Chinesische
Gartenbaukunst
Von
Gu Yongliang

Parks für Herrscher gab es in China seit
der Shang-Dynastie (1768-1122 v. Chr.). Sie dienten nicht
nur der Erholung, sondern auch als Jagdreviere und Weidegründe.
Qin Shi Huang, der als Begründer der Qin-Dynastie China 221
v. Chr. einigte, ließ riesige Palastanlagen errichten.
In dieser Zeit wurde damit begonnen, künstlich Felslandschaften
anzulegen und Hügel aufzuschütten. Die Kaiser der Westlichen
Han-Dynastie (206-25 v. Chr.) ließen in ihren Palastanlagen
Gärten anlegen, in denen natürliche Landschaften nachgeahmt
wurden. Im ganzen Land entstanden Gärten von Aristokraten,
hohen Beamten, Gutsbesitzern und Wohlhabenden. Man leitete
Wasser ein, legte Felslandschaften an, pflanzte Bäume
und kostbare Blumen, züchtete seltene Tiere und Vögel.
Aufschwung und Niedergang der Dynastien spiegelten sich auch
in den Blüte- und Verfallsperioden der Gartenbaukunst wider.
Die
heute noch existierenden Gärten, die hauptsächlich
aus der Ming- (1368-1644) und der Qing-Zeit (1644-1911) stammen,
sind über das ganze Land verstreut: im Norden um und in Beijing
und im Süden in Suzhou, Yangzhou und Nanjing. Die Gartenanlagen
dienten in erster Linie der herrschenden Klasse als Orte der
Erholung und Kurzweil. Ein Blick in die Geschichte zeigt,
dass die Höhepunkte der Gartenbaukunst jeweils in die
2. Hälfte der dynastischen Perioden fielen, also in Zeiten
relativer gesellschaftlicher Stabilität und günstiger
wirtschaftlicher Entwicklung. Privatgärten wurden nicht
nur bei hohen Beamten Mode, sondern auch im Laufe der Zeit
bei reichen Händlern.
Die kaiserlichen Gärten weisen folgende
charakteristische Merkmale auf:
· Sie liegen meist im Vorortgebiet einer Stadt
und sind oft von prächtigen Landhäusern umgeben.
· Sie liegen gewöhnlich an einem Flusslauf
oder am Fuß eines Berges. Die natürliche Landschaft
ist mit einbezogen.
Im
Gegensatz dazu dienten die privaten Gärten der Erweiterung
des Wohnbereichs der Großgrundbesitzer oder reichen
Händler. Sie konnten in ihren Gärten Freunde zum
Essen einladen, Bücher lesen, Bilder malen, Schauspiel- und
Opernaufführungen veranstalten oder auch Verwandte und Bekannte
unterbringen. Den Besuchern wurde außer einer landschaftlich
schönen Anlage auch eine ruhige, erholsame Atmosphäre
geboten. Mitten in der Stadt und auf engem Raum war es so
möglich, sich zugleich an Berglein, Wäldern, Gewässern
und sprundelnden Quellen zu erfreuen. Die Privatgärten
waren gewöhnlich 1 bis 2 ha groß; es gab aber auch
wesentlich kleinere. Auf so kleinen Flächen wurde der
Garten besonders kunstvoll gestaltet: in abwechslungsreichen
Kleinlandschaften ließen sich von Menschenhand geschaffene
Idyllen genießen.
Folgendes sind die charakteristischen Merkmale
der Gartenbaukunst:
1.
Landschaftsteile
Der Garten besteht meist aus verschiedenen
Landschaftsteilen, von denen jeder seine Besonderheit hat,
die durch Mauern, Fenster, Laubengänge, Pavillons, künstliche
Felsen und Bäume begrenzt und voneinander getrennt sind.
Dabei wird vermieden, Zusammengehöriges zu zerstückeln
und Abgrenzungen zu schroff zu gestalten.
2.
Teiche und Gewässer
In einem Garten können kleinere und
größere Teiche konzentriert oder verstreut angelegt
sein. Wichtig ist dabei deren Lageverteilung im Gartengelände.
Die Wasserflächen sind meist nicht in geometrischen Formen
angelegt und werden nicht durch Dämme, sondern durch
Brücken, Laubengänge und Inseln unterteilt und strukturiert.
Die Ufer sind normalerweise nicht streng geradlinig, so dass
sie natürlich wirken. Brücken sind nicht bogenförmig,
sondern flach und mit steinernen Geländern versehen.
Die Höhe der Brücke über dem Wasserspiegel wird von der
Größe des Teichs bestimmt: je kleiner der Teich,
desto niedriger die Brücke.
3.
Felsen
Felsen sind ein wichtiges Gestaltungselement.
Sie dienen dazu, den Garten räumlich größer
erscheinen zu lassen und ihm eine gewisse Atmosphäre
der Beschaulichkeit und Ruhe zu verleihen. Auf Felsen errichtete
Pavillons gewähren mitunter nicht nur einen Überblick
über die Gartenlandschaft, sondern auch auf das städtische
Getriebe jenseits der Gartenmauern.
4.
Gebäude
Gebäude erfüllen in Gärten
wichtige Funktionen. Größe, Form, Plazierung und
künstlerische Gestaltung sind wohl durchdacht und genau aufeinander
abgestimmt. Sie sind ein vielfältig einsetzbares architecktorisches
Mittel zur Verschönerung von Gärten.
5.
Pflanzen
Zu den Bauwerken passend werden
Bäume und andere Pflanzen ausgewählt. Lage, Farbe,
Duft, Form u.v.a.m. wird dabei in die gärtnerische Planung
einbezogen. Gewöhnlich stehen vor Bauwerken und auf freien
Plätzen Bäume und prächtige Blumen, während
neben Laubengängen und in Innenhöfen Bambushaine,
chinesische Nelken oder Palmen sowie Bonsai (chin.: Penjing)
und andere Topfpflanzen plaziert werden.
Heute sind die meisten noch erhaltenen
Gärten nicht mehr Erholungsstätten für eine winzige
Zahl Privilegierter, sondern als öffentliche Parks jedermann
zugänglich.
Aus „China im Aufbau“, Nr. 10, 1981