehen. Obwohl beide spanisch sprachen, wartete
Oriol vergeblich am vereinbarten Treffpunkt, bis er erkannte,
dass man sich wohl missverstanden hatte, und eilte zum anderen
Treffpunkt. Doch sie war nicht mehr da. Das war das erste einer
Reihe von Missverständnissen angesichts unterschiedlicher
Kulturen und Sprachen.
So
etwas ereignete sich häufig, auch dann noch, als sie sich
später regelmäßiger sahen. Manchmal machte eine
ohne böse Absicht vorgetragene Äußerung des
einen den anderen wütend, was den ersten wiederum völlig
verblüffte. Da Oriol kein Chinesisch kann, unterhalten
sich die beiden in Spanisch. Verständlicherweise ermüdet
es Oriols Frau, über längere Zeit in einer anderen
als ihrer Muttersprache zu sprechen.
Da sie nach ihrer Heirat weiterhin im Freundschaftshotel
lebten, wo das Englischniveau der Angestellten nicht besonders
hoch ist, war Oriol selbst bei elementaren Angelegenheiten auf
die Vermittlung durch seine Frau angewiesen.
Ich freue mich immer sehr, wenn Oriols zweijährige
Tochter Jennie in unser Büro kommt. Ihre Lebendigkeit und
ihre guten Manieren zeigen den guten Erziehungsstil und das
enge Verhältnis der Eltern. Sie ist ein ganz liebenswertes
kleines Mädchen, das mit etwas Ermunterung mit Hingabe
singt und tanzt. Einige Kollegen scherzen schon, dass sie gerne
ihre Söhne mit der Kleinen verloben würden.
Jennie liebt es, auf Oriols Schoß zu
sitzen, und ihm zu helfen, im Computer den Cartoon von Schneewittchen
und die sieben Zwerge zu finden. Sie spricht mit ihrem
Vater spanisch und mit uns chinesisch. Reden wir sie auf spanisch
an, so schaut sie uns groß an und sagt nichts. Das liegt
wohl daran, dass sie uns dann mit ihrer Mutter assoziiert, mit
der sie ausschließlich chinesisch spricht.
Oriol
sagt, dass er sich 1996 anfangs wie in einem Traum gefühlt
habe und dass es seine Zeit gebraucht habe, sich an alles zu
gewöhnen. Dann sah er aber zu seiner Erleichterung, dass
die Menschen hier genauso sind wie überall: Auch sie werden
mal böse, streiten sich, haben Spaß und freuen sich,
mit ihren Kindern zu spielen. Zwei Jahre später, als sein
Vertrag ausgelaufen war und er mit seiner Frau nach Spanien
zurückkehrte, fühlte er sich wie ein Fremder, wenn
er durch die Strassen von Barcelona schlenderte.
Oriol nimmt sein Mittagsgeschirr und geht
mit uns in die Kantine. Er erscheint mir als ein Chinese, der
kein Chinesisch kann.
Gestern rief er einen Freund an und erzählte
ihm: Ich lerne jetzt Chinesisch, aber meine Frau ist ein
bisschen ungeduldig mit mir! Naja, leichte Kommunikationsprobleme,
wie sie in jeder Familie ab und zu vorkommen.