Hoffnungen,
die sich an Chinas Beitritt in die WTO knüpfen

CHINAS
Beitritt in die WTO ist längst nicht mehr nur ein Thema, mit dem
sich die chinesische Regierung beschäftigt. Auch die einfachen Chinesen
kennen diese drei Buchstaben und interessieren sich dafür, was der
Beitritt in die WTO für die Wirtschaft Chinas bringt. Wie werden
sich die High-Tech-Unternehmen entwickeln, die seit kurzem entsprechend
den internationalen Normen bewirtschaftet sind? Wie können sich
das chinesische Versicherungswesen und das Finanzwesen entsprechend
den internationalen Gepflogenheiten vervollständigen? Können die
Staatsbetriebe aus ihrer Notlage befreit werden? Und gibt es Möglichkeiten
für junge Menschen, einen guten Arbeitsplatz zu finden?
Solche Fragen
werden bald beantwortet. Am 15. November 2000 wurde die bilaterale
Vereinbarung über den Beitritt Chinas in die WTO zwischen China
und den USA in Beijing getroffen. Nun sind die multilateralen Gespräche
und Verhandlungen im Gange, wobei die meisten Fragen mittlerweile
geklärt werden konnten.
Was
bedeutet die WTO für die einfachen Chinesen?
Die meisten
Chinesen interessieren sich vor allem dafür, welche Vorteile sie
persönlich von dem Beitritt in die WTO haben werden. Herr Luo aus
Shanghai: "Vor einigen Tagen habe ich ein Paar Sportschuhe
mit dem britischen Markenzeichen ,Claks' gekauft, sie kosten eigentlich
40 Pfund Sterling, das sind umgerechnet etwa 500 Yuan. Aber in Shanghai
muß man dafür 2000 Yuan bezahlen. Nach dem Beitritt in die WTO werden
die Zollgebühren stark reduziert, so daß ausländischeMarkenprodukte
nicht mehr so teuer sind."
Herr Xu aus
Beijing: "Wenn der Preis für importierte Autos herabgesetzt
wird, möchte ich gern einen BMW haben, weil seine Qualität viel
besser ist als die der inländischen Autos."
Ma Lin, der
ein Jahr in den USA studiert hat, beklagt sich darüber, daß die
Telefongebühren in China zu teuer sind. Er hofft, daß sich das ändern
wird.
Herr Zhou,
der keinen festen Arbeitsplatz hat, will sich einen Versicherungsschein
einer ausländischen Versicherungsgesellschaft besorgen. Seiner Meinung
nach ist der Service der chinesischen Versicherungsgesellschaften
nicht gut.
So sind also
viele Chinesen der Meinung, daß der Beitritt Chinas in die WTO ihnen
nur Vorteile bringt.
Leider ist das nicht die ganze Wahrheit. Der Beitritt in die
WTO wird zwar von manchen mit der Auffahrt auf eine Autobahn verglichen,
doch die Autobahn muß erst gebaut werden, und das kostet erst einmal
Geld .
"Die langfristige
Wirkung des Beitritts in die WTO ist zweifellos positiv, doch in
der Anfangsperiode gibt es auch Negatives", sagt eine chinesische
Ökonomin, "Beispielsweise werden einige Staatsbetriebe, die
nicht mehr konkurrenzfähig sind, neue Schwierigkeiten bekommen."
Nach dem Beitritt
in die WTO wird die Reform der Staatsbetriebe weiter durchgeführt,
was heißt, daß immer mehr Arbeiter und Angestellte freigesetzt werden
müssen. Außerdem werden viele Arbeitskräfte auf dem Land überschüssig,
wenn die Zollgebühren für Agrarprodukte herabgesetzt werden. Die
chinesische Regierung muß deshalb große Anstrengungen unternehmen,
um das Problem der Arbeitslosigkeit zu lösen.
Um der neuen
Lage zu entsprechen, lernen junge Menschen nun voller Eifer Englisch.
Wer Englisch kann, für den gibt es mehr Möglichkeiten, einen guten
Arbeitsplatz zu finden. Und viele im Ausland Studierende wollen
nach China zurück, um Beiträge zur Entwicklung der chinesischen
Wirtschaft zu leisten.
Nach dem Beitritt
Chinas in die WTO kann ausländischen Investoren erlaubt werden,
in allen wirtschaftlichen Bereichen Kapital anzulegen. Welche Auswirkungen
hat dies für die Wirtschaftsentwicklung Chinas?
Fernmeldewesen
Nachdem die
bilaterale Vereinbarung zwischen China und den USA getroffen worden
war, erklärte China Telecom sofort, daß die Gebühren für das Telefon
im Internet um 50%, d.h. von 0,18 Yuan auf 0,09 Yuan pro Minute,
herabgesetzt werden.
Bei den Verhandlungen
über Chinas Beitritt in die WTO war das Fernmeldewesen ein vieldiskutiertes
Thema. Nach Chinas Beitritt in die WTO wird das chinesische Fernmeldewesen
nach außen geöffnet, ausländische Investoren können Kapital in diesen
Bereich anlegen. Und dies ist ein großer Markt! Das Wachstum der
Entwicklung im Fernmeldewesen beträgt jährlich ca. 45%. Allein im
Jahr 1998 stieg die Zahl der Telefonbenutzer um 18 Millionen und
die der Handybenutzer um 11 Millionen.
Die chinesische
Regierung hat ferner versprochen, vor dem Jahr 2005 die Zollgebühren
für Halbleiter, Computer, Fernmeldeeinrichtungen und andere High-Tech-Produkte
aufzuheben.
Automobilindustrie
Nach dem Beitritt
in die WTO wird die chinesische Automobilindustrie in Konkurrenz
mit der ausländischen stehen, und sie muß sich entschließen, ob
sie die Preise für chinesische Autos herabsetzt oder nicht.
Ein Buick,
von General Motors produziert, kostet in Nordamerika 20 800 bis
22 800 US-Dollar, umgerechnet etwa 178 000 Yuan, doch in China muß
man dafür 319 000 bis 369 000 Yuan bezahlen. Dabei muß man bedenken,
daß das durchschnittliche Jahreseinkommen der Chinesen nur etwa
ein Zehntel dessen der Amerikaner ausmacht.
In China gibt
es zur Zeit etwa 1000 Automobilwerke, deren gesamte Produktionsmenge
viel niedriger als die von General Motors ist. Nach den Vereinbarungen
über Chinas Beitritt in die WTO ist nun festgelegt, daß die Schutzmaßnahmen
für die chinesische Automobilindustrie im Juli 2005 aufgehoben werden.
Und ab Juli 2006 werden die Zollgebühren für Autos auf 25% herabgesetzt.
Angesichts dieser Konkurrenz zu ausländischen Autoproduzenten werden
die Preise für chinesische Autos jedenfalls gesenkt werden müssen.
So kann der Traum vieler Chinesen, ein Auto zu haben, erfüllt werden.
Versicherungswesen
Das Versicherungswesen
in China kann auf eine Geschichte von nur 20 Jahren zurückblicken.
Obwohl es sich in diesem Zeitraum sehr schnell entwickelt hat, stützt
es sich im wesentlichen noch auf Kollektive oder Arbeitseinheiten.
Kommerzielle Versicherungsgesellschaften sind noch nicht groß im
Geschäft. Ein Grund dafür ist, daß viele Chinesen noch an seiner
Entwicklung zweifeln. Außerdem sind viele mit dem Service der chinesischen
Versicherungsgesellschaften nicht zufrieden.
Bis Ende des
vorigen Jahres wurde es neun ausländischen Versicherungsgesellschaften
erlaubt, Filialen oder Joint-Ventures in China zu errichten, und
vor kurzem erhielten weitere vier ausländische Versicherungsgesellschaften
diese Genehmigung. Laut Plan soll das chinesische Versicherungswesen
in den kommenden fünf Jahren völlig nach außen geöffnet werden.
Chinas Beitritt
in die WTO stellt eine sehr hohe Anforderung an das chinesische
Versicherungswesen, weil das ausländische Versicherungswesen eine
lange Geschichte hat, seine Verwaltungsmethoden sehr modern sind
und sein Service ausgezeichnet ist. Um die Konkurrenzfähigkeit zu
verstärken, müssen die chinesischen Versicherungsgesellschaften
von den Erfahrungen lernen und moderne Verwaltungsmethoden einführen.
Aktienmarkt
Chinas
Beitritt in die WTO wird einen großen Einfluß auf den chinesischen
Aktienmarkt ausüben. Hier ein gutes Beispiel: Nachdem die bilaterale
Vereinbarung zwischen China und den USA getroffen worden war, stieg
sofort der Aktienkurs im Textilbereich, während die Preise der Aktien
im High-Tech- und im Automobilindustrie-Bereich sanken.
Sicher ist,
daß sich das Verwaltungssystem des chinesischen Aktienmarktes nach
dem Beitritt in die WTO entsprechend den internationalen Gepflogenheiten
vervollständigen wird. Auch das Problem, daß Betriebe mit schweren
Verlusten Wertpapiere emittieren, wird gelöst werden. (Zur Zeit
gibt es in China über 1000 Betriebe, die Wertpapiere emittieren,
darunter 49, die mit Verlusten arbeiten.) Nur diejenigen, die auf
dem internationalen Markt konkurrenzfähig sind, haben eine Zukunft.
Die chinesische
Regierung hat sich 14 Jahre lang um den Beitritt in die WTO bemüht.
Nach seinem Beitritt in die WTO will China zusammen mit den anderen
Mitgliedsstaaten die Entwicklung eines neuen Wirtschaftssystems
vorantreiben. China will die Anforderungen annehmen und alle Chancen
nutzen.
Von
Yi Ren
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