Die
Bauern im „Gartendorf“ in Zhejiang
Von
Qi Juan


Vorbemerkung der Redaktion:
Strahlender Sonnenschein herrscht über der grau-braunen Erde,
eine Schar fröhlicher Bauern kommt, Arbeitsgeräte
tragend, in Hochstimmung daher. Das ist das Deckelblatt der
Gründungsnummer von China
im Aufbau von 1952, dem Vorläufer von China heute.
Es zeigt das neue Image der Bauern in der Periode der Bodenreform
1951.


Die chinesische Landwirtschaft erfuhr in den
80er Jahren durch die Regulierung der Produktionsstruktur eine
tiefgreifende Veränderung. Die Vorkämpfer der Reform,
die dabei aus Hunderten von Millionen von Bauern hervortraten,
haben Markenprodukte der chinesischen Landwirtschaft und damit
ein neues Image der chinesischen Bauern geschaffen. Zu ihnen
gehören die Bauern des Dorfs Huayuan in der Provinz Zhejiang.
Lassen Sie uns das Dorf, dessen Name wörtlich „Garten“
bedeutet, näher ansehen.
Das Dorf Huayuan liegt im Süden der Stadt
Dongyang in der Provinz Zhejiang, nahe der Eisenbahnlinie von
Hangzhou nach Wenzhou. 180 km entfernt liegt der bekannte internationale
Hafen Ningbo, ein wichtiger Güterumschlagsplatz. Das Dorf Huayuan
hat heute 485 einheimische Bewohner und eine Fläche von
2,5 km2. Doch seine festen Kapitalanlagen liegen
bei über 300 Millionen Yuan.
Wir haben Shao Qinxiang, den Vorstandsvorsitzenden
der Huayuan-Gruppe, besucht. Er sieht, in einen eleganten Anzug
gekleidet und mit vornehmen Manieren, überhaupt nicht aus wie
ein Bauer, wie man ihn sich gewöhnlich vorstellt. Er spricht
begeistert über die Entwicklung seines Dorfs und ist stolz darauf.
Neue Ausdrücke in der Bauernsprache
„Das Dorf Huayuan war früher
bekannt für seine Armut, denn die Anbaufläche im hügeligen
Land ist klein. Das Leben der Dorfbewohner war sehr mühselig.
Da die Entwicklung der Landwirtschaft allein nicht zu Reichtum
führen konnte, lag die Lösung in der Industrialisierung.“
–
Shao Qinxiang
Als
wir das Dorf betraten, konnten wir nicht umhin, die Sauberkeit
zu bewundern. Die Straßen und Gassen sind sauber gekehrt,
es sind keine Zigarettenstummel oder Papierfetzen zu sehen.
Das ganze Dorfgelände ist deutlich und funktionell gegliedert:
Man erkennt klar abgegrenzte Wohn-, Industrie-, Verwaltungs-,
Unterhaltungs- und Bildungsviertel.
Im Gespräch mit den Dorfbewohnern hört
man stets „Modewörter“ wie „WTO“, „Bionahrungsmittel“,
„Risikoinvestitionen“ und „wissensbasierte Wirtschaft“. Als
wir sie fragten, wo sie diese neuen Begriffe gelernt haben,
antworteten sie, dass sie ihnen die Dorfkader beigebracht hätten.
Außerdem seien sie von den Plakaten auf den schwarzen
Brettern im Dorf und aus den Zeitungen und dem Fernsehen vertraut.
„Vor wenigen Jahrzehnten war das Dorf alt
und völlig abgewirtschaftet. Ende der 70er Jahre lag das
jährliche durchschnittliche Einkommen der Dorfbewohner
bei gerade 87 Yuan. Unsere Vorfahren hatten genug unter Armut
gelitten, und uns ging es damals noch immer miserabel. Wie konnten
wir denn keine Angst vor der Armut haben?“, fragt Shao Qinxiang.
Bei der Erinnererung an die damalige Zeit kommt er schweren
Herzens auf die Motivation zu seinem Vorhaben zu sprechen. Die
blanke Armut war für das Dorf eine Schande. Um einen Ausweg
daraus zu finden, gründete es einen kleinen Bekleidungsbetrieb.
In den ersten Jahren nach der Gründung schrieb
der Betrieb Verluste, es kam zum Rücktritt von Aktieninhabern.
Der Betrieb wurde vielfach restrukturiert. Heute hat sich der
Betrieb zu einer Unternehmensgruppe staatlichen Rangs gemausert.
Er ist heute als staatlicher Betrieb der Kategorie 2 eingestuft.
1997 wurde er vom Landwirtschaftsministerium als Unternehmensgruppe
anerkannt. Diese Unternehmensgruppe verfügt heute über 16 Tochterfirmen
bzw. Firmen, in denen sie eine Mehrheitsbeteiligung hat. 1995
gründete sie in Los Angeles die Qingxiang-Gruppe und errichtete
damit einen Brückenkopf für den Export ihrer Produkte. Ihr Spitzenprodukt,
Schinken der Marke Laotang ist in China ein berühmtes Markenprodukt.
Er wurde auf einer internationalen Ausstellung mit dem „Aiyingqisitan-Erfinderpreis“
ausgezeichnet. 2001 erwirtschaftete das Dorf Huayuan durch den
Export von landwirtschaftlichen Produkten 23,87 Millionen US-Dollar
und reihte sich mit dem höchsten Devisenertrag und den
höchsten Steuerabgaben unter die führenden chinesischen
Exporteure ein.
Erweiterung der Produktionsbereiche
Zur wirtschaftlichen Entwicklung äußerte
sich Shao Qinxiang wie folgt: „Als ich in meiner Kindheit in
Huayuan lebte, sah ich die Armut und die Rückstandigkeit meiner
Heimat mit eigenen Augen. Durch die Entwicklung wurden die Produktionsmöglichkeiten
der Bauern erweitert, was ihnen sehr zugute kommt. Diese Bemühungen
dienen dazu, dass alle den Wohlstand erreichen können.“
In Huayuan hörten wir auch oft Ausdrücke
wie „landwirtschaftliche Effizienz“ und „Strukturoptimierung“.
Im Alltag pflegt man zu fragen: „Haben Sie die Optimierung Ihrer
Produktion schon durchgeführt?“
Bei der „landwirtschaftlichen Effizienz“ geht
es, vereinfacht gesprochen, darum, dass sich die landwirtschaftlichen
Produktionsstätten direkt mit den Verarbeitungsbetrieben,
die Bauernhaushalte direkt mit den Produktevertreibern verbinden
und sich die Produktion nach dem Markt richtet. Gerade die dadurch
entstandenen erweiterten Produktionsmöglichkeiten haben
Huayuan reich gemacht, und durch sie wurden auch Devisen erwirtschaftet.
Die Schinkenfabrik in Huayuan ist ein gutes Beispiel dafür:
Früher trieb jede Familie Viehzucht, und am Ende des Jahres
fiel nur ein magerer Gewinn ab. Später ergriff Shao Qinxiang
die Initiative zur Gründung einer Schinkenfabrik. Für die technische
Kontrolle lud er Experten ein. Die hier hergestellten feinen
Schinken in der ansprechenden Verpackung sind heute auf dem
Markt sehr beliebt. Eine Packung verkauft sich zum Preis von
über zehn Yuan, sogar einem Dutzend Yuan. Laotang-Schinken ist
als Markenprodukt in vielen chinesischen Supermärkten sehr
gefragt. Er hat das Einkommen der Bauern erheblich erhöht.
Die landwirtschaftliche Effizienz bringt die
Bauern von Huayuan dazu, dass sie ihren Blick auf den Markt
richten. Immer mehr Bauern haben ihre landwirtschaftlichen Geräte
beiseite gelegt, eine Tätigkeit im Handel aufgenommen und
sind so zu Geschäftsleuten geworden. Sie haben ihren Acker
zwar verlassen, leben aber weiter auf dem Land und treiben dort
Handel. Zur Zeit beträgt das jährliche Durchschnittseinkommen
der Dorfbewohner beinahe 15 000 Yuan, es gibt bereits 256 Telefonanschlüsse,
57 Privatautos und 95 Motorräder. Über 65% der Haushalte
haben einen Computer. Es ist ganz üblich, dass die Dorfbewohner
über das Internet einschlägige Informationen sammeln und
ihre eigenen Informationen bekanntmachen.
Auf zum High-Tech-Gipfel
„Im neuen
Jahrhundert dominiert die wissensbasierte Wirtschaft. Wer eine
günstige Stellung in Wissenschaft und Technik erobert hat, der
gewinnt den Wettbewerb auf dem Markt. Dass wir den Gipfel der
High-Tech besteigen, bedeutet, dass wir einen neuen Vorstoß
ins neue Gebiet unternehmen.“
–
Shao Qinxiang
Spricht man von der
chinesischen Landwirtschaft, denkt man an „traditionelle Produktion
im Freien“. Aber im landwirtschaftlichen High-Tech-Park von
Huayuan wird diese Jahrtausende lange Geschichte umgeschrieben.
Die Huayuan-Gruppe hat in Zusammenarbeit mit der renommierten
Chinesischen Akademie der Wissenschaften die Produktion eines
biologischen Spitzenprodukts, Vitamin D3, auf die Beine gestellt
und füllt damit eine Lücke in der pharmazeutischen Versorgung
in China.
Vitamin
D3 ist ein für die Menschen unentbehrliches, fettlösliches
Vitamin. Die Herstellung lag bislang fest in der Hand weniger
europäischer Firmen, welche den Markt kontrollierten. Weil
sich Huayuan am Aufbau einer chinesischen Produktionsstätte
für dieses Spitzenprodukt beteiligte, wurde diese hier gegründet.
Der
High-Tech-Park befindet sich auf der nördlichen Seite des
Dorfs. Ein elegantes orangerotes Gebäude steht in der Stille
des Parks. Geht man in die Produktionshalle hinein, sieht man
vollautomatisierte Produktionsanlagen. Im sauberen Zentralsteuerungsraum
sitzt ein Techniker im weißen Arbeitskittel und kontrolliert
die Produktion.
Er
erzählt uns, dass Vitamin D3 von vielfältigem Nutzen
ist, ein wichtiger Stoff für die Herstellung von anderen Arzneimitteln
und außerdem ein wichtiges Additiv für Milchprodukte.
Es wirkt regulierend auf die Aufnahme von Kalzium und Phosphor
und ist für ältere Menschen besonders wichtig.
Zur
Zeit leiden 84 Mio. Menschen in China in unterschiedlichem Maß
an Osteoporose, und der Bedarf nach Vitamin D3 ist besonders
groß. Die Herstellungstechnik erreicht bereits internationales
Niveau, und die Produkte werden u. a. nach Japan, Indien und
Südamerika exportiert.
Das
„Gartendorf“ ist reich geworden. Das einstmals kleine Dorf,
das nicht einmal 500 alteigesessene Bewohner hatte, ist in der
Zwischenzeit bereits zu einer kleinen Gemeinde angewachsen,
in der über 5000 Zugewanderte leben.
Im
Zuge der durch die Reform herbeigeführten Umwälzung, wie
sie in Huayuan zu beobachten ist, wird der Begriff des „chinesischen
Bauern“ neu definiert. 60 Bauern der Gemeinde Lüyang in der
Provinz Liaoning wurden von 15 umliegenden Kreisen als technische
Berater angestellt und verdienen jährlich mehr als 20 000
Yuan pro Person. Im September 2002 hat die Stadt Jinan in Shandong
die Beschränkung für Beamtenstellen bezüglich der Haushaltsregister
aufgehoben. Neu ist es nicht mehr den Stadtbewohnern vorbehalten,
sich für eine Beamtenstelle zu bewerben, sondern auch den Bauern
wird die Chance gewährt, Beamter zu werden.
Wenn man im Bürogebäude der Huayuan-Gruppe
den Blick nach Norden richtet, sieht man den bewaldeten Taishan-Park.
Die kräftigen Bäume sind wohl ein Symbol für die Entwicklung
des Unternehmens im „Gartendorf“. Dabei erinnern wir uns an
folgende Worte von Shao Qinxiang: „Es ist mein Lebensziel, Huayuan
zu einem reichen Dorf mit einem hohen Bildungsstand aufzubauen.“