Das Jahrestreffen der Neuen Champions (Annual Meeting of the New Champions, AMNC), auch bekannt als „Sommer-Davos“, fand unter dem Motto „Next Frontiers for Growth“ in der nordostchinesischen Küstenstadt Dalian statt.
In einer Zeit geopolitischer Spannungen und wirtschaftlicher Unsicherheiten warnte der chinesische Ministerpräsident Li Qiang vor den negativen Folgen wirtschaftlicher Spaltung. Vor hochrangigen Gästen, darunter der polnische Präsident Andrzej Duda und der vietnamesische Premierminister Pham Minh Chinh, betonte Li die Notwendigkeit globaler Zusammenarbeit und technologischer Innovation, um die wirtschaftliche Erholung voranzutreiben und neue Wachstumsfelder zu erschließen.
Chinas Ministerpräsident Li Qiang am 25. Juni bei seiner Eröffnungsrede des 15. Jahrestreffens der New Champions, auch bekannt als Sommer-Davos, in der nordostchinesischen Küstenstadt Dalian. (Foto: Li Xiang / Xinhua)
Großer Einfluss auf die Politik
Mehr als 1.700 Führungskräfte aus Wirtschaft, Politik, gesellschaftlichen und internationalen Organisationen nahmen an dem diesjährigen Forum teil, das seit 2007 als jährliche Sommer-Veranstaltung des Weltwirtschaftsforums im Wechsel in Dalian und in der nordchinesischen Metropole Tianjin stattfindet.
Chinas Engagement auf den WEF-Veranstaltungen ist wichtig, weil dort globale Agenden gesetzt werden, etwa zu Themen wie Klimawandel, Ernährung, Wohnen in der Zukunft, soziale Ungleichheit und KI. Die dort initiierten Projekte prägen die internationale Politik. Eine zentrale Rolle spielen dabei die Young Global Leaders (YGL), ein Netzwerk junger Führungskräfte, die neue Ideen einbringen und als Botschafter für die WEF-Initiativen agieren. Sie nutzen ihre einflussreichen Positionen, um die Prinzipien des WEF zu fördern und nachhaltige Veränderungen voranzutreiben.
Diese hochkarätigen Gäste flogen natürlich nicht zum Smalltalk und Teetrinken nach Dalian. Politisch interessierte Menschen sollten sich immer gut informieren, wenn sich die Weltelite zum Sommer-Davos oder World Economic Forum (WEF) trifft. Diese jährlichen Foren beeinflussen die weltweite Politik enorm, indem sie eine Plattform für den Austausch zwischen politischen Entscheidungsträgern, Wirtschaftsführern und Aktivisten bieten. Was dort heute besprochen wird, könnte schon morgen zum Gesetz in der EU, in Deutschland oder anderen Ländern der Welt werden.
Gefahren wirtschaftlicher Abkopplung
Li Qiang nannte die verstärkten Maßnahmen der wirtschaftlichen Abkopplung destruktiv und kontraproduktiv. Sie könnten die Welt in eine „zerstörerische Spirale“ zwingen, warnte er. Die Isolation durch Handelsbarrieren und das Aufbrechen globaler Lieferketten würden nicht nur die Betriebskosten erhöhen, sondern auch die wirtschaftlichen Verbindungen zwischen den Regionen schwächen und Konflikte verschärfen.
In der Tat haben die geopolitischen Spannungen zwischen großen Volkswirtschaften wie China, den USA und Europa das Risiko eines wirtschaftlichen Decouplings und intensiver Handelskriege erhöht. Mehr noch als Chinas wirtschaftliche Stabilität, könnte die globale Wirtschaft Schaden nehmen. Die Handelsbeziehungen zwischen China und Europa sind besonders eng und umfangreich, vor allem im Bereich der fortschrittlichen Technologien und der Automobilindustrie. Ein Decoupling könnte diese empfindlichen Lieferketten stören und die Produktionskosten für europäische Unternehmen, die auf chinesische Vorprodukte angewiesen sind, erheblich erhöhen. Zugleich könnte es auch das Wachstum von Chinas Exporten verlangsamen. Strafzölle auf beiden Seiten könnten den Handel weiter beeinträchtigen und die von Li beschriebene „zerstörerische Spirale“ könnte sich bis zu einem Handelskrieg weiterdrehen. Es wäre eine Lose-Lose-Situation und ein extremer Rückschritt im Welthandel.
Unterforum im Rahmen des Sommer-Davos 2024: Am 26. Juni nehmen Gäste aus verschiedenen Branchen im Internationalen Konferenzzentrum von Dalian an einer Diskussionsrunde teil. (Foto: Li Gang / Xinhua)
Globale Zusammenarbeit für nachhaltiges Wachstum statt Strafzölle, Decoupling und Handelskriege
Li Qiang, der auf Kooperation statt Konfrontation setzt, hob während des Forums technologische Innovationen und industrielle Transformationen als entscheidende Hebel zur Überwindung der globalen Wachstumsprobleme hervor. Er verwies auf die bereits erzielten Fortschritte, die zur Bewältigung globaler Herausforderungen beitragen und neue wirtschaftliche Möglichkeiten eröffnen.
Der Ministerpräsident rief auch dazu auf, die wissenschaftlich-technologische Zusammenarbeit zu vertiefen und eine umweltfreundliche Wirtschaft zu fördern. Er betonte, dass wirtschaftliche Entwicklungen in Harmonie mit der Natur stehen müssten und dass technologische Fortschritte durch offene und faire Wettbewerbsbedingungen gefördert werden sollten. Nur durch internationale Kooperation und den Austausch von Ideen könne ein nachhaltiges und inklusives Wirtschaftswachstum erzielt werden.
Mit diesen klaren Botschaften unterstrich Li Qiang Chinas Position als Befürworter einer offenen, kooperativen und innovationsgetriebenen Weltwirtschaft. Die Herausforderungen der Gegenwart erfordern seiner Meinung nach gemeinsame Anstrengungen und langfristiges Denken, um die globalen Wirtschaftsstrukturen zu stärken und eine nachhaltige Zukunft zu sichern.
Zu der von Li Qiang angepriesenen globalen Zusammenarbeit gibt es nicht wirklich eine Alternative und aufhalten lässt sich die Entwicklung zu einem „globalen Dorf“ ohnehin nicht, da Handel immer allen Seiten Vorteile bringt.
Schauen wir uns einmal an, welche Folgen eine aggressive internationale Wirtschaftspolitik hätte:
Ein vollständiges Decoupling oder unterbrochene Lieferketten könnten zu Produktionsverzögerungen und erhöhten Kosten führen, gerade weil viele Industrien sehr voneinander abhängig sind.
Ein vermindertes Handelsvolumen könnte das globale Wirtschaftswachstum bremsen und die Preise für Konsumenten erhöhen.
Die Unsicherheit durch Handelskriege kann zu Volatilität (Schwankungsintensität eines Preises) auf den Finanzmärkten führen. Das hemmt Investitionen und Kapitalflüsse.
Und last, but not least: Das Vertrauen schwindet. Handelskriege können das Vertrauen in das globale Wirtschaftssystem untergraben und zu protektionistischen Maßnahmen anderer Länder führen, was wiederum Lis „zerstörerische Spirale“ auslösen könnte.
Wie es scheint, lohnt es sich, auf China zu hören und die Vorteile der Zusammenarbeit zu schätzen. Denn die Risiken von Decoupling und Handelskriegen sind enorm, sie haben sogar das Potenzial, eine Weltwirtschaftskrise auszulösen. Die politischen und wirtschaftlichen Strategien der betroffenen Länder werden entscheiden, ob diese Risiken eingedämmt oder verstärkt werden. Die Zeiten, in denen nur Wenige – Menschen und Länder – auf Kosten Anderer profitieren, sollten überwunden werden.
*Nils Bergemann ist studierter Journalist mit langer Erfahrung als Redakteur und Kommunikationsexperte bei Verlagen und anderen Unternehmen. Zuletzt arbeitete er fünf Jahre für die China Media Group. Weiterhin in Beijing lebend unterrichtet er seit 2023 Deutsch, Sprachwissenschaften und Wirtschaft an der University of International Business and Economics.
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