Das
schwierige Geschäft mit der
modernen Kunst in China
Von
Xiao Lin
IM
Westen spielt die moderne Kunst im Alltagsleben eine wichtige
Rolle und wird auch häufig von der Regierung finanziell
unterstützt. Chinas erste von der Regierung unterstützte
internationale Ausstellung moderner Kunst fand erst vor
kurzem in der Galerie Shanghais statt. Sie dauerte drei
Monate. Die Stadtregierung Shanghais wollte durch diese
internationale Ausstellung ihre positive Einstellung zur
modernen Kunst demonstrieren. Schon vorher waren in Shanghai
zwei solche Ausstellungen veranstaltet worden, allerdings
mit nur geringem Erfolg.
Diesmal
wurden Werke der Ölmalerei, der traditionellen chinesischen
Malerei, Graphik, Bildhauerei und Fotografie von Künstlern
aus 18 Ländern ausgestellt.
Das
Ereignis wurde von der Presse mit Worten wie "Wendepunkt",
"Markstein" und "Ereignis von symbolischer
Bedeutung" begleitet. Allerdings gab es auch verschiedentlich
Kritik.
Austausch
zwischen Ost und West
Die
moderne Kunst stieß vor rund 20 Jahren nach China vor. Anfangs
kopierten chinesische Künstler einfach westliche Werke,
doch seit Beginn der 90er Jahre werden auch viele eigene
Werke geschaffen. Da manche moderne chinesische Künstler
heute im Ausland leben, kann man auch bei internationalen
Kunstausstellungen immer mehr von Chinesen geschaffene Werke
sehen. Solche modernen Werke östlicher Prägung finden nicht
wenige Liebhaber. So fand in Bonn bereits eine Kunstausstellung
mit ausschließlich chinesischen Werken statt. Dafür wurden
Werke chinesischer Künstler, die in China verboten sind,
ausgewählt. Doch leider wurde die chinesische Kultur den
Leuten vor allem vermittels solcher Metaphern wie das lange
Männergewand, die in der Mitte geknöpfte Jacke und eine
Schuluniform aus den 30er Jahren vorgestellt. Dadurch wurde
etwas ausschließlich Passives betont, worüber man sich lustig
machen kann. Allerdings darf man nicht vergessen, daß die
chinesischen Künstler auf den ausländischen Geschmack eingehen
müssen, um akzeptiert zu werden bzw. um Geld zu verdienen.
Um
sich mit der ausländischen Künstlerszene auf eine gesunde
Weise austauschen zu können, haben moderne chinesische Künstler
inzwischen die Unterstützung der Regierung für sich gewonnen.
So kam es zu dieser Ausstellung in Shanghai. Einer ihrer
Planer, Hou Hanru aus Frankreich, erklärte, daß dabei die
westlichen Werke geistig mit der traditionellen chinesischen
Kunst verbunden sein sollten. So fand man im Erdgeschoß
des Ausstellungsgebäudes ein Hausmodell im westlichen Baustil,
das an die einst am Bund gelegene Shanghai & Hongkong
Bank erinnerte und mit seinem modernen Hintergrund kontrastierte.
Der Künstler Huang Yongping wollte damit die Einflüsse des
Neokolonialismus und der Wirtschaftsglobalisierung auf China
zum Ausdruck bringen. Bei italienischen Bildhauerarbeiten
mit den Titeln "Sterbender Sklave" und "Diskuswerfer"
fand man etwas Neues, denn beide Figuren trugen Sun Yatsen-Anzüge.
Dialog
zwischen Künstlern und Regierung
In
China gilt Beijing als Ursprungsort der modernen chinesischen
Kunst. Viele Künstler leben abgeschieden in einem westlichen
Vorort der Stadt. 1989 fand in der Chinesischen Galerie
eine Ausstellung moderner Kunst statt. Doch bei der Eröffnungsfeier
schoß ein Künstler mit einer Pistole auf eine Telefonzelle,
und diese eigenwillige Form der Ausstellungseröffnung fand
so gar nicht den Beifall der Regierung.
Danach
ist Shanghai allmählich zu einem weiteren Zentrum der modernen
Kunst geworden. Diese internationale Metropole spielt im
Austausch zwischen China und dem Ausland eine bedeutende
Rolle und kann so der modernen Kunst einen freien Entwicklungsraum
bieten.
Zhang
Qing, einer der Initiatoren der Ausstellung in Shanghai,
sagte: "Der Grund für das Mißtrauen der Regierung liegt
in dem zu geringen Austausch zwischen Künstlern und Regierung.
Um diese Ausstellung veranstalten zu können, haben wir die
Regierung mit viel Mühe überredet. In Wirklichkeit ist die
Regierung nicht gegen moderne Kunst eingestellt. Das Ziel
unserer Ausstellung war es, daß moderne Kunst in China mehr
und mehr akzeptiert wird."
Auch
in den Städten Chengdu, Changchun und Guilin sowie im Autonomen
Gebiet Guangxi wurden bereits solche Ausstellungen veranstaltet.
Moderne
Kunst und die Gesellschaft
Entgegen
den Erwartungen wurde die Shanghaier Aussstellung nur von
wenigen Leuten besucht. Die meisten hielten sich kaum vor
irgendeinem Werk auf, sie konnten mit dem Gezeigten nichts
anfangen.
Ein
Foto war eine Ausnahme, es gefiel vielen Besuchern. Es zeigte
einen niedlichen Spielzeug-Panda, der sich erschrocken hinter
einem Baum versteckt, und einen Mann, der haßerfüllt in
die Ferne blickt und zu dem Panda sagt: "Sie kommen
wieder, Bäume zu fällen!" Darauf der Panda laut Sprechblase:
"Im Notfall kann ich auch beißen!"
Der
Fotograf Zhao Bandi hat damit auf leicht verständliche Weise
das Thema Umweltschutz angesprochen, doch viele zum Künstlerkreis
Gehörende würdigten das Foto keines Blickes, denn ihrer
Meinung nach sei es künstlerisch ohne Bedeutung.
Ein
junges Model im Bikini lag auf dem mit Blumen, Blättern
und Obst bedeckten Boden, während fünf Männer lebende Krabben
auf sie schütteten. Hunderte von Krabben krochen über den
Körper des Mädchens. Plötzlich brach ein Tumult aus, als
eine Krabbe auf den Fuß eines Zuschauers fiel. Dazu Hou
Hanru: "Man muß wissen, daß die moderne Kunst nur ein
Mittel ist, individuelle Empfindungen auszudrücken. Deshalb
ist die Besucherzahl dieser Ausstellung für uns auch nicht
so wichtig. Die Hauptsache ist, den Künstlern einen Raum
zur Selbstdarstellung zu bieten."
Im
Gegensatz zu den spärlichen Besucherzahlen haben das Fernsehen
sowie Zeitungen und Zeitschriften die Ausstellung aufmerksam
verfolgt und viel darüber berichtet.
Trotz
der Anfangsschwierigkeiten findet die moderne Kunst in China
ihre Anhänger. Allein im letzten Jahr wurden rund 80 Bücher
über die moderne Kunst herausgegeben. Und man beginnt in
China bereits, Werke der modernen Kunst zu sammeln. In den
letzten Jahren sind auch mehrere private Galerien entstanden.
Die Galerien Dongyu in Shenyang, Taida in Tianjin und Shanghe
in Chengdu haben 1999 und 2000 mehrere Ausstellungen moderner
Kunst veranstaltet.