August 2003
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Kultur und Kunst

Die Narzissen

Die traditionelle chinesische Medizin

Die traditionelle chinesische Medizin

Die traditionelle chinesische Medizin und Pharmakologie kann auf eine lange Geschichte zurückblicken. Über 3000 Jahre alte Orakelknocheninschriften beschreiben bereits viele Krankheiten, deren Symptome und allerlei Hygienemaßnahmen. In der Westlichen Zhou-Dynastie (11. Jh.-770 v. u. Z.) gab es schon eine Art staatliches Gesundheitswesen und ein Ärzteprüfungssystem. Die Ärzte wurden in vier Fächer geteilt: Ernährungsmedizin, Innere Medizin, Chirurgie und Tiermedizin.

Die Theorie der chinesischen Kräuterheilkunde wurde im Wesentlichen zur Zeit der Streitenden Reiche (475-221 v. u. Z.) begründet. Der damals verfaßte Klassiker der Inneren Medizin ist das erste Fachwerk der chinesischen Medizintheorie, in dem der damalige Stand der Humanbiologie, Pathologie, Diagnose, Therapie und Prophylaxe nach elementardialektischen Grundsätzen systematisch zusammengefasst und erläutert wurde.

Bis zum 2. Jahrhundert v. u. Z. entwickelte sich die chinesische Medizin sehr rasch – berühmte Ärzte traten in Erscheinung, und Fachwerke wurden verfasst. Sowohl Theorie als auch die therapeutische Praxis waren von hohem Niveau. Wie eine 1972 in einem hanzeitlichem Grab bei Mawangdui, Provinz Hunan, entdeckte, vollständig erhaltene Frauenmumie beweist, war die Technik der Körperkonservierung schon vor 2100 Jahren weit fortgeschritten. In einem weiteren Grab bei Mawangdui wurde die älteste Anleitungstafel Chinas für Gesundheitsgymnastik gefunden, außerdem wurden insgesamt 14 Schriften über Akupunktur und Moxibustion, Chirurgie, Gesundheitspflege, Geburtshilfe und Diagnose entdeckt.

Um die Zeitenwende herum entstand Shen Nongs Klassiker der Arzneimittelkunde, in dem u. a. die chinesische Ephedra gegen Asthma und Dichroa febrifuga gegen Malaria empfohlen wird – Mittel, die bis zum heutigen Tag angewendet werden. Im 2. Jahrhundert verwendete der berühmte Arzt Huo Tuo (?-208) das Betäubungsmittel Mafeisan bei Bauchhöhlenoperationen und war damit einer der großen Pioniere auf den Gebieten der Anästhesie und Chirurgie. Sein berühmter Zeitgenosse Zhang Zhongjing schrieb die Abhandlung über Typhus, das erste chinesische Fachwerk über Theorie und Praxis der klinischen Therapie.

Mit der weiteren Entwicklung der medizinischen Wissenschaft im 4. und 5. Jahrhundert wurden die Behandlungsmethoden immer zahlreicher und wirksamer. Es erschien eine Reihe umfassender Werke über Pulsdiagnose, Akupunktur und Moxibustion und über Pathogenese und Symptomatologie. Ab dem 7. Jahrhundert begann sich die chinesische Medizin in Spezialgebiete wie Innere Medizin, Chirurgie, Kinderheilkunde, Akupunktur und Moxibustion, Massagebehandlung etc. aufzufächern. Auch die medizinische Ausbildung hatte ein hohes Maß der Vollständigkeit erreicht. Das Amt der kaiserlichen Leibärzte in der Tang-Dynastie war die erste Medizin-Hochschule der Welt.

Ab dem 15. Jahrhundert kam es durch Gewinnung neuer Einsichten zu bedeutenden Erneuerungen. Man fand neue Behandlungsmethoden gegen ansteckende Krankheiten. Li Shizhens (1518-1593) berühmter Abriss der Arzneikunde, Wu Youxings Einsichten in die Ätiologie, Wang Qingrens (1768-1831) anatomische Erkenntnisse und die Verbreitung der Pockenimpfung stellen bedeutende medizinische Leistungen dieser Zeit dar.

Schon vor über 2000 Jahren begann man in China menschliche Leichen zu sezieren. Die im Klassiker der Inneren Medizin beschriebene Anatomie des menschlichen Skeletts, Länge der Blutgefäße und Lage, Form und Größe der inneren Organe stimmen im Großen und Ganzen mit den Kenntnissen der heutigen Anatomie überein. So wird zum Beispiel die Längenproportion von Speiseröhre und Darmtrakt mit 1:35 angegeben, was dem Verhältnis von 1:37 heutiger anamotischer Messungen fast entspricht. Auch vom Blutkreislauf hatte man bereits eine Vorstellung. Man wußte, dass das Blut in den Adern „fließt ohne still zu stehen und kreist ohne zu ruhen“. Auch wußte man, dass das Herz den Puls erzeugt und zwischen Atmung und Pulsfrequenz ein Zusammenhang besteht.

Auch die Gynäkologie und Geburtshilfe hat in China eine lange Geschichte. So werden im Klassiker der Inneren Medizin bereits Frauenkrankheiten und Schwangerschaftsprobleme und deren Behandlung beschrieben. Der Arzt Chen Ziming (1190-1270) verfasste ein Buch mit dem Titel Sämtliche Frauenrezepte, in dem er das Wissen seiner Zeit über Frauenheilkunde und Geburtshillfe in ziemlich umfassender Weise zusammenfasste. Dieses Buch ist bis auf den heutigen Tag von praktischem Wert geblieben.

Seit alters gab es in China zahlreiche und verschiedenartige Heilmittel. Das schon erwähnte Buch Shen Nongs Klassiker der Arzneimittelkunde bildete mit den darin beschriebenen 365 Arzneien die Grundlage der chinesischen Pharmakologie. Die im Jahre 659 von der Tang-Regierung herausgegebene Neue verbesserte Arzneikunde, in der 844 Heilmittel aufgenommen sind, ist die erste staatliche Pharmakopöe der Welt. Li Shizhens 1578 erschienener berühmter Abriss der Arzneikunde enthält 1892 Heilmittel, über 1000 Illustrationen und mehr als 10 000 Rezepte. Später, Mitte des 18. Jahrhunderts von Zhao Xuemin weiter ergänzt, waren in den chinesischen Pharmakopöen insgesamt 2608 Heilmittel gesammelt. Kein anderes Land auf der Welt verfügte über eine derart umfassende Sammlung von Naturheilmitteln, auch die über 5000 erhaltenen arzneikundlichen Schriftstücke sind einzigartig.

Die Akupunktur und Moxibustion ist eine charakteristische chinesische Behandlungsmethode mit einer langen Geschichte. Vor zweieinhalb Jahrtausenden verwendete der berühmte Arzt Bian Que Nadeln, um einem halbtoten Patienten das Leben zu retten, was der Nadelstechkunst schon damals zu hohem Ansehen verhalf. In der Nördlichen Song-Dynastie verfertigte Wang Weiyi (etwa 987-1067) zwei mit Akupunktur-Punkten versehene Bronzefiguren. Diese ersten Modelle stellten einen bedeutenden Beitrag zur Weiterentwicklung der Akupunktur dar.

Aus „China im Aufbau“, Nr. 6, 1981

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