November 2002
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Kultur und Kunst

Guo Moruo und die deutsche Literatur
Chinesische Spirituosen
Der Frühling kehrt zurück
Auf Rädern durch die Jahrhunderte
Auf Rädern durch die Jahrhunderte

Von Huo Jianying

In einer Ausgrabungsstätte neben der Autobahn in Linzi, in der Provinz Shandong, sind 2000 Jahre alte Überreste von Pferden und hölzernen Wagen zu sehen. Die Pferdeskelette liegen auf ihren Seiten und sehen aus, als ob sie in Bewegung wären. Die Grube wurde in den späten 90er Jahren entdeckt, als die Autobahn gebaut wurde. Diese frühen Vorgänger modernen Transports, heute nicht mehr „straßentauglich“, sind nun geschützte historische Gegenstände.

Antike Fahrzeuge

Unter den Autobegeisterten gibt es solche, die Oldtimer als mechanische und historische Kunststücke bewundern, und doch sind diese Fahrzeuge nicht mehr als 100 Jahre alt. Im Vergleich zu den wirklich alten, pferdegezogenen Verkehrsmitteln sind sie modern.

Die 2000 Jahre alten Pferdewagen sind jedoch nicht die ältesten chinesischen Fahrzeuge. In den Ruinen von Anyang, Provinz Henan, haben Archäologen in mühseliger Kleinarbeit Wagen mit einem Alter von 3000 Jahren freigelegt, und selbst diese werden nicht als die ältesten des Landes angesehen. Die Chinesen müssen also fast vier Jahrtausende gebraucht haben, um vom Karren- ins Automobilzeitalter zu gelangen.

Die Fahrzeuge des antiken China waren pferdegezogene Wagen, Ochsenkarren und Schubkarren. Die pferdegezogenen Wagen waren dem Adel vorbehalten. Vor der Han-Dynastie (206 v. Chr. – 220 n. Chr.) waren Wagen ein wichtiges Kriegswerkzeug. Ochsenkarren wurden für den Frachttransport verwendet, und die einfachen Leute benutzten Schubkarren, um sowohl Leute als auch Waren zu befördern.

Frühere von Tieren gezogene Karren boten bloß Stehplätze. Holzbretter an allen vier Seiten boten Sicherheit für die Passagiere und eine Fläche, um sich anzulehnen. Üblicherweise war das Fahrzeug mit einem Baldachin bedeckt, als Dekoration und zum Schutz vor schlechtem Wetter. Je höher der Baldachin, für desto schöner wurde der Wagen befunden. Kampfwagen oder solche für den Transport von Verbrechern hatten keinen Baldachin.

Sitze erschienen in den Wagen erst später. Normalerweise waren es drei, links einen für den Fahrgast, in der Mitte saß der Fahrer und rechts sein Gehilfe. Diese Anordnung entsprach der alten Konvention, dass der Position zur Linken die höhere Ehre zukam.

In der Han-Dynastie bildete sich eine größere Anzahl von Wagenarten heraus. Für den Adel vorgesehene Fahrzeuge waren prunkvoll verziert und bequem. Der Ochsenkarren wurde nun auch für Personentransporte verwendet. Da ein Ochse kräftig genug ist, um einen großen Wagen gleichmäßig zu ziehen, stellten die Passagiere nicht selten einen Tisch auf die Ladefläche und erfreuten sich eines Trinkfests auf Rädern. Aufzeichnungen zufolge machten sich einige Wagenbesitzer ihre Verkehrsmittel gar zunutze, um Korn zu mahlen. Dazu stellten sie eine Steinmühle in den Wagen, die sich mit der Fahrbewegung drehte.

Die wechselhafte Geschichte der Autos in China

Die Natur war großzügig mit den Chinesen und gab ihnen sowohl unter- wie auch oberirdische Ölvorkommen. Schon vor 1000 Jahren verwendeten sie an der Erdoberfläche vorkommendes Erdöl als Brennstoff und nannten es „fettes Wasser“. Es wurde als Gebrauchsgut ähnlich wie Kohle oder Brennholz angesehen.

Bei der Verbrennung brachte dieses „fette Wasser“ schwarzen Rauch hervor, eine Erscheinung, die insbesondere von einem Wissenschaftler namens Shen Kuo (1031–1095) beobachtet wurde. Er entwickelte Chinas erstes Erdölprodukt – eine neue Art von Tuschstift aus Ruß. Diese Tusche war von viel besserer Qualität als diejenige aus Holzkohle und behielt nach dem Trocknen einen schimmernden Glanz. Shen Kuo nannte sein neues Produkt Yanchuan-Steinflüssigkeit und verwendete anstelle von „fettem Wasser“ den Begriff „Steinöl“, was bis heute die wörtliche Bedeutung der chinesischen Bezeichnung von Erdöl geblieben ist.

Seine Position als Regierungsbeamter hinderte ihn daran, sich ganz der Wissenschaft zu verschreiben. Dennoch kam er durch sein Feingefühl zur Erkenntnis, dass „Steinöl“ eines Tages als vorzügliche Energiequelle von unschätzbarem Wert sein und Anwendung in den unterschiedlichsten Bereichen finden würde. Er sagte voraus: „Angefangen bei meinen Versuchen wird es für diese Sache (Steinöl) unzählige Verwendungen geben.“

Leider wurde der wahre Wert dieser Gabe der Natur erst 880 Jahre später ausgeschöpft. Die Geburt der nationalen Autoindustrie 1956 brachte das Erdöl ins öffentliche Bewusstsein, aber es wurde erst mit der Verbreitung von Familienautos in den letzten Jahren in größerem Rahmen genutzt.

Mit der Einführung von Kraftfahrzeugen in China um das Jahr 1902 herum kam auch die Kaiserinwitwe Cixi in den Besitz eines Motorwagens. Minister Yuan Shikai sandte ihr zum Geburtstag ein Auto ausländischer Produktion als Geschenk. Das Fahrzeug mit einem hölzernen Rumpf und Rädern ebenfalls aus Holz ähnelte einem vierrädrigen Pferdewagen – der Fahrer saß vorne, hinter ihm waren zwei Passagiersitze.

Obwohl das Auto der Kaiserinwitwe sehr gefiel, fuhr sie es nie, und es ist auch nicht gewiss, dass sie es je benutzte. Man sagt, dass ihr die dominante Position des Fahrers missfiel und sie nicht glücklich darüber war, hinter ihm Platz nehmen zu müssen. Noch mehr missfiel ihr, dass der Fahrer während des Fahrens saß, anstatt zu knien. Als ihr der Fahrer klarzumachen versuchte, dass er den Wagen unmöglich in einer anderen Körperstellung als im Sitzen steuern könne, schritten die anwesenden Minister ein und rieten ihr eindringlich, nicht mit dem Fahrzeug zu fahren. Es gibt verschiedene Berichte darüber, was danach geschah, doch eines ist sicher – der Wagen wurde seither nie wieder benutzt. Er stand zuerst in der Verbotenen Stadt und wurde später in den Sommerpalast gebracht.

In den folgenden Jahrzehnten tauchte nur eine kleine Anzahl von Privatautos in den Haushalten der Hauptstadt auf. Erst in den 90er Jahren nahm die Zahl der Familienautos mit atemberaubender Geschwindigkeit zu. Wenn alle Beijinger, die einen Führerschein besitzen, heute ein Auto fahren würden, stiege die Anzahl der Fahrzeuge auf den Straßen von zwei auf 3,5 Mio.

Das Auto ist heute zu einem beliebten Gesprächsthema unter den Chinesen geworden. Am ehesten wird über das Design, den Preis und besondere Ausstattungen diskutiert. Auto-Websites und -ausstellungen gehören inzwischen zum Alltag, und neue Modelle schießen wie Pilze aus dem Boden. Gerüchten zufolge gibt es in Guangzhou heute mehr Autohändler als Reisläden. Aber dies soll nicht heißen, dass Reis in dieser Stadt weniger beliebt ist als Autos.

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