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Mehr als Töpfe schmieden: Kupferkunst aus Datong verzaubert die Welt

2025-06-04 13:19:00 Source:cdd-online.com.cn Author:Wang Ruying
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„Auf dem Wutai-Berg betet man zu Buddha, in Datong kauft man Kupfer.“ Was könnte die tiefe Verbindung der Stadt Datong zur Kupferverarbeitung besser verdeutlichen, als diese historische Redewendung. Sie ist unter Einheimischen längst ein geflügeltes Wort. Historischen Aufzeichnungen zufolge beherrschten die Handwerker in der heutigen Drei-Millionen-Stadt in Shanxi bereits vor über 2000 Jahren die Kunst der Kupferverarbeitung in Vollendung. Ins Zentrum der Öffentlichkeit rückte die Datong-Kupferkunst vor allem 2014, als China sie offiziell in die Liste des nationalen immateriellen Kulturerbes aufnahm. Die über Jahrtausende weitergegebene Fingerfertigkeit strahlt also auch heute noch – nach unzähligen Hammerschlägen und Gravuren – in vollem Glanz. 

 

 


Kufperkenner Li Anmin beherrscht sein Handwerk meisterlich. Hier posiert er vor kunstvoll selbstgefertigten Kupferfeuertöpfen. (Foto: Yu Xiangjun) 

 

Fast vergessen 

In einer geschäftigen Straße westlich des Shanhua-Tempels in der Datonger Altstadt dringen aus einem Laden scheppernde Metallschläge. Betritt man das Geschäft mit angeschlossener Werkstatt, fallen einem sofort die unzähligen Messingprodukte ins Auge, die hier ausgestellt sind. Insbesondere die fein säuberlich aufgereihten und kunstvoll gravierten Kupferfeuertöpfe sind ein Blickfang, der Touristen magisch anzieht. 

 

Der Besitzer des Ladens, Li Anmin, ist bereits 85 Jahre alt, doch kein bisschen müde. Ursprünglich aus Shunping in Hebei stammend, kam er einst als Jugendlicher nach Datong, wo er zunächst in einer Fabrik für Bergbaumaschinen arbeitete, nämlich als Gießer, Dreher und Schlosser. 1978 berief man ihn zum Direktor der Metallkunstfabrik Datongs. Das war zu einer Blütezeit des Handwerks, als Kupferwaren ein begehrtes Gut waren. „Damals brauchte man extra eine Genehmigung von oberer Stelle, um einen Kupferfeuertopf erwerben zu können. Das galt sogar für Einheimische“, erinnert sich der 85-Jährige Li Anmin. 

 

Doch in den 1990er-Jahren führten steigende Rohstoffpreise und ein Mangel an Nachwuchs zum Niedergang der örtlichen Kupferwarenindustrie. Die glänzenden Töpfe glänzten nur noch in der Erinnerung an bessere Zeiten, reiften gar zum Sinnbild des Umbruchs in der Region. 1998 erwischte es auch Li Anmin. Seine Fabrik schloss, viele Kollegen wechselten das Metier. Li allerdings tat der Anblick des Verfalls der einst blühenden Fabrik und die berufliche Umorientierung seiner ehemaligen Kollegen in der Seele weh. Er sorgte sich um die Zukunft der jahrtausendealten Tradition. „Mir war klar: Die Fabrik mochte verloren sein, aber unser Handwerk durfte nicht verloren gehen!“ Mit 80.000 Yuan Eigenkapital und einigen alten Kollegen entfachte Li in seinem Hof schließlich auf eigene Faust die Öfen, um die manuelle Kupferverarbeitung wieder anzukurbeln. Es war sein persönlicher Beitrag zum Schutz und zur Weitergabe der alten Kunstfertigkeit, die einst von Generation zu Generation vererbt worden war. 

 

 

 

Kunstvoll verziert: In diesen Kupfertöpfen in Li Anmins Laden soll einmal feuriges chinesisches Fondue brodeln. (Foto: Yu Xiangjun) 

Nach einigen Jahren unermüdlicher Bemühungen sollte sich die Beharrlichkeit von Li Anmin und seinen Kollegen schließlich auszahlen. 2002 gründete Li seine eigene Kunsthandwerksfabrik namens Tianyichang. Später eröffnete er auch eine eigene Werkstatt mit angeschlossener Ausstellungs- und Verkaufsfläche im historischen Stadtkern Datongs. Dank der vielen nahegelegenen Sehenswürdigkeiten und des großen Touristenzustroms florierte sein Geschäft, was den Kupferwaren neues Leben einhauchte. Die Aufnahme in die Liste des nationalen immateriellen Kulturerbes 2014 tat ihr Übriges. 2017 erhielt Li Anmin zudem den Titel als nationaler Vertreter des immateriellen Kulturerbes, was ihm weiteren Auftrieb gab. 

 

Auf die Frage, was ihn bewegte, im Ruhestand quasi noch einmal ganz von vorne anzufangen, sagt der 85-Jährige: „Das Erbe der Kupferkunst ist ein kultureller Schatz unseres Landes. Als Handwerker müssen wir alles geben, um es zu bewahren – das ist schließlich der vielzitierte Geist des Gongjiang, des chinesischen Handwerksmeisters!“ 

 

Altes Bewahren und Neues wagen 

Kupfer ist ein zentrales Symbol der Datonger Kultur. Die Kupferverarbeitung reicht bis in die Östliche Zhou-Dynastie, also in die Zeit von 770 bis 256 v. Chr. zurück. Bis zur Nördlichen Wei-Dynastie (386‒534) hatte die Bronzegießerei in der Region bereits ein hohes Niveau erreicht. In der Ming- und Qing-Dynastie (1368-1911) beherrschten Datonger Kupferwaren einen großen Teil des landesweiten Marktes. Die Produktpalette umfasste acht Serien mit über 300 Unterkategorien, darunter Hofkessel, kunstvoll gefertigte Feuertöpfe, Schreibutensilien, Weingefäße und Teesets. 

 

 

 

Mit Fingerspitzengefühl: Ein Lehrling von Li Anmin graviert hier ein Drachenmuster auf den Kesselkörper. (Foto: Yu Xiangjun) 

 

Li gibt uns Einblick in den aufwendigen Herstellungsprozess: „Eine Kupferware durchläuft bis zur Fertigstellung über zehn Arbeitsschritte: Materialauswahl, Legierungsmischung, Schmelzen, Schmieden, Löten, Gravieren, Verzinnung und Polieren“, erklärt er. „Datong-Kupferwaren sind handgeschmiedet, also keine Gussware, das macht sie so besonders“, betont der Altmeister. Herzstück der Herstellung seien das Schmieden und das Gravieren, sagt er. Sie stellten das Können des Handwerkers am stärksten auf die Probe. „Das Gravieren – ob Flach- oder Reliefarbeit – erfordert jahrzehntelange Übung.“ 

 

Li Anmin hat diese Übung, und er gibt sie weiter. Mittlerweile hat er viele Nachfolger herangezogen. „Von den mehreren Dutzend Lehrlingen, die ich über die Jahre ausgebildet habe, sind zwei bereits Kunsthandwerksmeister auf Provinz- und fünf auf Stadtebene“, berichtet der 85-Jährige stolz. Sein Fokus liege zunehmend darauf, sein Handwerk an die jüngere Generation weiterzugeben. Neben der Ausbildung von Lehrlingen bringt er das Kunsthandwerk bewusst auch an die Schulen, um Kinder und Jugendliche für das alte Kulturerbe zu sensibilisieren und sie anzuspornen, sich für die Fortführung der Kunstform zu engagieren. 

 

Die neue Generation bringt auch frischen Wind in die Branche. In der Vergangenheit produzierte die Fabrik hauptsächlich traditionelle Waren wie Koch- und Palastkochtöpfe, Buddhafiguren, religiöse Gegenstände oder Schreibutensilien. „Jetzt haben wir auch neue Produkte im Sortiment, etwa induktionstaugliche Kochtöpfe, um uns den Bedürfnissen des Marktes anzupassen“, sagt Li. Auch in Sachen Design experimentiere man mit neuen Ideen. Li lasse beispielsweise lokale Elemente aus Datong in seine Muster einfließen. Daraus seien viele neue Modelle hervorgegangen. „Wir bieten heute Töpfe mit Wahrzeichen unserer Stadt an, etwa den ,Fliegenden Apsarasʻ der Yungang-Grotten, lassen uns aber auch inspirieren von klassischen Motiven von Bronzewaren der Shang- und Zhou-Dynastie (1600 bis 256 v. Chr.). Unsere Hoffnung ist es, künstlerisch wertvolle Gebrauchsgegenstände in den Alltag der Kunden zu bringen. Ganz nebenbei sind unsere Produkte natürlich aber auch eine gute Werbung für unsere Stadt“, sagt der Kunsthandwerker. 

 

Bei Li Anmin scheint das Händchen fürs Kunsthandwerk in der Familie zu liegen. Auch Sohn Li Xudong trägt mittlerweile den Titel eines nationalen Vertreters des immateriellen Kulturerbes. Laut ihm tragen die Anstrengungen zur Weitergabe der alten Kunstfertigkeit bereits deutliche Früchte: „Dank der Unterstützung des Staates für das immaterielle Kulturerbe und der zunehmenden Wertschätzung traditioneller Kulturschätze entsteht ein immer größeres Bewusstsein in China für den Wert unserer Kupferwaren.“ Das spiegele sich letztlich auch an kontinuierlich mehr Bestellungen, so Li Xudong. 

 

Tritt auf die Weltbühne 

Im Jahr 1973 stattete Ministerpräsident Zhou Enlai gemeinsam mit dem französischen Präsidenten Georges Jean Pompidou der Stadt Datong einen Besuch ab. Bei einem gemeinsamen Essen lobte Pompidou den Kupferkochtopf auf dem Tisch in den höchsten Tönen. Zum Abschluss des Besuches überreichte man ihm daher einen Kupferkochtopf mit dem Muster „Neun Drachen im Mondlicht“ als Staatsgeschenk. Das Design, inspiriert von der Neun-Drachen-Wand vor dem Daiwang-Palast in Datong, kombinierte Einlegearbeit, Relief und Liniengravur. Die neun Drachen auf dem Topf speien Wolken und Rauch – fast lebensecht. Mehrere in- und ausländische Journalisten fingen die Szene, wie die chinesische Seite das Präsent überreichte, damals ein, was der Kupferwarenkunst aus Datong mit einem Schlag weltweite Bekanntheit verschaffte. 

 

2019 dann statteten der französische Kulturstar und Präsidentensohn Alain Pompidou und seine Gattin Datong erneut einen Besuch ab und zeigten großes Interesse an der Kunst der Kupferbearbeitung. Unter fachmännischer Anleitung von Li Anmin probierte sich Alain Pompidou sogar selbst in der Bearbeitung des glänzenden Materials. „Da auch mein Vater schon einmal hier war, verspüre ich eine besondere Verbundenheit zu dieser Stadt. Auch ich werde viele schöne Erinnerungen von hier mit nach Hause nehmen“, so der Franzose damals. 

 

 

 

Fingerfertigkeiten abklopfen: Alain Pompidou probiert sich in der Kupferbearbeitung, unter dem Kennerblick von Altmeister Li Anmin (Foto: Interviewpartner) 

 

Die starke Bindung von Alain Pompidou zu Datong freut Li Anmin natürlich. „Alain Pompidou hat angekündigt, hier in Datong eine internationale Kunstgemeinschaft einrichten zu wollen, die sich derzeit bereits in Planung befindet. In Zukunft soll sie einen Anlaufpunkt für Kunstgruppen aus aller Welt formen. Wir hoffen natürlich, dass wir mit diesem Vorstoß die Bekanntheit unserer Kupferkunst weltweit noch einmal steigern können.“ An Ruhestand ist für Altmeister Li also noch nicht zu denken. 

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