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Boom der Frühstücksbissen: Morgenmärkte in Chinas Nordosten werden zum Trendreiseziel

2024-01-22 16:45:00 Source:german.chinatoday.com.cn Author:Yuan Yuan
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Heiß und dampfend: Eine Straßenverkäuferin brät Fladenbrote auf einem Morgenmarkt in Qiqihar in Heilongjiang. (Foto: Wang Yajuan) 


Schon im Morgengrauen, wenn es noch duster ist, schwärmen die Straßenhändler auf den Xiaoheyan-Markt in Shenyang aus, hier in der Provinz Liaoning im hohen Nordosten Chinas. Dick eingemummelt gegen die Kälte stellen die Verkäuferinnen und Verkäufer ihre Stände auf und heizen die Öfen vor. Nach und nach ist die Luft mehr und mehr geschwängert von verlockenden Düften aus brodelnden Töpfen und brutzelnden Pfannen. 

 

In den ersten Strahlen der Morgensonne strömen die ersten Kunden herbei, um hier einen Happen Heißes zu bekommen. Lange Warteschlangen vor beliebten Ständen sind dann keine Seltenheit. Denn der Markt lockt mittlerweile auch zahlreiche Touristen an. Immer wieder sieht man Menschen, die sich mit ihrem Reisegepäck im Schlepptau zwischen den Ständen hindurchschlängeln, in der Hand diverse Tütchen mit frisch zubereiteten Frühstücksspeisen. 

 

Die Morgenmärkte in Liaoning, Jilin und Heilongjiang, den drei Provinzen im Nordosten Chinas, trenden seit einigen Monaten auf Social Media. Videos, die lokale Spezialitäten, einschließlich Morgensnacks, zum Schnäppchenpreis sowie ausgefallene Obst- und Gemüsehappen auf diesen Märkten für Frühaufsteher dokumentieren, gingen in letzter Zeit reihenweise viral. Für ein frittiertes, mit roter Bohnenpaste gefülltes Gebäck muss man zum Beispiel in Beijing mindestens vier Yuan berappen, umgerechnet also rund 50 Cent. Auf den Morgenmärkten im Nordosten sind solche Häppchen schon für einen schlappen Yuan, also zirka 13 Cent, zu haben. 

 

Social-Media-Beiträge mit Headlines wie „Sich in Nordostchina für unter zehn Yuan den Bauch vollhauen“ haben den Märkten einiges an Berühmtheit beschert. Heute gelten sie als Inbegriff für verlockende Snacks zu verlockenden Preisen.  

 

  


Buntes Treiben: Kunden wuseln an diesem Septembermorgen 2023 zwischen den Ständen auf einem belebten Morgenmarkt in Qiqihar umher. (Foto: Wang Yajuan) 

 

Boom der Frühstücksbissen 

 

Dass der Xiaoheyan-Morgenmarkt in den sozialen Medien viral ging, hat Dong Lijuan überrascht. Die Chinesin betreibt einen Stand mit Wontons auf dem Markt. Erst vor sechs Monaten habe sie die Standgenehmigung erhalten, erzählt sie. Damals war der Markt noch ein Geheimtipp und wurde eher von Anwohnern besucht, insbesondere Senioren, die es bekanntlich schon früh aus dem Bett treibt und die stets auf der Suche nach Schnäppchen sind. 

 

Vor einem halben Jahr rollte schon einmal ein Food-Hype durchs Netz. Damals ging Barbecue aus Zibo viral. Die ausgeprägte Grillkultur in Zibo, einer Kleinstadt in Shandong, entfachte ein landesweites Grillfieber und lockte Scharen von Touristen in den kleinen, zuvor wenig bekannten Ort. Einige Städte im Nordosten Chinas, die ebenfalls große Stücke auf ihre einzigartige Grillkultur halten und viele treue Grillfans zählen, begannen daraufhin ebenfalls nach Möglichkeiten zu suchen, um ihre lokale Esskultur nach dem Vorbild Zibos zu vermarkten. Letztendlich waren es aber die morgendlichen Snacks, die unverhofft ins Augenmerk der Netz-Community rückten und die besagten Städte zu beliebten Reisezielen machten. 

 

Händlerin Dong sagt, sie habe bemerkt, dass die Anzahl der Touristen in den Ferien um den Nationalfeiertag herum schlagartig zugenommen habe. Das war in diesem Jahr vom 30. September bis zum 7. Oktober. „Seitdem sehen wir hier eine wachsende Zahl von Livestreamern, die den Marktbummel samt Snackverkostung mit dem Smartphone übertragen“, sagt sie und lacht. 

 

An Wochentagen klingelt bei Dong und ihrem Mann schon gegen drei Uhr in der Früh der Wecker. Dann ist es Zeit, mit der Wonton-Zubereitung zu beginnen. An Wochenenden müssen die Eheleute sogar schon vor zwei Uhr aus den Federn. „Wir zählen nie, wie viele Wontons wir an einem Morgen verkaufen. Aber am Schluss ist irgendwie immer alles ausverkauft, egal wie viel wir vorbereitet haben“, sagt die Marktstandbetreiberin zufrieden. Um diesem hektischen Zeitplan gerecht zu werden, gehen Dong und ihr Mann in der Regel schon gegen 19 Uhr ins Bett. 

 

Die meisten Morgenmarktverkäufer haben einen ähnlichen Tagesablauf. Ein Verkäufer mit Nachnamen Han bietet gefüllte Dampfbrötchen an, vielen besser bekannt als Baozi. Auch für ihn und seine Frau klingelt an Wochenenden der Wecker schon gegen zwei Uhr. Seine Baozi sind im Vergleich zu anderen Snackpaketen nicht gerade billig. Ein Dampfbrötchen mit Gemüsefüllung kostet drei Yuan (38 Cent). „Damit bewegen wir uns in Shenyang wohl schon am oberen Preislimit, vielleicht sind wir sogar die teuersten“, sagt Han. Aber Qualität habe eben ihren Preis. „Unsere Baozi verkaufen sich gut und wir haben viele Stammkunden“, sagt der Baozi-Bäcker. 

 

Als erfahrener Verkäufer, der seit acht Jahren auf dem Markt ist, sagt Han, dass jetzt die beste Zeit für den Markt sei. „Wir haben in den letzten Jahren aufgrund von Corona einen starken Kundenrückgang erlebt. Jetzt sehen wir hier mehr Menschen, sogar mehr als vor der Pandemie.“ 

 

Man erkennt Han auf dem Markt leicht an seiner einzigartigen Art, seine Köstlichkeiten laut und rhythmisch anzupreisen. In einem auf Douyin, Chinas führender Kurzvideo-Plattform, hochgeladenen Clip ist Han an einem verschneiten Morgen hinter dem aufsteigenden Dampf seiner Baozi-Dämpfkörbe zu sehen, mit dem Schlachtruf: „Egal bei welchem Wind und Wetter bin ich hier in Xiaoheyan euer Frühstücksretter!“ 

 

Liu Xin, ein Beijinger, der Shenyang allein im November schon zweimal besucht hat, sagt uns, dass der bunte Trubel einer der Hauptgründe sei, warum es die Menschen Scharenweise auf die Morgenmärkte im hohen Nordosten ziehe. Etwas mehr als drei Stunden sind es mit dem Hochgeschwindigkeitszug von Beijing nach Shenyang. Die Metropole hat sich zu einem beliebten Wochenendreiseziel für die Hauptstädter gemausert. „Es ist total entspannend, hier in das Markttreiben einzutauchen, insbesondere in das Feilschen der Anbieter“, sagt Liu. Er erlebe Shenyang als eine sehr gastfreundliche Metropole. 

 

Wintergeschäft 

 

Der Morgenmärkte-Hype beschert mittlerweile einigen Städten im Nordosten touristischen Aufwind, darunter Changchun, die Hauptstadt von Jilin, aber auch die Metropole Harbin, die Hauptstadt Heilongjiangs, die in der Vergangenheit eigentlich vor allem für ihre winterlichen Eisskulpturen bekannt war. Neben Schnee- und Eislandschaften kann Nordostchinas Winterwunderland also nun mit einem weiteren Trumpf bei Touristen aus dem In- und Ausland aufwarten. 

 

Der Tourismusboom der Morgenmärkte scheint sich jedoch auf Städte zu beschränken, die ohnehin schon bei Touristen beliebt sind. Eine Standbetreiberin mit Nachnamen Zhang auf einem Morgenmarkt in Mudanjiang in Heilongjiang berichtet uns, dass sie keinen Anstieg ihrer Verkäufe durch Touristen erlebt habe, da es generell nur wenige Touristen in die vergleichsweise unbekannte Stadt verschlage. 

 

Sie und ihr Mann verkaufen einen in Nordostchina heimischen Morgenimbiss, den man als „Eierburger“ bezeichnen könnte, gemacht aus einem Spiegelei und Fleisch zwischen zwei Teigschichten. 

 

Zhang ist eine wahre Veteranin in ihrem Geschäft. Sie betreibt ihren Stand schon seit 22 Jahren. Ihre Burger gelten als die besten der Stadt. Im Sommer kommt das Paar schon in aller Herrgottsfrühe, nämlich um zwei Uhr morgens auf den Markt, um die Kunden zu bedienen, meist Arbeiter am örtlichen Bahnhof und junge Nachtschwärmer. 

 

Der Winter sei allerdings eine eher schwache Saison fürs Geschäft, da es bei eisigen Temperaturen nur wenige Kunden so früh aus den Betten treibe. Im Winter baut Zhang ihren Stand deshalb normalerweise erst gegen fünf Uhr morgens auf. „In den letzten Tagen ist die Zahl der Kunden, wie gewöhnlich zu dieser Jahreszeit, angesichts fallender Temperaturen etwas zurückgegangen“, sagt sie, während sie ihre Burger brät.  

 

Doch es ist auch nicht alles rosig, wenn es um den Hype um die Morgenmärkte geht. So wurde etwa ein Vlogger mit über vier Millionen Followern dafür kritisiert, die niedrigen Preise auf den Märkten zu übertreiben, um Klicks zu erhaschen. Der Vlogger behauptete, mit 100 Yuan (rund 12,80 Euro) ließen sich 30 Personen sattmachen. Später entschuldigte sich der Influencer für diese Übertreibung. 

 

Es gibt auch Beschwerden und Bedenken von Einheimischen, die vielen Touristen könnten die Preise in die Höhe treiben. Als Reaktion darauf haben lokale Behörden in einigen Städten wie Shenyang Maßnahmen zur Preisregulierung eingeführt. 

 

„Wir sollten die Beliebtheit der Morgenmärkte in Nordostchina ohnehin rational betrachten“, mahnt Lü Yi, Professor für Journalistik an der Peking-Universität. „Der Hype könnte eines Tages verglühen wie die Grillhitze in Zibo“, warnt er. Fakt aber bleibe: Der Gourmettrend trage ganz klar dazu bei, dass mehr Menschen diese Tourismusziele besuchten und erkundeten, und zwar aus einer Perspektive, die sich von der herkömmlicher Reisender unterscheide. 

 

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