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Danyang sorgt für Durchblick: Ein Besuch in Chinas Brillenhauptstadt

2025-06-03 16:24:00 Source:cdd-online.com.cn Author:Wang Ruying
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Schon beim Verlassen des Bahnhofs von Danyang springt einem der auffällige Schriftzug „China Danyang Brillenkaufhaus“ ins Auge, der an dem großen Gebäude gegenüber dem Bahnhof prangt. Angekommen in der riesigen Mall reiht sich dann ein Optikgeschäft an das andere und es herrscht reger Publikumsverkehr. Kunden erwartet hier ein kleines Universum an Brillengestellen und -gläsern jeglicher Couleur, allesamt feinsäuberlich aufgereiht in unzähligen Regalen. Das vielfältige Angebot lockt kaufwillige Brillenträger aus ganz China an, die hier nach Herzenslust stöbern und anprobieren. 

 

In China hat sich Danyang längst einen Namen gemacht. Die Stadt in der ostchinesischen Provinz Jiangsu ist über die Jahre zu einer der landesweit wichtigsten Produktions- und Vertriebsstandorte für Brillen und Brillengläser gereift. Mit diesen kleinen Produkten hat der Ort eine große Industrie entstehen lassen. Die Entwicklung der intelligenten Fertigung, die Erschließung internationaler Märkte und touristische Initiativen wie spezielle Brilleneinkaufstouren tun ihr Übriges, um der Brillenstadt im Herzen des Jangtse-Deltas starke, anhaltende Wirtschaftsimpulse zu verleihen. 

 

 

 

Nur wenige Schritte vom Hauptbahnhof entfernt: Das Brillenkaufhaus Danyang ist verkehrstechnisch günstig gelegen. (Foto: Wang Ruying) 

 

Von klassischer zu intelligenter Fertigung 

Ihren Anfang nahm die Optikindustrie in der Kreisstadt in den frühen 1960er Jahren. Damals gründete eine Gruppe jungen Arbeitern aus Brillenfabriken in Städten wie Shanghai oder Suzhou in der Danyanger Gemeinde Situ zahlreiche kleine „Brillenhütten“. Dies gab den Anstoß für eine einzigartige wirtschaftliche Erfolgsgeschichte. Denn auf Basis dieser kleinbetrieblichen Werkstätten hat sich nach und nach eine ganze Brillenindustrie etabliert. 

 

Mit der Vertiefung der Reform und Öffnung lockerte der Staat dann ab den 1980er Jahren die bisher geltenden Beschränkungen für private Unternehmensgründungen. Techniker und Vertriebspersonal aus den sogenannten Kollektivbetrieben verließen daraufhin ihre Fabriken, um eigene Firmen zu gründen. Heute hat sich das für chinesische Verhältnisse kleine Danyang mit seinen weniger als eine Million Einwohnern zum weltweit größten Produktionsstandort für Brillengläser aufgeschwungen, mit einer kompletten Industriekette von Design über Produktion bis hin zu Vertrieb und Logistik. Die Produkte aus Danyang decken alle Bereiche der Brillenindustrie ab. 

 

„Schon seit meiner Elterngeneration ist unsere Familie im Optikgeschäft tätig. Mittlerweile packt auch unser Kind mit an und möchte das Brillengeschäft der Familie einmal übernehmen“, erzählt Herr Hu, der seit vielen Jahren einen Laden im berühmten Danyanger Brillenkaufhaus betreibt. „Früher haben wir hier hauptsächlich noch auf Auftrag produziert, mit hoher Stückzahl zu niedrigem Preis“, erinnert er sich. „Die Akzeptanz bei den Verbrauchern war damals eher gering – die Leute griffen lieber zu importierten Gläsern.“ Heute sei das anders. Dank zunehmender Investitionen heimischer Hersteller in Forschung und Entwicklung sei ‚Made in Danyang‘ inzwischen ein Qualitätsprädikat. Als Beispiel nennt Hu die Brillengläser der Firma New Focus Optical, die er in seinem Geschäft anbietet. „Früher wurden die Brillengläser noch nach traditionellen Verfahren beschichtet, heute kommt dagegen für eine extradünne Beschichtung Nanotechnologie zum Einsatz. Dadurch sind die Gläser stoßfester, kratzbeständiger und auch resistenter gegen Fettflecken“, sagt der Optiker. 

 

Doch die Anwendung hochwertiger Technologie ist nur ein Teil des Erfolgsrezepts. Danyangs Brillenhersteller haben sich gezielt den neuen Verbraucherbedürfnissen angepasst und punkten heute mit einer Vielzahl von Features. „Unsere Brillengläser sind nicht nur dünn, leicht und stark lichtdurchlässig, sondern erfüllen auch viele andere Ansprüche moderner Verbraucher. Egal ob Blaulichtfilter, Antibeschlag-Technik, UV-Schutz oder Gleitsichtgläser – in Danyang bekommt man alles, was das Herz begehrt, direkt an einem Ort“, zeigt sich Hu selbstbewusst. 

 

 

 

Qual der Wahl: Im Brillenkaufhaus von Danyang gibt es nichts, was es nicht gibt. (Foto: Wang Ruying) 

 

Neben der „Aufrüstung“ der Brillengläser ist auch die Optometrie-Industrie von Danyang auf eine neue Entwicklungsbahn eingeschert. Unter Optometrie versteht man die Lehre der Messung und Bewertung von Sehfunktionen. Das von der lokalen Firma Hongxu Desheng Technology entwickelte Optometrie-System ist mittlerweile zum Aushängeschild des Unternehmens geworden. Es ermöglicht eine 3D-Modellierung und -Abtastung von Augen sowie eine schnelle Berechnung der Korrekturwerte über einen speziellen Cloudserver. So kann der Optiker in kurzer Zeit individuell zugeschnittene Gläser fertigen, mit einer Anpassungsgenauigkeit auf bis zu 0,05 Dioptrien. Zum Vergleich: herkömmliche Verfahren besitzen einen Präzisionsgrad von nur 0,25 Dioptrien. Das neue Verfahren ermöglicht also die Fertigung hochpräziser, maßgeschneiderter Brillengläser mit einer genaueren Sehkorrektur, die bei der Kundschaft gut ankommt. 

 

Um dem Entwicklungstrend der Produktivkräfte neuer Qualität gerecht zu werden, den sich China auf die Fahnen geschrieben hat, forciert auch die Brillenindustrie in Danyang derzeit ihre Transformation und Aufwertung. Gezielt wird nach einem wettbewerbsfähigeren Weg für High-End-Produkte gesucht. Laut der örtlichen Handelskammer haben die Optikunternehmen der Stadt damit begonnen, auf den Spezialbrillenmarkt vorzustoßen. Sie erweitern ihr Geschäft nicht nur auf den AR/VR-Bereich, sondern investieren auch in die Erforschung und Entwicklung von Smartglasses. In Zukunft könnten Funktionen wie Navigation und Echtzeitübersetzung durch den Einsatz intelligenter Technologien ermöglicht werden. Versuchsfelder wie diese erweitern somit die Entwicklungsgrenzen der hiesigen Optikindustrie und setzen neue Energien in der intelligenten Fertigung und der Erschließung von Zukunftsmärkten frei. 

 

Brilleneinkaufstouren als touristischer Anreiz 

Während der diesjährigen Maifeiertage zählten die acht wichtigsten touristischen Attraktionen von Danyang insgesamt rund 277.300 Besucher. Ins Brillenkaufhaus Danyang pilgerten stattliche 107.000 Besucher – rund 29 Prozent mehr als im Vorjahr. Damit landete die Mall stadtweit auf Platz 2, was die Besucherzahlen angeht. Doch warum zieht ausgerechnet ein Brillenkaufhaus so viele Touristen an? 

 

Das liegt vor allem am cleveren Marketing der Einrichtung. Bereits 2010 haben die Verantwortlichen das Einkaufszentrum zu einer nationalen Einkaufs- und Touristenattraktion der Klasse 3A aufgebaut. Gestützt auf die starke Optikbranche haben sich spezielle Brilleneinkaufstouren zu einem Reiseerlebnis mit Alleinstellungsmerkmal gemausert. An Wochenenden und Feiertagen kommen Kunden aus dem gesamten Jangtse-Delta per Auto oder Zug hierher. Die tägliche Besucherzahl der Mall kann dann schon mal über 10.000 erreichen – mehr als in den meisten 4A-Touristenattraktionen des Landes. 

 

„Ich hatte schon lange gehört, dass man hier in Danyang eine große Auswahl und gute Qualität findet. Wir sind dieses Mal extra hergefahren, um uns Brillen anfertigen zu lassen. Nebenbei haben wir noch ein bisschen die Stadt erkundet“, sagt Frau Xiao aus der Nachbarstadt Changzhou, die mit ihrer Familie ins Kaufhaus gekommen ist. „Wir haben schlussendlich drei Brillen gekauft, die wir alle in weniger als einer Stunde abholen konnten – und das zu einem fairen Preis“, ist die Kundin zufrieden. 

 

 

 

Den Überblick behalten: Im Brillenkaufhaus können Kunden aus zahlreichen Gläservarianten wählen. (Foto: Wang Ruying) 

 

Kunden wie Frau Xiao gibt es im Danyanger Brillenkaufhaus viele. Selbst an Werktagen sind alle Parkplätze vor der Mall restlos belegt. Die Stadtregierung unternimmt seit einigen Jahren Anstrengungen, um diesen Besucherstrom nun auch in langfristige Besucherbindung umzumünzen. Ziel ist es, das Brillenkaufhaus zu einem modernen, umfassenden Service- und Shoppingzentrum auszubauen, das Marktgeschehen, Gastronomie, Hotellerie, Film- und Showveranstaltungen unter einen Hut bringt. Teil dieser Strategie ist auch ein Brillenfestival mit kulturellem und sportlichem Rahmenprogramm, das noch mehr Konsumenten zum Brillenkauf und Stadtbesuch animieren soll. 

 

Auch flächenmäßig soll das Kaufhaus weiter wachsen. Ein Neubau auf einem rund einen Quadratkilometer großen Areal ist bereits in der Mache. Hier sollen in Zukunft unter anderem ein Brillenmuseum, eine Augenklinik sowie weitere Gastronomie und Hotellerie entstehen. Die Stadt will den primären, den sekundären und den tertiären Sektor eng miteinander verzahnen, um die reine Optikbranche in eine diversifizierte Industriestruktur nach dem Muster „Produktion + Gesundheit + Kultur“ zu gießen. Durch die Verbindung von Industrie und urbanen Funktionen will die Stadt Danyang ihre Erfolgsgeschichte weiter fortschreiben. 

 

Neue Märkte dank Onlinehandel 

In Danyang sind heute mehr als 1600 Brillenunternehmen bzw. flankierende Industrie- und Handelsfirmen angesiedelt. Mit einer Jahresproduktion von mehr als 100 Millionen Brillengestellen und rund 800 Millionen Gläsern hat sich die Stadt ihren Spitznnamen „Brillenhauptstadt“ also redlich verdient. Die örtliche Glasproduktion macht mittlerweile 75 Prozent der nationalen und 50 Prozent der weltweiten Produktion aus. Der Jahresumsatz beträgt über zwölf Milliarden Yuan, wobei die Produkte auch nach Ost- und Südostasien, Europa und Nordamerika exportiert werden. Die Stadt ist somit der wahre Verkaufschampion auf dem globalen Brillenmarkt. 

 

In den letzten Jahren hat sich mit der Entwicklung des grenzüberschreitenden E-Commerce auch der ausländische Kundenstamm für Lesehilfen „Made in Danyang“ kontinuierlich erweitert. 2021 nahm der Danyang-Industriepark für grenzüberschreitenden E-Commerce für Optikprodukte offiziell seinen Betrieb auf. Dort finden sich unter anderem Livestreaming-Studios, Büroflächen und Fortbildungsräume als Hilfestellung für Unternehmen beim Einstieg in den E-Commerce. Zusätzlich bietet der Industriepark auch verschiedene Business-Schulungen zu Themen wie Schutz von Eigentumsrechten und E-Commerce-Betrieb an, um Unternehmen gezielt beim Schritt ins Ausland zu unterstützen. Dank dieser Förderung loten heute immer mehr Danyanger Firmen die Geschäftsmöglichkeiten des grenzüberschreitenden E-Commerce aus. Mittlerweile sind schon 16 Unternehmen im Industriepark angesiedelt. 

 

 

 

Kennerblick: Im Danyang-Industriepark für grenzüberschreitenden E-Commerce stellt eine Livestreamerin verschiedene Brillenmodelle vor. (Foto: Xinhua) 

 

„Wir bieten unseren ausländischen Verbrauchern mehr als 5000 Gestell-Modelle und 50 Glasvarianten für maßgeschneiderte Lösungen an, was unsere Produkte auf dem Überseemarkt sehr wettbewerbsfähig macht“, erklärt Hu Hongmei, die stellvertretende Geschäftsführerin von Jiangsu Taojing. Mit Hilfe der grenzüberschreitenden E-Commerce-Plattform sei es dem vor allem auf den Überseemarkt ausgerichteten Unternehmen gelungen, personalisierte Sehhilfen weltweit unabhängig zu vertreiben. 

 

Um lokale Unternehmen bei der stetigen Erschließung ausländischer Märkte zu unterstützen, hat die Danyanger Stadtregierung eigens ein Förderpaket auf den Weg gebracht. Es umfasst unter anderem Maßnahmen für intelligente Modernisierung und digitale Transformation, Hilfe bei der Stabilisierung von Arbeitsplätzen, die Bereitstellung von Dienstleistungen für den grenzüberschreitenden E-Commerce und die Rückerstattung von Exportsteuern. Bis Ende November 2024 erreichten die Ein- und Ausfuhrvolumen der lokalen Brillenindustrie einen Wert von 4,451 Milliarden Yuan, 4,76 Prozent mehr als im Vorjahr. Vom Produktanbieter zum Markenhändler – längst zeigt sich die Danyanger Brillenindustrie selbstbewusst auf der internationalen Bühne. In Zukunft dürfte man also noch mehr zu hören bekommen von der Brillenhauptstadt – dem Showroom der chinesischen Brillenindustrie. 

 

 

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