November 2003
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Tourismus

Die Fujian-Küche
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Kaifeng – eine alte Hauptstadt

Kaifeng – eine alte Hauptstadt

Von Tan Manni

Die Stadt Kaifeng, die am Südufer des Mittelaufs des Huanghe – des Gelben Flusses - liegt, ist heute mehr als 2000 Jahre alt. Sieben Dynastien in der chinesischen Geschichte hatten sie zu ihrer Metropole auserkoren, vor allem in der Nördlichen Song-Dynastie (960 – 1127) galt sie als die blühende Residenz der Welt. „Keine Stadt in der Welt ist so reich wie Kaifeng“ – so sagte man damals von ihr.

Ein Bild des realistischen Malers Zhang Zeduan „Flussufer-Szene am Qingming-Fest“, entstanden im 12. Jahrhundert, gibt die Situation eines belebten Marktes in Kaifeng jener Zeit genau und naturgetreu wieder.

Dieses bekannte Bild hat viele Literaten und Reisende dazu bewogen, diese alte Stadt einmal zu besuchen. Auch ich war in diesem Sommer dort. Meine Freude war groß, als ich die Geschäftsviertel in der Vorstadt, die Läden in den Holzgebäuden und die belebten Märkte, die von Handwerkern und Bauern nur so wimmelten, genauso vorfand, wie das Werk „Flussufer-Szene am Qingming-Fest“ sie geschildert hatte. Kaifeng ist dadurch, dass es als Stadt dennoch auch die Besonderheit des Landes beibehalten hat, von den anderen alten Hauptstädten Chinas - Xi’an, Luoyang, Beijing, Naijing und Hangzhou -, die alles „richtige“ Städte sind, ziemlich verschieden.

Bemerkenswert ist weiter, dass sich die lokalen Sitten und Gebräuche sowie die Literatur und Kunst aus der Nördlichen Song-Dynastie bis heute erhalten haben und sich immer noch weiterentwickeln. In Kaifeng sind viele historische Stätten und Ruinen zu finden, die uns an die Vergangenheit der Stadt erinnern.

Nach 30 Jahren des sozialistischen Aufbaus hat Kaifeng auch ein modernes Stadtviertel. In Hengjiaochun, der Gegend der Regenbogen-Brücke, an der sich die „Flussufer-Szene am Qingming-Fest“ einst abgespielt hat, ragt heute ein Synthese-Turm der Kunstdüngerfabrik empor. An beiden Seiten der sieben Kilometer langen Allee, die von Hengjiaochun bis zum Stadtzentrum führt, stehen die Wohnhäuser der Arbeiter Wand an Wand.

Als eine richtige Stadt in der Ebene von Osthenan wurde Kaifeng von 1911 bis 1954 zur Hauptstadt dieser Provinz. In der Vergangenheit mussten wegen ihrer strategisch wichtigen Lage die Militärmachthaber, die Zentralchina erobern wollten, zuerst die Stadt Kaifeng einnehmen. Unter dem Kuomintang-Regime war Kaifeng eine Konsumentenstadt ohne nennenswerte Industrie, die Wirtschaft stagnierte. Nach der Gründung des Neuen China wurden in Kaifeng 500 Fabriken aufgebaut, in denen heute Traktoren, Autos, Landmaschinen, Werkzeugmaschinen, Computer, Solarbatterien usw. hergestellt werden. Mit der Inbetriebnahme der Wollwebereien und TV-Fabriken wurde in Kaifeng in den letzten Jahren die Grundlage für die Entwicklung der Leichtindustrie der Provinz Henan geschaffen.

Die Stadt Kaifeng nimmt eine Fläche von 359 km2 ein und zählt 410 000 Einwohner, von denen eine Hälfte Arbeiter und Angestellte sind. Der Staat stellte ihnen vor kurzem neue Wohnungen mit einer Gesamfläche von 340 000 m2 zur Verfügung, während die alten Wohnungen gleichzeitig instand gesetzt wurden. Alle Straßen und Gassen sind asphaltiert.

Residenz der Song-Zeit

Zhao Kuangyin, ein Garnisonskammandeur der Späteren Zhou-Dynastie, kam im Jahre 960 durch einen Staatsstreich an die Macht. Als erster Kaiser der Song-Dynastie führt er den Zentralismus ein und beendete damit den Zustand der feudalen Zersplitterung, in dem lokale und regionale Militaristen die Herrschaft innegehabt hatten. In der Gesellschaft herrschte nun Sicherheit, die Wirtschaft entwickelte sich. In der Nördlichen Song-Dynastie wurde der Handel von den Manufakturbetrieben in besondere Geschäfte verlegt, die in den Straßen aufgemacht wurden; auf den Märkten zirkulierten Papiergeld und Wechsel, damals eine Weltneuheit; von Schießpulver angetriebene Raketen wurden ebenfalls hier in Kaifeng zum ersten Mal erfolgreich gestartet. Kultur und Wissenschaften entwickelten sich rasch; in der Astronomie, der Kalligraphie und der Drucktechnik wurden viele weltbewegende Leistungen vollbracht. Bi Sheng leistete mit seiner weiltberühmten Erfindung des Druckverfahrens mit beweglichen Lettern einen riesigen Beitrag zur Verbreitung der Kultur.

Nach der Nördlichen Song-Dynastie begann die Blüte Kaifengs zu vergehen. Infolge von Überschwemmungen des Huanghe und von lang dauernden Kriegen wurden die Kulturdenkmäler Kaifengs schwer beschädigt, besonders im Jahre 1642, als Prinz Zhou der Ming-Dynastie in Kaifeng den Damm des Huanghe brechen ließ, um die Kaifeng umzingelnden Truppen der aufständischen Bauern zu vernichten; der Adel und die Geldsäcke flohen per Schiff. Von den 370 000 Einwohnern der Stadt Kaifeng waren nur noch 30 000 am Leben geblieben, die meisten Häuser waren in fünf Meter tiefem Schlamm versackt. Nur die „Eisen“- und die Po-Pagode, beide in der Song-Zeit erbaut, blieben unversehrt.

Historisches

Die „Eisen“-Pagode, 13-stöckig, achteckig und aus rostroten Ziegeln erbaut, wird als Wahrzeichen Kaifengs betrachtet. Früher stand an ihrer Stelle eine Holzpagode, in der während der Song-Zeit aus Indien hierher gebrachte Buddha-Reliquien aufbewahrt worden waren. Als die Holzpagode durch einen Blitzschlag verbrannte, wurde nach ihrem Vorbild diese „Eisen“-Pagode erbaut. Trotz der Einflüsse der Überschnwemmung, eines starken Erdbebens späterer Zeit und der Kanonenschüsse der japanischen Invasoren in den 30er Jahren blieb sie unbeschädigt erhalten. 1957 wurde sie wieder gemäß der Form, die sie in der Song-Danystie gehabt hatte, renoviert.

Die Po-Pagode, 977 erbaut, zählt zu den ältesten in Kaifeng noch erhaltenen Bauten. Sie war ursprünglich neunstöckig, hat jetzt aber nur noch drei Stockwerke; auf dem dritten Stock steht jedoch noch eine kleine siebenstöckige Pagode. Man sagt, dass die eigenartige Pagode auf das Ringen um die Thronfolge zurückführen soll. Nachdem sein ältester Sohn gestorben war, bestimmte der Ming-Kaiser Tai Zu seinen ältesten Enkel zum Kronfolger. Darüber waren die Prinzen erbost, und ganz besonders der Prinz Zu Xiao, der über die Stadt Kaifeng herrschte. Kaiser Tai Zu hegte den Aberglauben, dass es in Kaifeng eine „Kraft“ gäbe, die Zu Xiao dabei helfen könnte, den Thron an sich zu reißen. Um diese Kraft einzudämmen, wurden auf Befehl des Kaisers die oberen sechs Stockwerke der Po-Pagode abgetragen, des derzeit höchsten Gebäudes. Später – in der Qing-Dynastie – wurde dann eine kleine siebenstöckige Pagode auf dem dritten Stock aufgesetzt. An die Außenseiten der Pagode wurden 33 cm3 großen Ziegel mit Nischen angebracht, in die Buddhafiguren eingelassen sind.

Aus den Ruinen des majestätischen Palastes der Nördlichen Song-Dynastie und des späteren Hofes des Prinzen Zhou der Ming ragt eine große Halle mit gelb glasiertem Dach hervor, die auf einer 13 m hohen Plattform steht. Vor der Halle befindet sich ein aus Holz gestalteter Longting („Drachen-Pavillon“), in dem früher eine Gedenktafel an die kaiserlichen Ahnen aufgestellt war. An Festtagen drückten die Minister und hohen Beamten hier vor dieser Tafel ihre Verehrung aus. Die Plattform und der Drachen-Pavillon, die heute noch existieren, wurden im Jahre 1934 umgebaut. Vom Drachen-Pavillon aus hat man einen guten Überblick über die ganze Stadt. Unten dehnt sich eine Straße, die früher lediglich dem Kaiser diente, bis in weite Fernen; an beiden Seiten der Straße drängt sich die Stadt. Am Horizont ragen der Fernsehsender und hohe Gebäude des Kraftwerkes und der Kunstdüngerfabrik empor, vor dem Pavillon liegen zwei Seen, an deren Ufern man sich erfrischt; einige Leute rudern mit Booten auf dem Wasser herum, andere kühlen sich schwimmend ab.

Das weit und breit berühmte Xiangguo-Kloster zählt zu den belebtesten Orten Kaifengs. Hier ist es dem Besucher möglich, die seit der Nördlichen Song-Dynastie bestehenden Tradition aufzuspüren.

Im Jahre 555 wurde das Jianguo-Kloster auf einem Gelände erbaut, auf dem in der Zeit der Streitenden Reiche der Hof des Bruders des Königs von Wei gestanden hatte. Es wurde jedoch bald vernachlässigt und war dann in der Tang-Zeit nur noch ein Privatgarten. Später kaufte ein wandernder Mönch namens Shanghui aus Spendengeldern den Garten auf und ließ darin wieder ein Kloster errichten. Sein Name lautete wiederum „Jianguo-Kloster“. Im Jahre 712 erschien dem Kaiser Rui Zong die Buddhafigur des Jianguo-Klosters im Traum und offenbarte ihm die Natur ihrer Heiligkeit. Er betrachtete diesen Traum als ein Symbol des Glücks für ihn und ließ das Jianguo-Kloster in Xiangguo-Kloster umbennen, weil ihm vor seiner Thronbesteigung der Titel „Prinz Xiang“ verliehen worden war.

In der Tang- und Song-Zeit bot das Kloster mit seinen vielen Hallen und Mönchszellen ein majestätisches Bild. In der Song-Zeit gab es hier mehrere Wandgemälde bekannter Maler der Tang- und Song-Dynastie. Die Kaiser der Song-Zeit kamen sehr oft hierher, um zu Buddha zu beten. Am Ende der Ming-Zeit wurde das Xiangguo-Kloster durch die Überschwemmung in Trümmer gelegt. Der Qing-Kaiser Qian Long ließ das Xiangguo-Kloster dann von neuem erbauen. Jetzt gibt es im Kloster noch drei hintereinander stehende große Hallen, verschiedene Pavillons und eine Halle mit einem achtstöckigen, glasierten Dach, durch das eine aus einem Ginkgo-Stamm geschnitzte Statue der Bodhisattwa Guanyin mit tausend Armen ragt.

Seit der Song-Zeit ist die Gegend des Xiangguo-Klosters auch Handelszentrum und Verkehrsknotenpunkt. Das Kloster beherbergt zur Zeit des Jahrmarktes zehntausend Menschen. Hier kann man Geschichtenerzähler hören, man kann Akrobaten, Sumo-Ringer, Marionettentheater, Schattenspiel und andere Kunststücke sehen. Auch Weissager und Ärzte gehen auf dem Markt ihren Tätigkeiten nach.

Dieser traditionelle Markt mit verschiedenen Spielen findet bis in die heutige Zeit hinein statt, und zwar hauptsächlich in Xixiang, an der Straße westlich des Xiangguo-Klosters. Im südlichen Teil der Straße verkaufen Straßenhändler Kleidung, Metallwaren und andere Alltagsgebrauchsgegenstände. Im nördlichen Teil sind Imbiß-Buden, Gaststätte, Balladen- und Kunsthäuser, Theater und Kinos zu finden. An beiden Seiten der Straße vor dem Xiangguo-Kloster verhökern Bauern ihr Gemüse und Obst. Der Handel läuft wie geschmiert, und es herrscht reger Verkehr, was einen schon an das Bild „Flussufer-Szene am Qingming-Fest“ erinnern kann.

In Kaifeng wurden manche Straßen nach Persönlichkeiten in der Geschichte benannt. Die „Baofujia“ war 1056 eine Straße, in der sich der Gerichtshof und das Wohnhaus von Bao Cheng, des Präfekten von Kaifeng, befanden. Bao Cheng war ein aufrechter und rechtsschaffener Beamter, der das Gesetz sehr streng beachtete. Die „Youliangsi-Straße“ war eine Stätte, wo Menzius im 4. Jahrhundert v. u. Z. den König des Wei-Staates von seinen Behauptungen überzeugte. „Yangjiahu“, der See vor dem Drachen-Pavillon, war in der Song-Dynastie ein Ort, wo die Familie Yang Ye wohnte, heldenhafte Kämpfer gegen die Invasion der Khitan-Tartaren. Das Buch und die Peking-Oper „Die Generalinnen der Familie Yang“ erzählen von der Geschichte Yang Yes und seiner Familie.

Malereien und Stickereien

Die Malereien der Song-Zeit gehören zum kostbaren Kulturschatz Chinas. In der Song-Dynastie versammelten sich Maler in Kaifeng und machten hier in der Maltechnik auf der Basis der Malerei der Sui- und Tang-Zeit große Fortschritte.

In der Nördlichen Song-Dynastie gelangte die traditionelle chinesische Malerei mit Blumen- und Vogelmalereien sowie Frauen- und Landschaftsgemälden zu ihrer Blütezeit. Der achte Kaiser der Song-Dynastie, Zhao Ji, war ein bekannter Maler mit reichen Erfahrungen. Sowohl seine Blumen- und Vogelmalereien wie auch seine kalligraphischen Werke zählen zu den kostbaren ihrer Art in China.

Das Bild „Flussufer-Szene am Qingming-Fest“ von Zhang Zeduan ist typisch für die Song-Malerei. Es war mehrmals verloren gegangen und wurde dann wieder aufgefunden; es wird jetzt im Palast-Museum zu Beijing aufbewahrt. Beim Bau der „Song-Stadt“ als Reiseziel für Touristen lehnte man sich ebenfalls einigermaßen an dieses Bild an.

In Kaifeng ist das Studium der Kalligraphie sehr populär. Im Museum werden 1500 Steintafeln aufbewahrt, in die kalligraphische Inschriften mehrerer Dynastien eingemeißert sind. In Restaurants, Warenhäusern, Schulen und Familien werden kalligraphierte Schriftrollen gern als Dekorationen benutzt. Im Xiangguo-Kloster und in den Parks demonstrieren Kalligraphen oft ihre Kunstfertigkeit und Technik. In den Frühlingsfesttagen gehen sie aufs Land, um den Bauern die traditionellen doppelten Spruchreihen an die Torpfosten zu schreiben.

In der Nördlichen Song-Dynastie wurde am Hofe die Akademie für Stickerei eingerichtet, in der 300 Stickerinnen für den Kaiser und seinen Hofstaat arbeiteten. Die Shiguxiu-Gasse in der Nähe des Xiangguo-Klosters war damals auch für Stickerei bekannt. Nach dem Sturz der Nördlichen Song-Dynastie wurde die Residenz nach Süden verlegt, und eine Anzahl Stickerinnen musste mitkommen. Sie sind die Vorfahren vieler bekannter Stickerinnen in Suzhou.

Zur Zeit der Gründung des Neuen China 1949 war die Technik der Kaifeng-Stickerei vergessen. 1955 rief die Volksregierung Stickerinnen aus sieben Familien, bei denen die Stickkunst von Generation zu Generation überliefert worden war, zusammen und ließ sie anhand einer Menge von Fragmenten der Kaifeng-Stickerei die alte Technik studieren. Später wurde die Fabrik für die Kaifeng-Stickerei gegründet, und heute arbeiten in der Fabrik mehr als 360 Stickerinnen. In der von ihnen hergestellten Stickerei „Flussufer-Szene am Qingming-Fest“ wird die gleichnamige, 525 cm lange und 25 cm breite Song-Malerei, in der 550 Merschenfiguren, 50 Stück Vieh und viele Wagen, Sänften, Schiffe und Häuser dargestellt sind, oringinalgetreu wieder gegeben. Diese Stickerei zeichnet sich durch die schlichte Form, ruhende Eleganz, gute Komposition und klare Abstufungen sowie durch den lebendigen Ausdruck aus.

Aus „China im Aufbau“, Nr. 11, 1981

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