September 2003
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Kultur und Kunst

Die Pagoden Chinas

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Die Pagoden Chinas

Von Luo Zhewen

Reisende in China treffen Pagoden allerorten an - in den Städten, auf Berggipfeln, an Flussufern, in oder neben Tempeln. Die frühesten wurden im 1. Jahrhundert errichtet, als der Buddhismus aus Indien eingeführt wurde. Zuvor hatte man in China hohe Gebäude nur für die feudalen Herrscher gebaut, um es ihnen zu ermöglichen, „Unsterbliche”, von denen man glaubte, sie würden in den Wolken leben, zu treffen.

Ursprünglich war die Pagode das zentrale Gebäude des Tempels, vor dem die Mönche beteten. Später wurde sie vor, hinter oder neben den Tempeln gestellt und schließlich ohne Beziehung zu Tempeln errichtet.

Im Jahre 67, im zehnten Regierungsjahr Yongping der Östlichen Han-Dynastie, kamen zwei indische Mönche, Kasyapa Matanga und Dhawara Keha, mit Sutren und Buddhafiguren in die damalige chinesische Reichshauptstadt Luoyang, um die Lehre des Buddhismus zu predigen. Der Kaiser ließ ihnen ein Kloster erbauen und gab ihm – da die beiden Mönche auf weißen Pferden gekommen waren – den Namen Baimasi, „Weißes Pferd-Kloster“. Sein zentrales Gebäude war eine viereckige Pagode – es war das erste buddhistische Bauwerk in China.

Viele Pagoden, die später gebaut wurden, stehen im Zusammenhang mit dem Buddhismus. In der ehemaligen Hauptstadt mehrerer chinesischer Dynastien Xi’an, Provinz Shanxi, gibt es z. B. zwei Pagoden, die für Xuan Zang, einen bedeutenden Mönch der Tang-Dynastie, errichtet wurden. Xuan Zang reiste vor 1300 Jahren nach Indien und brachte 600 Sutren zurück, die er im Ci’en-Kloster ins Chinesische übersetzte. Auf Anordnung des Kaiserhofes wurde zur Aufbewahrung der heiligen Schriften die Dayan-Pagode im Kloster errichtet. Nach dem Tod des Mönches wurde zum Andenken an ihn in Xingjiao-Kloster, wo er bestattet wurde, die Xuanzang-Pagode erbaut.

Mit der Zeit benutzte man Pagoden auch zu anderen Zwecken. In Nordchina errichtete man sie als militärische Wachtürme. In Südchina dienten Pagoden an Flussufern oder an der Küste der Schifffahrt als Navigationshilfe. Die Seefahrer in Guangzhou pflegten vor Ausfahrten sich von der Guang-Pagode aus einen Überblick über die Wetterlage zu machen. Die Liuhe-Pagode an der Mündung des Qiangtang-Flusses ins Ostchinesische Meer wurde vor tausend Jahren errichtet, um – so heißt es – die Götter um Schutz vor Flutkatastrophen zu bitten. In der Praxis diente sie auch der Schifffahrt. Es gibt viele Pagoden, die ausschließlich die Landschaft verschönern. Manchen wurde ein neuer Sinn verliehen. Die alte Pagode auf dem Fenghuang-Berg in Yan’an wurde zu einem Symbol der Revolution, weil Yan’an in den Jahen der revolutionären Kriege Sitz des Zentralkomitees der KPCh war.

Baustile

Chinesische Pagoden sind durch einen eigenen Baustil charakterisiert, der aus der Kombination der runden buddhistischen Stupas Indiens mit der traditionellen chinesischen Pavillon- und Turmbauweise hervorging. Chinesische Pagoden sind viereckig, polyeckig oder kreisförmig, mit vielen Stöcken, die von vorspringenden Dächern oder Dachtraufen voneinander abgehoben sind. Sie können einzeln oder gruppenweise stehen. Als Baumaterial dienen Holz, Ziegeln, Steine oder glassierte Ziegeln. Es gibt auch Pagoden, die aus Eisen, Kupfer, Silber und sogar Gold gegossen sind.

Chinesische Pagoden können in folgende Baustile eingeteilt werden:

Turm-Stil: Das ist die Hauptform der frühen chinesischen Pagoden. Die älteste erhaltene und höchste Holzpagode dieser Art steht im Kreis Yingxian, Provinz Shanxi. Sie wurde 1056 errichtet und ist ein 67 m hohes, achteckiges Gebäude mit neun Stöcken (wobei vier Stockwerke von außen nicht sichtbar sind).

Miyanshita-Stil: Bei dieser Pagodenform sind zahlreiche Dachtraufen auf einem hohen Turmbau dicht aneinander geordnet. Meist sind diese Pagoden aus Ziegeln und Steinen erbaut. Statt Fenster und Türen gibt es in jedem Stock nur Löcher, die Licht einlassen. Ein Beispiel dafür ist die Pagode im Songyue-Kloster im Songshan-Gebirge, Provinz Henan, errichtet vor 1500 Jahren während der Nördlichen Wei-Dynastie. Die 40 m hohe, zwölfeckige Pagode ist mit 15 Dachtraufen versehen.

Pavillon-Stil: Diese einstöckigen, pavillonähnlichen Pagoden sind meist Gräber von Äbten oder bedeutenden Mönchen. Die älteste erhaltene ist die Simen (vier Türen)-Pagode im Shentong-Kloster im Kreis Licheng, Provinz Shandong. Die im Jahre 611 errichtete Pagode ist viereckig und mit einem einträufigen Dach und je einem Tor an jeder Seite versehen.

Lamaistischer Stil: Diese Pagoden ähneln den indischen Dagobas. Auf einer großen Plattform sitzt ein kuppelförmiges an der Spitze mit einem Kronrad versehenes Bauwerk. Typische Beispiele sind die Weiße Pagode im Beihai-Park und die Weiße Dagobas im Miaoying-Tempel, die 1271 von einem nepalesischen Baumeister entworfen wurde (beide in Beijing).

Andere Pagodenstile sind weniger häufig anzutreffen. Genannt seien die Blumen-Pagode (mit Blumenverzierungen am oberen Teil), die Bogengang-Pagode (Straßenverkehr führt durch den Bogen) und die Diamantenthron-Pagode (zwei kleine Pagoden sitzen auf einem „Thron“ mit kunstvoll geschnitzten Verzierungen). Die einzigartige Bambussprossen-Pagode im Kreis Jinhong, Provinz Yunnan, besteht aus einer Zentralpagode in Form einer Lotosblume und acht kleineren, sie umgebenden Pagoden. Aus der Ferne sieht die Gebäudegruppe wie ein Bambus-Dickicht aus. Größere Pagodengruppen werden „Pagodenwald“ genannt. Der im Shaolin-Kloster, Provinz Henan, der aus 220 Pagoden verschiedener Größe besteht, ist der größte Pagodenwald in China.

Hauptmerkmale

Am Aufbau einer typischen chinesischen Pagode lassen sich folgende Hauptteile unterscheiden:

Die unterirdische Halle zur Aufbewahrung von Reliquien. Manche dienen auch zur Verwahrung von Gold, Silber, Büchern, Gemälden und Inschriften.

Die Pagodenbasis. Sie kann eine einfache Plattform oder mit fein gearbeiteten Verzierungen versehen sein.

Der Pagodenkörper. Er kann ausgefüllt oder hohl sein. Im letzteren Fall führt im Inneren eine Wendeltreppe nach oben. Die Außenwand ist häufig mit Ornamenten, Buddhafiguren etc. versehen. Bei den meisten Pagoden ist die Zahl der Stöcke ungerade, und zwar von 3 bis 17. Ganz oben hat die Pagode eine Krone, die mit Juwelen, Perlen und Vasen verziert ist.

Seit der Gründung des neuen China 1949 werden alte Pagoden als Kulturdenkmäler von der Regierung geschützt und erhalten. Die in der Yuan-Dynastie errichtete Shengxiang-Pagode in Wuchang, Provinz Hubei, wurde, da sie beim Bau der Wuhaner Yangtse-Brücke im Wege stand, vorsichtig abgetragen und originalgetreu auf dem Sheshan-Berg wieder errichtet. Infolge von Erosion und Erdbeben entstanden Risse an der bakannten Qianxun-Pagode am Erhai-See in Dali, Provinz Yunnan. 1977 schickte die Regierung Experten hin, um sie instandzusetzen. Die Renovierungsabreiten dauerten drei Jahre. Es wurden mehr als 600 Gegenstände aus der Tang- und Song-Dynastie gefunden, darunter buddhistische Schriftrollen, Perlen und Musikinstrumente, die für das Studium der Geschichte der Provinz Yunnan von großer Bedeutung sind.

Auch nach der Befreiung 1949 wurden Pagoden und pagodenähnliche Türme errichtet. Erstere sind religiösen Zwecken gewidmet (z. B. die Foya-Pagode in den Westbergen bei Beijing, wo ein Zahn Schakjamunis aufbewahrt ist), letztere dem Andenken an gefallene Revolutionäre.

Dazu gehört z. B. das aus zwei fünfeckigen, miteinander verbundenen Pagoden bestehende „Denkmal zur Erinnerung an den Generalstreik vom 7. Februar“, in Zhengzhou, Hauptstadt der Provinz Henan. Es ist 62 m hoch und 14-stöckig. Im Inneren sind Dokumente und Erinnerungsgegenstände vom Generalstreik, den die Eisenbahnarbeiter am 7. Februar 1923 gegen die Imperialisten und feudalen Militärmachthaber veranstalteten, ausgestellt. Das 1. August-Denkmal, 45 m hoch, wurde 1978 in Nanchang, Hauptstadt der Provinz Jiangxi, gebaut. Die Inschrift an der mit Granitsteinen verkleideten Vorderseite schildert kurz den bewaffneten Aufstand des 1. August 1927, der zur Gründung der Chinesischen Roten Armee (heute: Chinesische Volksbefreiungsarmee) führte. Die drei anderen Seiten sind mit großen Reliefs über dieses Ereignis geschmückt.

Aus China im Aufbau, Nr. 7, 1981 

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