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Landkreis Rongjiang: Wege zum ländlichen Aufschwung

2022-04-15 15:16:00 Source: Author:
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Von Zhao Yang 

 

Der landschaftlich reizvolle Kreis Rongjiang in der Autonomen Präfektur Qiandongnan der Miao und Dong in der Provinz Guizhou beherbergt eine einzigartige multiethnische Kultur. Ende 2020 hat er offiziell den Sprung aus der Armut geschafft und wurde in die erste Gruppe von Kreisen aufgenommen, die im Rahmen des Programms zur Wiederbelebung des ländlichen Raums Unterstützung erhalten. Jetzt setzt der Kreis alles daran, eine Entwicklung hoher Qualität zu realisieren und den ländlichen Aufschwung weiter voranzubringen. 

 

 

 

Der Landkreis Rongjiang im Frühling: Im Bild ist die Gemeinde Zhongcheng zu sehen.  

  

Lokale Industrien durch neue Medien stärken 

  

Im Oktober 2021 sind die Reisbauern im Dorf Baiwang des Kreises Rongjiang auf den Feldern mit der Ernte beschäftigt. Überall springen Reiskörner aus den Dreschmaschinen. Es sind die Früchte ganzjähriger Arbeit. Wer genau hinsieht, entdeckt kleine Fische, die durch die Bassins der Felder schwimmen. Touristen, die sich in festliche lokale Trachten gehüllt haben, erfreuen sich an der Landschaftsidylle und vertreiben sich die Zeit mit Fischfang. In der Ferne falten sich die grünen Bergketten bis tief in den Horizont, dazwischen das glitzernde Nass der Reisfelder. Diese lebhafte Szenerie wurde im vergangenen Herbst live durch die Linse des lokalen Kultur- und Medienunternehmens Duliujiang nach ganz China übertragen. 

  

Duliujiang gehört zum Multimediazentrum des Kreises Rongjiang. Laut Zhu Yuying, der Direktorin des Hauptbüros des Zentrums, wurde das Unternehmen im Oktober 2020 mit dem Ziel gegründet, Werbevideos für den Landkreis zu produzieren. „Die Bauern, die in der Live-Übertragung das Getreide dreschen, sind unsere Moderatoren. Wir hielten die Erntezeit für eine gute Gelegenheit, Menschen aus anderen Landesteilen das ländliche Leben hier und die Volksbräuche näher zu bringen“, sagt Zhu. Aus Sicht der Medienschaffenden besteht das Ziel von Chinas Programm zur Wiederbelebung des ländlichen Raums letztlich darin, allen ein gutes Leben zu ermöglichen. Das Live-Event jedenfalls zeigte die erhoffte Wirkung. Die schöne Landschaft und die authentische Darstellung des Landlebens zogen ein großes Publikum an. Mehrere Mediengruppen, darunter der staatliche Fernsehsender CCTV, griffen das Thema auf und empfahlen den Kanal weiter. Heute erreichen die Live-Streamings des Kreises dank der Publicity bis zu 100.000 Zuschauer pro Folge. 

  

Duliujiang setzt auch auf die Vermarktung lokaler Agrarerzeugnisse per Internet-Liveübertragung. Yang Zhenzhen ist eine der lokalen Livestreaming-Verkäuferinnen, die der Idee Leben einhaucht. Sie stammt aus dem Dorf Dujiang und bestritt ihren Lebensunterhalt lange mit Landwirtschaft und Gelegenheitsjobs. Im vergangenen Jahr pachtete Yang dann gemeinsam mit einigen Freunden  13,3 Hektar Ackerland, um Pomelos anzubauen. Neben Offline-Kanälen werden die Früchte heute auch über beliebte Online-Plattformen wie Pinduoduo oder WeChat verkauft. Im Netz haben sich die Früchte mittlerweile einen Namen gemacht. Das Obst ist beliebt, da nicht nur gesund, sondern auch äußerst schmackhaft. Yang wurde deshalb von Duliujiang eingeladen, am Livestreaming-Event des Medienunternehmens zum chinesischen Neujahrsfest 2022 teilzunehmen. 

  

Während des Livestreams wurden damals in nur zwei Stunden über fünf Tonnen Pomelos verkauft. Die Einnahmen erreichten rund 40.000 Yuan, umgerechnet etwa 5800 Euro. Zhu Yuying war überwältigt vom reißenden Absatz, den die Früchte fanden. Für einen kleinen Landkreis sei das ein außergewöhnliches Ergebnis, sagt sie. Da Duliujiang ein staatseigenes Unternehmen ist, sind die meisten Livestreaming-Dienste gemeinnützig. In einer einzigen Livestream-Sendung können die Landwirte heute Einnahmen generieren, für die sie in der Vergangenheit ein ganzes Jahr aufwenden mussten. Das kommt einem Quantensprung gleich. In nur sechs Monaten half Duliujiang den Einheimischen so dabei, durch Livestream-Verkäufe rund 600.000 Yuan (rund 87.000 Euro) zu erwirtschaften. 

  

Am 26. Januar 2022 haben zehn Abteilungen, darunter das Büro des Ausschusses für Cybersicherheit und Informatisierung des Zentralkomitees der KP Chinas, den „Aktionsplan für die digitale Entwicklung im ländlichen Raum (2022-2025)“ herausgegeben. In dem Papier unterstreichen sie die Notwendigkeit, den Aufbau digitaler Dörfer zu beschleunigen und die ländliche Modernisierung und Wiederbelebung durch den Einsatz von Informationstechnologie zu fördern. Außerdem gelte es, die Digitalwirtschaft auf dem Land auszubauen, die digitale Kultur zu entwickeln und die Landwirte verstärkt im Umgang mit Digitaltechnik zu schulen. Im Rahmen der Förderungspolitik hat auch der Kreis Rongjiang auf Grundlage seiner eigenen Entwicklung ein Modell für den Einsatz und die Nutzung neuer Medien ausgearbeitet, das allen Menschen offensteht. Heute erlebt der Bereich Livestreaming im gesamten Landkreis einen regelrechten Boom. 

  

Zuversichtlich in die Zukunft 

  

Wu Zhuhuan stammt aus dem Dorf Wugong in der Gemeinde Zhaihao. Früher gehörte ihre Familie zu den registrierten Armutshaushalten im Dorf. Heute betreibt sie ein eigenes Gasthaus sowie eine Stickerei. 

  

Die traditionelle Seiden- und Baumwollstickkunst der Dong, die zum nationalen immateriellen Kulturerbe zählt, ist berühmt für ihre farbenfrohen Muster. Wu, die dieser ethnischen Gruppe angehört, interessiert sich seit ihrer Kindheit für das Design und die Herstellung der Dong-Trachten. Zunächst versuchte sie sich hobbymäßig an der alten Handwerkskunst, nahm dann sogar kleinere Aufträge an. Doch die brachten der Familie keine nennenswerten Einnahmen. Wus Mann arbeitete auf Baustellen. Das Einkommen war nicht stabil, mal brachte er mehr, mal weniger mit nach Hause. Damals musste die Familie mit gerade einmal 10.000 Yuan, rund 1450 Euro also, pro Jahr über die Runden kommen. 

 

 

 Wu Zhuhuan interessiert sich seit ihrer Kindheit für das Design und die Herstellung der Dong-Trachten. 

  

„Wir haben zwei Söhne. Aus finanziellen Gründen konnte unser Ältester nach dem Abschluss der Mittelschule nicht an der Universität studieren“, sagt Wu mit großem Bedauern. 2014 wurde ihre Familie in das Armutsregister des Kreises aufgenommen. Danach wurden ihnen die Schulgebühren für ihren jüngeren Sohn mit Hilfe der örtlichen Regierung erlassen. Sie bekamen außerdem zusätzliche finanzielle und materielle Unterstützung. Man stellte ihnen etwa Hühner und Jungfische zur Aufzucht zur Verfügung und alle Familienmitglieder erhielten eine Krankenversicherung. All dies gab Wu Hoffnung und Zuversicht für die Zukunft. 

  

Im Juni vergangenen Jahres mietete Wu eine Herberge und begann parallel dazu, ihr Stickhandwerk auszubauen. Sie eröffnete eine kleine Werkstatt. Die wunderschöne Landschaft und die reichen touristischen Ressourcen in Rongjiang ziehen mittlerweile viele Touristen an. Um mehr Besucher anzulocken,  eröffnete Wu eigene Kanäle auf verschiedenen chinesischen Social-Media-Plattformen, woraufhin ihre Geschäfte weiter anzogen. 

  

Doch aufgrund mangelnder professioneller Marketingfähigkeiten wuchsen die Followerzahlen langsamer als erwartet. Ein Problem, mit dem viele Blogger und Livestreamer in der Gegend zu kämpfen hatten. Als Reaktion lud das Unternehmen, in dem Zhu Yuying arbeitet, Experten aus Beijing, Guizhou und anderen Großstädten in die ländliche Region ein, um Vorträge zu halten. „Wir haben eine Reihe von Schulungen zu Themen wie mediale Entwicklungstrends, Videoproduktion oder Livestreaming von zu Hause aus organisiert“, erzählt Zhu. 

  

Am 25. November 2021 wurde in Rongjiang schließlich ein Projekt des örtlichen Kultur- und Kreativindustrieparks gestartet, das darauf abzielt, den neuen Medien im Kreis zum Aufschwung zu verhelfen. Dazu zählt auch eine Initiative, 1000 Einheimische zu Werbebotschaftern der Region aufzubauen. Mehr als 500 Menschen im Landkreis meldeten sich direkt für eine Ausbildung im Bereich neue Medien an. Der Vorstoß startete mit einem Pilotprojekt der Gemeinde Zhaihao. 

  

Der Industriepark hat mehrere Funktionen, darunter die Ausbildung neuer Medientalente, die Vernetzung von örtlichen Online-Influencern und das Verbinden von Vorläuferunternehmen im Zeitalter der neuen Medien. Auch der Aufbau einer qualitativ hochwertigen Produktlieferkette und die Bereitstellung staatlicher Unterstützungsmaßnahmen gehören dazu. Bisher haben die Menschen hier rund 350 Social-Media-Kanäle eröffnet und fast 5600 Videoclips gepostet. 

 

  

 

Die Einweihungsfeier des Kultur- und Kreativindustrieparks in Rongjiang (Foto von Wang Bingzhen) 

  

Um das Projekt noch weiter zu pushen, richtete der Kreis ein eigenes Büro ein. So sollen die lokalen Ressourcen für die Entwicklung der neuen Medienindustrie noch stärker gebündelt und koordiniert werden. Laut Wang Qiang, dem Leiter der Koordinierungsgruppe des Büros, haben sich bisher zwölf Unternehmen im Industriepark niedergelassen. Am 21. Januar dieses Jahres brachte die Lokalregierung ein Maßnahmenpaket an den Start, um Unternehmen die Ansiedlung im Park weiter zu erleichtern. „Wir stellen den Mitarbeitern zum Beispiel mietfreie Wohnungen zur Verfügung. Rongjiang tut wirklich sein Möglichstes, um den Firmen  ihren Geschäftsbetrieb zu erleichtern“, sagt Wang. 

  

Zusammenarbeit zwischen entwickelten Küstengebieten und dem Landesinneren 

  

Rongjiang ist ein Verkehrsknotenpunkt im Süden der Provinz Guizhou und auch ein Tor zum Großbuchtgebiet Guangdong-Hongkong-Macao. Es ist dabei, zu einer zentralen regionalen Stadt in Guizhou aufzusteigen, zu einem wichtigen Gesundheitszentrum, einem beliebten Ziel für „roten Tourismus“ und einem malerischen Vorgarten des besagten Großbuchtgebiets, da es von diesem nur drei Autostunden entfernt liegt. 

  

Gleichzeitig nutzt Rongjiang die Initiative der Zusammenarbeit zwischen den bereits stark entwickelten östlichen Gebieten Chinas mit den weniger entwickelten Gebieten im Westen des Landes sowie im Landesinneren. Im Rahmen dieser Kooperationsinitiative arbeitet der Kreis mit dem Bezirk Nanhai der Stadt Foshan zusammen, der in der Provinz Guangdong liegt. Ziel ist es, die Errungenschaften der Armutsbekämpfung zu festigen, die regionale Zusammenarbeit zu intensivieren und die Wiederbelebung des ländlichen Raums voranzubringen. 

  

Das Agritech-Unternehmen Qiandongnan Penghui (im Folgenden kurz „Penghui“ genannt) ist eine Tochtergesellschaft von Foshan Penghui Agritech mit Sitz in Rongjiang. Geschäftsführer Liu Peng sagt, seine Firma sei im März 2021 in den Markt von Rongjiang eingetreten. Das Hauptgeschäft konzentriere sich derzeit darauf, lokale Agrarprodukte einzukaufen und sie im Großbuchtgebiet abzusetzen. „Wir haben auch eine eigene Pilzmarke registriert, um die landwirtschaftlichen Produkte der Region landesweit zu vermarkten”, sagt der Unternehmer. 

  

„Die Judasohren hier aus Rongijiang sind gesund und nahrhaft. Doch bei der Ernte drängte in der Vergangenheit die Zeit, weshalb viele Pilze verschwendet wurden. Auch die Qualität war nicht ideal, was das Produkt kommerziell schlecht vermarktbar machte“, sagt Liu. Um die Pilze auf dem Markt zu einem besseren Preis zu verkaufen, organisierte Penghui technische Schulungen für die heimischen Landwirte. Und die Rechnung ging auf. Nach zahlreichen Ortsbegehungen und Besuchen bei den Landwirten auf den Feldern entwickelte das Unternehmen Penghui einen Standard für Züchter und Pflücker. Er stellt heute sicher, dass die Produkte einen maximalen Mehrwert erwirtschaften. 

  

Im Rahmen der nationalen Initiative, mit Hilfe von Zehntausenden Unternehmen wirtschaftliche Impulse in Zehntausende Dörfer zu bringen, begann Penghui ab November 2021 auch dem Dorf Kouma in Rongjiang fachbezogene Unterstützung zu bieten. Die Ingwerplantage von Kouma spielte einst eine wichtige Rolle dabei, das Dorf aus der Armut zu holen. Aufgrund von Marktschwankungen fiel der Ingwerpreis im Jahr 2021 jedoch unter die Herstellungskosten. „2020 wurde Ingwer noch für 5,6 Yuan pro Kilogramm gehandelt, also rund 80 Cent. 2021 waren es nur noch 1,6 Yuan (20 Cent) pro Kilo“, erzählt Wu Ya, einer der lokalen Landwirte. 

  

Penghui lieferte Hilfe in diesem kritischen Moment. Das Unternehmen kaufte den Ingwer zum doppelten Marktpreis auf und wandte sich an einen Gastronomieverband, um die Absatzkanäle zu erweitern. Mit Hilfe von Penghui hat das Dorf bereits mehr als zehn Tonnen Ingwer verkauft. Laut Liu Peng hat sein Unternehmen dem Landkreis Rongjiang im vergangenen Jahr geholfen, Agrarprodukte im Wert von mehr als drei Millionen Yuan (430.000 Euro) zu verkaufen. Prognosen zufolge dürfte diese Zahl im laufenden Jahr auf fünf Millionen Yuan (720.000 Euro) ansteigen. Geplant ist außerdem die Eröffnung  einer modernen Pilzverarbeitungsanlage im Kreis. 

  

Mit Hilfe der lokalen Regierung hat Penghui außerdem einen Güterzug organisiert, um die gekauften Agrarprodukte aus 16 Landkreisen in der Autonomen Präfektur Qiandongnan der Miao und Dong jede Woche frisch nach Foshan zu liefern. Der Transport ist dadurch deutlich effektiver und billiger als zuvor. „2022 werden wir in den Markt in Shenzhen eintreten. Mit der Anfang dieses Jahres eingeweihten Hochgeschwindigkeitsstrecke Shenzhen-Rongjiang liegt Rongjiang innerhalb des dreistündigen Wirtschaftskreises des Großbuchtgebiets Guangdong-Hongkong-Macao“, sagt Liu. 

 

Mit der Einführung von Unternehmen mit einer ausgereiften Industriekette wie Penghui entwickelt sich die Industrie in Rongjiang rasant. 2021 brachten die in Guangdong und anderen Provinzen verkauften land- und forstwirtschaftlichen Waren sowie Tierprodukte gemeinsam mit den lokalen Handwerksprodukten aus Rongjiang insgesamt 473 Millionen Yuan (68 Millionen Euro) ein. Derzeit entwerfen Rongjiang und der Bezirk Nanhai in Foshan einen Arbeitsplan für die weitere Zusammenarbeit zwischen Ost und West für den Zeitraum bis 2025, um einen Hauptentwurf für die Kooperation zwischen den beiden Orten festzulegen. 

 

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