Mai 2002
Ihre Position: Homepage >

Gesellschaft

In China wird Englisch mit Begeisterung gelernt
Vier Städte und fünf Lehrer im Englisch-Fieber
Ohne Englisch – keine Chance
Zwei erfolgreiche Nutznießer-Unternehmen des Englisch-Fiebers
Liu Zhiyi, Direktor der Mittelschule Nr. 25 in Beijing

In China wird Englisch mit Begeisterung gelernt

Von Li Xia

Nach der Gründung der Volksrepublik 1949 verfolgte China gegenüber der westlichen Welt eine Politik der verschlossenen Türen. Diese Situation endete im Jahre 1972, als US-Präsident Nixon China besuchte. Davor waren die chinesisch-amerikanischen Beziehungen 20 Jahre lang unterbrochen gewesen.

Zu Anfang der 70er Jahre des letzten Jahrhunderts begannen die Fremdsprachenschulen in Großstädten wie Beijing, Shanghai und Tianjin, 11- bis 12-jährige Kinder aus Arbeiter- oder Bauernfamilien auszuwählen. Die Ausgewählten sollten speziell Fremdsprachen, vor allem Englisch, lernen. 1977 nahmen sie an der ersten Hochschulaufnahmeprüfung nach der Kulturrevolution (1966-1976) teil und wurden Studenten an den Fremdsprachenhochschulen. Mitte der 80er Jahre gingen viele von ihnen zu Studienzwecken ins Ausland und wurden später die ersten Vertreter westlicher Firmen und Unternehmen in China.

Allerdings war Anfang der 70er Jahre das Englischlernen in China noch nicht populär. Viele Leute mussten Englisch, das damals als die Sprache des US-amerikanischen Imperialismus galt, hinter dem Rücken der anderen lernen. Damals wurde ausländisches Radio wie „Voice of America“ oder BBC als feindlich bezeichnet.

Seit der Einführung der Reform- und Öffnungspolitik 1978 hat sich die Wirtschaft Chinas schnell entwickelt. Eine Gruppe von Studenten, die bei der Hochschulaufnahmeprüfung 1979 Noten über 70 in Englisch erzielt hatten und Naturwissenschaften oder Ingenieurwesen als Hauptfach studierten, wurde ausgewählt und zum Studium in die USA und nach Europa geschickt. Das fand starken Widerhall in den Hochschulen. In den 80er Jahren war es Mode, im Ausland zu studieren oder in einer ausländischen Firma zu arbeiten. Unter diesen Umständen wollte man selbstverständlich fleißig Englisch lernen. Dabei entstand ein regelrechtes Auslandaufenthalts-Fieber. Hauptzielland waren die USA.

Das folgende Beispiel soll die damalige Englisch-Begeisterung veranschaulichen: In den 80er Jahren forderte das Shoudu Stahl- und Eisenwerk seine Belegschaft auf, sich Englischkenntnisse anzueignen, auch wenn die meisten Arbeiter und Angestellten des Unternehmens nie eine Gelegenheit haben würden, Ausländer kennenzulernen.

Im Jahre 2001 erreichte das Englisch-Fieber seinen vorläufigen Höhepunkt, denn in diesem Jahr setzte sich Beijing bei der Bewerbung um die Ausrichtung der Olympischen Spiele 2008 durch und veranstaltete die Universiade mit Erfolg. Darüber hinaus wurde China nach langjährigen Verhandlungen WTO-Mitglied, und auch der Fußballnationalmannschaft, die ihre Fans bisher immer enttäuscht hatte, gelang es, sich für die WM 2002 zu qualifizieren. Die Chinesen fühlen sich in die internationale Gemeinschaft integriert und wollen darin eine wichtige Rolle spielen. Die Mitglieder der chinesischen Staatsregierung sprechen bei internationalen Begegnungen öfter Englisch, und manche Provinzen haben begonnen, für den Posten des stellvertretenden Gouverneurs nur Kandidaten anzuwerben, die Englisch sehr gut beherrschen. Ihre Hauptaufgabe ist es, mit Ausländern umzugehen. Für den APEC-Gipfel, der im Oktober 2001 in Shanghai stattfand, wurde nur Englisch als Arbeitssprache bestimmt. Auf die Einwände dagegen antwortete der chinesische Verantwortliche für die Veranstaltung, dass das den internationalen Normen entspreche.

Die Ausrichtung der Olympischen Spiele 2008 in Beijing gilt als großer Antrieb für die Chinesen, Englisch zu lernen. Um gute Gastgeber zu sein, werden Polizisten, Taxifahrer und auch im Einwohnerkomitee tätige ältere Frauen aufgefordert, sich Englisch anzueignen. Dazu gibt es jedoch gegenteilige Meinungen. Beispielsweise fragt Hong Huang, deren Mutter in den 70er Jahren Englischdolmetscherin für Mitglieder der Staatsführung war, halb scherzend: „Warum wollen wir den Ausländern nicht zuerst die chinesische Kultur durch die Olympiade 2008 vorstellen? Ist es denn wirklich notwendig und vernünftig, die älteren Frauen, die noch nicht einmal gut Hochchinesisch sprechen können, aufzufordern, Englisch zu sprechen?“ 

-+-+-+-+-+-+-+-+-+-+-+-+-+-+-+-+-+-+-+-+-+-+-+-+-+-+-+-+-+-+-+-+-+-+-+-+-+-+-+-+-+--+-+-+-+--+-+-+--+-
Zurück