In
China wird Englisch mit Begeisterung gelernt
Von Li
Xia


Nach der Gründung der Volksrepublik 1949 verfolgte
China gegenüber der westlichen Welt eine Politik der verschlossenen
Türen. Diese Situation endete im Jahre 1972, als US-Präsident
Nixon China besuchte. Davor waren die chinesisch-amerikanischen
Beziehungen 20 Jahre lang unterbrochen gewesen.
Zu Anfang der 70er Jahre des letzten Jahrhunderts
begannen die Fremdsprachenschulen in Großstädten
wie Beijing, Shanghai und Tianjin, 11- bis 12-jährige Kinder
aus Arbeiter- oder Bauernfamilien auszuwählen. Die Ausgewählten
sollten speziell Fremdsprachen, vor allem Englisch, lernen.
1977 nahmen sie an der ersten Hochschulaufnahmeprüfung nach
der Kulturrevolution (1966-1976) teil und wurden Studenten an
den Fremdsprachenhochschulen. Mitte der 80er Jahre gingen viele
von ihnen zu Studienzwecken ins Ausland und wurden später
die ersten Vertreter westlicher Firmen und Unternehmen in China.
Allerdings
war Anfang der 70er Jahre das Englischlernen in China noch nicht
populär. Viele Leute mussten Englisch, das damals als die
Sprache des US-amerikanischen Imperialismus galt, hinter dem
Rücken der anderen lernen. Damals wurde ausländisches Radio
wie „Voice of America“ oder BBC als feindlich bezeichnet.
Seit der Einführung der Reform- und Öffnungspolitik
1978 hat sich die Wirtschaft Chinas schnell entwickelt. Eine
Gruppe von Studenten, die bei der Hochschulaufnahmeprüfung 1979
Noten über 70 in Englisch erzielt hatten und Naturwissenschaften
oder Ingenieurwesen als Hauptfach studierten, wurde ausgewählt
und zum Studium in die USA und nach Europa geschickt. Das fand
starken Widerhall in den Hochschulen. In den 80er Jahren war
es Mode, im Ausland zu studieren oder in einer ausländischen
Firma zu arbeiten. Unter diesen Umständen wollte man selbstverständlich
fleißig Englisch lernen. Dabei entstand ein regelrechtes
Auslandaufenthalts-Fieber. Hauptzielland waren die USA.
Das
folgende Beispiel soll die damalige Englisch-Begeisterung veranschaulichen:
In den 80er Jahren forderte das Shoudu Stahl- und Eisenwerk
seine Belegschaft auf, sich Englischkenntnisse anzueignen, auch
wenn die meisten Arbeiter und Angestellten des Unternehmens
nie eine Gelegenheit haben würden, Ausländer kennenzulernen.
Im Jahre 2001 erreichte das Englisch-Fieber
seinen vorläufigen Höhepunkt, denn in diesem Jahr
setzte sich Beijing bei der Bewerbung um die Ausrichtung der
Olympischen Spiele 2008 durch und veranstaltete die Universiade
mit Erfolg. Darüber hinaus wurde China nach langjährigen
Verhandlungen WTO-Mitglied, und auch der Fußballnationalmannschaft,
die ihre Fans bisher immer enttäuscht hatte, gelang es,
sich für die WM 2002 zu qualifizieren. Die Chinesen fühlen sich
in die internationale Gemeinschaft integriert und wollen darin
eine wichtige Rolle spielen. Die Mitglieder der chinesischen
Staatsregierung sprechen bei internationalen Begegnungen öfter
Englisch, und manche Provinzen haben begonnen, für den Posten
des stellvertretenden Gouverneurs nur Kandidaten anzuwerben,
die Englisch sehr gut beherrschen. Ihre Hauptaufgabe ist es,
mit Ausländern umzugehen. Für den APEC-Gipfel, der im Oktober
2001 in Shanghai stattfand, wurde nur Englisch als Arbeitssprache
bestimmt. Auf die Einwände dagegen antwortete der chinesische
Verantwortliche für die Veranstaltung, dass das den internationalen
Normen entspreche.
Die
Ausrichtung der Olympischen Spiele 2008 in Beijing gilt als
großer Antrieb für die Chinesen, Englisch zu lernen. Um
gute Gastgeber zu sein, werden Polizisten, Taxifahrer und auch
im Einwohnerkomitee tätige ältere Frauen aufgefordert,
sich Englisch anzueignen. Dazu gibt es jedoch gegenteilige Meinungen.
Beispielsweise fragt Hong Huang, deren Mutter in den 70er Jahren
Englischdolmetscherin für Mitglieder der Staatsführung war,
halb scherzend: „Warum wollen wir den Ausländern nicht
zuerst die chinesische Kultur durch die Olympiade 2008 vorstellen?
Ist es denn wirklich notwendig und vernünftig, die älteren
Frauen, die noch nicht einmal gut Hochchinesisch sprechen können,
aufzufordern, Englisch zu sprechen?“