Eine
Bäuerin schafft ein Umweltschutzwunder

Am 10. Januar 2002 veranstaltete die Chinesische
Stiftung für Umweltschutz in der Großen Halle des Volkes
in Beijing eine Auszeichnungszeremonie. Zu dieser Zeremonie
sandte das UNEP (das Umweltprogramm der Vereinten Nationen)
ein Gratulationsschreiben. Auf der Veranstaltung wurde auch
eine Bäuerin ausgezeichnet. Sie war schlicht gekleidet
und fiel dennoch auf. Sie heißt Yin Yuzhen, kommt aus
einem weit abgelegenen Gebiet der Inneren Mongolei und hat von
der Gesellschaft unbeachtet eine Oase in der Wüste geschaffen.
Innerhalb von 17 Jahren hat sie insgesamt über 300 000 Bäume
gepflanzt und eine Fläche von über 40 000 Mu (2667 ha)
aufgeforstet. Damit ist sie die Person, die landesweit die meisten
Bäume gepflanzt hat.
Yin Yuzhen stammt aus einem abgelegenen Dorf
in der Provinz Shaanxi, nahe der Inneren Mongolei. 1985 wurde
sie von ihrem Vater an einen Bauern verheiratet, der in einem
tief in der Wüste liegenden Dorf in der
Inneren Mongolei lebte. Die Wohnhäuser des Dorfs waren
so zerstreut, dass sie in den ersten 40 Tagen nach ihrer Hochzeit
außer ihrem Mann und ihrer Schweigertochter keine Menschenseele
antraf. Der äußerst karge Boden zeigte schon Anzeichen
der Verwüstung und trug nur magere Ernten ein. Das kleine Wohnzimmer
war schon von Sandwüste umgeben.
Im Hinblick auf die Verwüstung setzte sie
sich in den Kopf, den Sand unter Kontrolle zu bringen und ihr
Lebensumfeld zu verbessern. Als sie ihr Vorhaben ihrem Mann
darlegte, zeigte er kaum Verständnis. „Wozu den Sand bekämpfen?
Seit jeher leben wir damit“, sagte ihr Mann. Sie blieb eisern
und entgegnete: „Der Sand hat schon genug Elend gebracht. Wenn
wir jetzt die Sandwüste bekämpfen, kommt es unseren Nachkommen
zugute. Sie werden nicht mehr darunter zu leiden haben.“
Im Herbst 1985 tauschte Yin Yuzhen erstmals
in ihrer Heimat ein Schaf gegen 600 Stecklinge ein, brachte
sie in sechs Märschen auf einem Maultier in ihr Dorf
und pflanzte sie an. Damals ging sie jeden Tag zu den frischen
Stecklingen und goss sie. Nach einem langen Winter trieben die
ersten Stecklinge. Frau Yin empfand ein Glücksgefühl, als ob
sie nach endloser Dunkelheit das erste Licht erblickt hätte.
Das ermutigte sie zur Fortsetzung der Aufforstungsarbeit.
Das Ehepaar sparte jedes Fen und sammelte
Geld, um Stecklinge und Baumsamen zu kaufen. Um die Stecklinge
noch in der kühlen Luft anzupflanzen, stand Yin Yuzhen um fünf
Uhr auf und trug einen großen Eimer Wasser auf den Berg
vor ihrem Haus. Zu Mittag aß sie dort ihre Maisbrote.
Bei glühender Hitze und eiskaltem Wind hob sie eine Grube nach
der anderen für die Bäume aus. In einem Jahr verbauchte
das Ehepaar über zehn Spaten.
Einmal bestellte ihr Mann in einer Baumschule
über 50 000 Stecklinge, die sie anpflanzen wollte. Doch nur
schon der Transport machte ihr viele Schwierigkeiten. In aller
Frühe, um drei Uhr, stand sie auf und führte drei Zugochsen
zur Baumschule, um die Stecklinge nach Hause zu bringen. Unterwegs
kam jedoch ein Sandsturm auf, der sie und die Tiere fast im
Sand begraben hätte. Jeder Schritt fiel ihr schwer. Der
Sandsturm schien ihren Willen auf die Probe stellen zu wollen
und wehte die Stecklingsbündel von den Zugochsen, doch mit letzter
Anstrengung setzte sie sie jedes Mal wieder auf den Rücken der
Lasttiere zurück. So legte sie die Strecke mehrmals zurück,
und erst nach zehn Tagen hatte sie alle Stecklinge ins Dorf
gebracht.
Am Anfang war Yin Yuzhen recht unerfahren
mit der Aufforstung. Es kam vor, dass die in einem Jahr mühsam
angepflanzten Baumreihen über Nacht von einem Sandsturm vernichtet
wurden. Zum Schutz der Stecklinge stellte sie deshalb Strohhecken
auf, und nachdem die jungen Bäume Wurzeln geschlagen hatten,
wurde ein neuer Schutzwall aus Stroh gebaut. Auf diese Weise
dehnte sich die aufgeforstete Fläche Stück für Stück aus.
Im Lauf der Zeit erwarb sie sich bessere Kenntnisse
über die Prinzipien der Aufforstung und konnte abschätzen,
welche Parzellen für Sträucher und Büsche geeignet waren
und welche für andere Gewächse. Außerdem entwickelte
sie ein spezielles Verfahren, durch das die Parzellen schneller
bepflanzt werden konnten. Für die Anpflanzung von Sträuchern
trieb sie beispielsweise zuerst Schafe auf das Land, damit sie
kleine Gruben trampelten, dann streute sie die Baumsamen darauf
und trieb die Schafherde noch einmal auf die Felder. Nach kurzer
Zeit konnte man schon grüne Keime sehen.
Mit der Aufforstungsarbeit hat sie überdies
mit Bewohnern aus anderen Dörfern nach mehrmaligem Scheitern
einen Weg von der Wüste zur Außenwelt angelegt, der ihr
benannt ist.
Nach 17 Jahren Anstrengung lebt sie nicht
mehr in Einsamkeit. Die Medienberichte über ihre Taten hat viele
Menschen gerührt und zum Umweltschutz ermutigt. Ein Amerikaner,
der an der Fremdsprachenschule Luoyang Englisch unterrichtete,
reiste zu ihr und übergab ihr für ihre Aufforstungsarbeit eine
Geldspende. Ein pensionerter Forstingenieur aus Beijing fuhr
in ihr Dorf und bot an, ihr mit seinem Fachwissen zur Seite
zu stehen. Yin Yuzhens Tätigkeit findet immer mehr Unterstützung.
Der vorliegede Text, zusammengestellt von Gao Zhuan,
beruht u.a. auf einem von Li Guanghua und Niu Zhiqiang geschriebenen
Bericht in Renwu (Nr. 8, 2002).