Seit April hat die drastische Erhöhung der US-Zölle auf Fahrzeuge aus der EU der europäischen Autoindustrie einen schweren Schlag versetzt, was zu einem starken Rückgang der Gewinne der größten deutschen Autohersteller geführt und sie dazu veranlasst hat, nach Möglichkeiten in Asien zu suchen.
Ein kürzlich geschlossenes Abkommen zwischen der EU und den Vereinigten Staaten senkte den Zollsatz von 25 Prozent auf 15 Prozent und milderte damit die unmittelbaren Spannungen. Experten warnen jedoch, dass diese Atempause nur von kurzer Dauer sein könnte, da hohe Exportkosten und anhaltende politische Unsicherheit weiterhin auf dem deutschen Fertigungssektor lasten und das Vertrauen der Industrie untergraben.
Zollschock belastet Gewinne
BMW, Mercedes-Benz und Volkswagen – die drei größten deutschen Automobilhersteller – meldeten alle einen starken Gewinnrückgang im ersten Halbjahr 2025 und nannten die US-Zölle als einen der Hauptgründe für die Gewinneinbußen.
BMW gab bekannt, dass der Konzernumsatz im Vergleich zum Vorjahr um 8,2 Prozent zurückgegangen ist, während der Nettogewinn um 29 Prozent sank. Mercedes-Benz verzeichnete einen Einbruch des Nettogewinns von rund 6,1 Milliarden Euro im Vorjahr auf etwa 2,7 Milliarden Euro.
Dieses Foto zeigt den Stand des deutschen Automobilherstellers Mercedes-Benz auf der Singapore Motorshow, die am 9. Januar 2025 im Suntec Singapore Convention & Exhibition Centre in Singapur stattfand. (Xinhua/Then Chih Wey)
Der Volkswagen-Konzern meldete einen leichten Rückgang des Umsatzes um 0,3 Prozent. Seine Premiummarke Porsche war besonders stark betroffen und musste allein im ersten Halbjahr zusätzliche Zollkosten in Höhe von rund 400 Millionen Euro tragen.
Auch der Cashflow steht unter Druck. Laut der Financial Times könnte der kombinierte freie Cashflow der drei Unternehmen in diesem Jahr um bis zu zehn Milliarden Euro schrumpfen, wobei sowohl Zollkosten als auch allgemeine wirtschaftliche Unsicherheiten eine Rolle spielen.
Trotz der jüngsten Zollsenkung bleibt die Stimmung in der Branche gedämpft. Mehrere Unternehmen haben ihre Prognosen für 2025 bereits nach unten korrigiert. Hildegard Müller, Präsidentin des Verbandes der Automobilindustrie (VDA), sagte, dass die niedrigeren Zölle den Autoherstellern immer noch zusätzliche Kosten in Milliardenhöhe pro Jahr verursachen würden, was eine schwere Belastung darstelle, da sie sich in einer entscheidenden Phase des Übergangs zur Elektrifizierung befänden.
Sigrid de Vries, Generaldirektorin des Europäischen Automobilherstellerverbandes, warnte, dass die anhaltend hohen US-Zölle auf Fahrzeuge und Teile die globale Wettbewerbsfähigkeit der EU-Industrie untergraben würden, die US-Lieferketten stören und den Verbrauchern schaden könnten.
Tiefgreifende strukturelle Herausforderungen
Der Gewinneinbruch der deutschen Automobilhersteller ist nicht nur auf kurzfristige Zollschocks zurückzuführen, sondern auch auf eine Reihe umfassenderer struktureller Herausforderungen.
Denn die US-Zölle wirken sich auf die gesamte Lieferkette aus. Da die Vereinigten Staaten 50-prozentige Zölle auf importierten Stahl, Aluminium und andere Materialien erheben, geben die vorgelagerten Lieferanten die steigenden Kosten an die Hersteller weiter, wodurch die ohnehin schon knappen Margen weiter unter Druck geraten.
Laut VDA exportierte Deutschland im Jahr 2024 rund 450.000 Fahrzeuge in die Vereinigten Staaten. Im gleichen Zeitraum produzierten deutsche Automobilhersteller mehr als 840.000 Fahrzeuge in US-Werken, von denen etwa die Hälfte weltweit exportiert wurde. Dieses grenzüberschreitende Produktionsmodell ist besonders anfällig für plötzliche politische Kurswechsel.
Volkswagen-Chef Oliver Blume sagte, die US-Werke des Konzerns seien von den Zollerhöhungen stark betroffen und hätten allein im ersten Halbjahr zusätzliche Kosten in Höhe von 1,3 Milliarden Euro verursacht. Jürgen Rittersberger, Finanzvorstand von Audi, bezifferte die Verluste der Marke aufgrund der Zölle auf rund 600 Millionen Euro.
Besucher betrachten Volkswagen-Fahrzeuge auf der 21. Shanghai International Automobile Industry Exhibition in Shanghai, 1. Mai 2025. (Xinhua/Fang Zhe)
Seit Anfang 2024 haben mehrere Automobilhersteller und Zulieferer, darunter Ford, Stellantis, Volkswagen, ZF und Bosch, Entlassungen oder Werksschließungen in Deutschland und anderen europäischen Ländern angekündigt.
Schrumpfende Auftragsbücher, steigende Energie- und Arbeitskosten untergraben die industrielle Wettbewerbsfähigkeit der Region. Gleichzeitig hinken deutsche Autohersteller im Wettlauf um die Elektrifizierung weiterhin hinter ihren US-amerikanischen und chinesischen Konkurrenten hinterher.
Auf der Suche nach Chancen
Angesichts der wachsenden Unsicherheit und der sich wandelnden Handelspolitik in den transatlantischen Märkten wenden sich immer mehr deutsche Unternehmen China zu, angezogen von dessen regulatorischer Stabilität und klareren Wachstumsaussichten. Durch lokale Produktion, Technologiepartnerschaften und gezielte Investitionen versuchen die Automobilhersteller, ihre Position in Asien zu stärken und den Strukturwandel zu beschleunigen.
Arno Antlitz, Finanzvorstand und COO von Volkswagen, äußerte sich kürzlich sehr zuversichtlich hinsichtlich des Ausbaus lokaler Plattformen und Batteriepartnerschaften auf dem chinesischen Markt.
BMW kündigte außerdem eine Zusammenarbeit mit dem chinesischen Technologieunternehmen Momenta an, um gemeinsam Fahrerassistenzsysteme der nächsten Generation zu entwickeln, die auf die lokalen Verbraucher zugeschnitten sind.
Dieses Foto vom 8. Mai 2024 zeigt die Roll-off-Zeremonie des 6-millionsten Autos, das von BMW Brilliance Automotive (BBA) in Shenyang in der nordostchinesischen Provinz Liaoning produziert wurde. (Xinhua/Pan Yulong)
„Diese leistungsstarke Zusammenarbeit mit chinesischer Expertise untermauert die Strategie von BMW ‚In China, für China und gemeinsame Entwicklung mit chinesischer Geschwindigkeit‘ und bringt sie auf ein neues Niveau“, sagte Sean Green, Präsident und CEO der BMW Group Region China.
„Die Zukunft der Automobilindustrie liegt in China“, sagte Ferdinand Dudenhöffer, ein renommierter deutscher Automobilexperte. Er drängte auf eine Ausweitung der Zusammenarbeit zwischen deutschen und chinesischen Akteuren in der gesamten Fahrzeug- und Lieferkettenlandschaft.
BMW und Porsche würden Leistungsvorteile bieten, während Mercedes-Benz in Sachen Design und Komfort führend sei. Alle drei würden zunehmend auf Chinas Vorsprung in der Batterietechnologie und der Serienproduktion setzen, um wettbewerbsfähig zu bleiben, so Dudenhöffer.
Da das jüngste Zollabkommen zwischen den USA und der EU große Unsicherheit für Unternehmen schaffe, warnte Michael Schumann, Vorsitzender des Bundesverbandes für Wirtschaftsförderung und Außenhandel, dass das globale Handelssystem zunehmend unter Druck gerate, da Handel zunehmend als geopolitisches Instrument eingesetzt werde.
In einer fragmentierten globalen Landschaft könnte China eine der Säulen der regulatorischen Stabilität für internationale Unternehmen darstellen, sagte er.