Die Fracht- und Containerschifffahrt formt schon seit Beginn der wirtschaftlichen Annäherung vor 50 Jahren das Rückgrat des Handels zwischen Deutschland und China. Die Hapag Lloyd AG mit Sitz in Hamburg ist eine weltweit führende Reederei. Ihr Kommunikationschef, Nils Haupt, kennt alle Facetten der Logistikbranche in- und auswendig. Vor seiner Zeit bei der Hamburger Großreederei war er in gleicher Rolle schon bei Lufthansa Cargo tätig. Zusätzlich zu seiner Aufgabe bei Hapag Lloyd fungiert er seit drei Jahren als Vorstand der Hapag Lloyd Stiftung. „Dialog China-Deutschland“ hat mit ihm über die weltweiten Warenströme und Chinas Rolle im Welthandel gesprochen.
Nils Haupt, Kommunikationschef der deutschen Hapag Lloyd AG mit Sitz in Hamburg
Schifffahrtslinien, und damit wirtschaftet ja auch Hapag Lloyd, waren schon immer das Herzstück des internationalen Freihandels, nicht nur mit China. Wie sieht der Markt heute aus?
China hat sich in den letzten Jahrzehnten zur Weltfabrik entwickelt. Der Handel von Fernost nach Europa ist vom Handelsvolumen her der zweitgrößte der Welt, auch wenn das größte Handelsvolumen immer noch innerasiatisch ist – das ist schwer zu übertreffen. Deutschland aber hat immer direkt profitiert von den genannten starken Handelsbeziehungen. Es gab eine Entwicklung von einem sehr kleinen zu einem mittlerweile sehr großen Volumen. Allein von unserer Reederei – zusammen mit MAERSK in der Gemini-Kooperation, die wir seit dem 1. Februar haben – steuern mehrmals pro Woche Schiffe von China aus Richtung Europa, die dann in Rotterdam oder Antwerpen, oft auch in England, aber eben auch in Deutschland ihre Güter löschen. Wir beobachten zudem eine Veränderung bei den Gütergruppen. Vor vielen Jahren war China noch führend bei Textilien. Das hat sich nun mehr und mehr verlagert hin zu hochwertigeren Gütern. Wenn wir auf bestimmte Industrien schauen, dann sind das heute vor allem Spielwaren. Bei Küchen- und Badelektronik ist China ebenfalls sehr stark. Der Bereich Weihnachtsschmuck und Party Equipment ist auch fest in chinesischer Hand. Das trifft natürlich auch bei Hochtechnologie zu, also Fernseher, Laptops, iPads, iPhones, Drucker und so weiter. Zwei Gütergruppen, in denen China in den letzten Jahren massiv gewachsen ist und inzwischen einen sehr hohen Marktanteil besitzt, sind Batterien, insbesondere für die Autoindustrie, und Solarpanels.
Der Hafen von Piräus: Hier in Griechenland haben chinesische Unternehmen kräftig investiert und jede Menge Jobs geschaffen.
Wie schätzen Sie die weitere Entwicklung ein?
Wir sehen nach wie vor eine äußerst starke Entwicklung aus China heraus. Die Schifffahrtsindustrie ist mitgewachsen und hat daher einen sehr hohen Marktanteil über den Transpazifik, also von Fernost zur US-Westküste oder nach Europa. Dort sitzen die Hauptabnehmer. Aber natürlich sehen wir auch ein großes Wachstum in Afrika. Dort reden wir aber eher vom Import, denn Afrika exportiert noch relativ wenig. Wir sehen auch immer noch unpaarige Verkehrsströme nach China. Das hat sich zwar in den letzten Jahren etwas gebessert, aber es wird immer noch sehr viel mehr aus China nach Europa oder auch in die USA exportiert als umgekehrt. Das heißt, wir nehmen sehr viele leere Container auf dem Rückweg nach China mit zurück, damit sie dort schnell wieder in den Fabriken befüllt werden können.
In den vergangenen Jahren kam der Einschnitt durch die Coronapandemie. Davon war sicherlich auch Ihre Reederei stark betroffen?
Ja, die Auswirkungen für unsere gesamte Industrie waren enorm, weniger von der Wasserseite her, aber auf der Landseite, weil Häfen nicht mehr pünktlich beliefert werden konnten. China setzte ja auf eine Zero-Covid-Policy. Als Folge haben sich dann die Container gestapelt oder man musste einen anderen Hafen anlaufen. Da standen dann manchmal schon 20 Schiffe in der Warteschlange. Durch die langen Wartezeiten haben wir massiv Kapazität verloren. Das hat sich zwar in für uns positiver Weise auf die Preise ausgewirkt, doch der Nachteil waren natürlich die enormen Wartezeiten, nicht nur in China, sondern auch in den USA und Europa. Trotz allem: der Handel ist nicht zusammengebrochen! Natürlich sind die Transportkosten enorm in die Höhe geschnellt, aber nach eineinhalb oder zwei Jahren hatte sich das wieder normalisiert, nicht zuletzt, weil sich parallel auch die Kapazitäten erhöht haben.
Stand der Hamburger Hafen und Logistik AG (HHLA) auf der dritten CIIE in Shanghai im Jahr 2020
Inwieweit ist Hapag Lloyd vom Projekt der Neuen Seidenstraße tangiert?
Wir hören ja immer wieder in den Medien, dass der Eisenbahnverkehr von China nach Europa eine enorme Konkurrenz für den Schiffsverkehr sei. Das ist aber so gar nicht der Fall. Die Containerzüge befördern vielleicht maximal 60 Container, während auf einem unserer Schiffe Platz für rund 22.600 Container ist. Es gibt vielmehr Aspekte der Seidenstraße, die uns nützen, wie etwa der Ausbau des Hafens von Piräus. Der galt früher als nicht besonders gut. Seit der Übernahme durch die Chinesen wurde der Hafen runderneuert und rückte auf Platz 4 der wichtigsten Häfen in Europa vor. Allerdings hat er mittlerweile wieder etwas an Bedeutung verloren, weil viele Schiffe zurzeit den Suezkanal meiden. Dennoch ist es ein sehr guter Hafen, von dem die ganze Industrie profitiert. Auch in Hamburg gab es kontroverse Diskussionen, ob Cosco 25 Prozent eines Terminals übernehmen darf. Wir sehen das nicht problematisch. Es ist immer positiv, wenn Containerlinien Anteile an einem Terminal halten. Wir haben das auch in Wilhelmshaven oder Hamburg. Das heißt letztlich, das dort erhebliche Mengen an Containern ankommen, was einem Hafen natürlich hilft. In der Öffentlichkeit hieß es, die Chinesen übernehmen 25 Prozent des Hafens. Das stimmt so nicht! Es gibt vier große Terminals in Hamburg und Cosco hat lediglich 24,99 Prozent an einem davon übernommen. Wir würden uns allerdings wünschen, dass so etwas auch in China möglich ist, also dass auch wir Anteile an einem chinesischen Hafen übernehmen könnten. So gesehen gibt es durchaus gute Seiten der Seidenstraße, aber auch Herausforderungen.
Wie sind denn Ihre ganz persönlichen Erfahrungen mit China?
Meine persönlichen China-Erfahrungen reichen bis zur Jahrtausendwende zurück, als ich bei Lufthansa Cargo angefangen habe. Natürlich ist China auch für das Luftfrachtgeschäft ein ganz entscheidender Markt. Ich habe viele Chinesen im Land – in Shenzhen, Shanghai und anderswo – kennengelernt und mit ihnen verhandelt. Ich habe die chinesische Seite immer als einen sehr guten und starken Verhandlungspartner erlebt. Mein Eindruck war, dass das persönliche Gespräch, das Miteinander und persönliche Kontakte immer große Bedeutung hatten. Natürlich waren die Verhandlungen knallhart, wenn es um finanzielle Aspekte ging – und mit klaren Interessen. Aber ich habe Chinesen immer als sehr professionelle, zuverlässige, kompetente, interessierte Handelspartner kennengelernt, herzlich und wertschätzend in der Zusammenarbeit.
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