Juni 2002
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Sonderberichte

Psychische Gesundheit von Kindern und Jugendlichen

Der oben erwähnte Liu Haiyang ist, wenn man so sagen kann, ein Opfer davon. Seine Mutter ist schon längst von seinem Vater geschieden. Von klein auf lebte er nur mit seiner Mutter; sie waren aufeinander angewiesen. Mit der Hoffnung, dass Liu Haiyang ein erfolgreicher Mensch würde, hatte seine Mutter größten Wert auf seine Schulleistungen gelegt. Sie legte sogar seinen Weg zur Schule bzw. zur Universität und auch seinen Tagesplan fest. Unter ihrer Erziehung war Liu Haiyang sehr gehorsam. Darüber hinaus gewann er in der Mittelschule zahlreiche Medaillen in Mathematik- und Physik-Wettbewerben. In den Augen vieler Leute war Liu Haiyang ein „gutes Kind“ im wahrsten Sinn des Wortes.

Das zweite Problem ist die Erziehung zum Erfolg: Qualifiziertes Personal durch ein ausgeklügeltes Prüfungssystem auszuwählen hat in China eine langjährige Geschichte. Die heutige Hochschulaufnahmeprüfung genießt bei Eltern einen äußerst hohen Stellenwert, denn in China, dem bevölkerungsreichsten Land der Welt, stehen infolge des geringen Entwicklungsstands der Wirtschaft nicht genügend Bildungsanstalten zur Verfügung. Nur wenn man von klein auf fleißig lernt, kann man sich später in der Hochschulaufnahmeprüfung gegenüber unzähligen Konkurrenten durchsetzen. Aus diesem Grund lernen alle Kinder für diese Hochschulaufnahmeprüfung.

Die Hochschulaufnahmeprüfung bestanden zu haben und darum eine Hochschule besuchen zu können, garantiert jedoch noch nicht, dass man sich auch erfolgreich fühlt. Da die Kinder ein Leben lang allein für Prüfungen gelernt haben und darauf getrimmt wurden, Bestleistungen zu erbringen, fehlt ihnen oft die Fähigkeit, sich selber einschätzen zu können.  Erleiden sie einen Rückschlag, kann es vorkommen, dass sie etwas Unvorstellbares tun.

Das dritte Problem besteht in der Trennung von Geistes- und Naturwissenschaften. Seit mehr als 20 Jahren gibt es in China eine Hochschulaufnahmeprüfung für Geisteswissenschaften und eine für Naturwissenschaften, die zur gleichen Zeit stattfinden. Eine Folge davon ist, dass die Studenten der Geisteswissenschaften gemeinhin eine sinnlichere Denkweise haben, während den Studenten der Naturwissenschaften Geschichte, Literatur und Kunst relativ fremd sind. Ein solches Bildungssystem kann einem keine Gelegenheit bieten, mit der Welt des Wissens ganzheitlich in Berührung zu kommen.

Und schließlich wird zu wenig Wert auf die psychische Erziehung gelegt. Statistischen Angaben zufolge gibt es zur Zeit in China 30 Millionen Kinder und Jugendliche, die psychische Probleme haben. Danach sind 21,6-32% der Grund- und Mittelschüler und 16-25,4% der Studenten psychisch behindert. Schlimmer ist, dass dieser Prozentsatz zunimmt.

Glücklicherweise schenkt man der psychischen Gesundheit von Kindern und Jugendlichen immer mehr Aufmerksamkeit. Zwar mangelt es in der Gesellschaft an Psychologen und psychologischen Beratungsstellen, es gibt aber viele beruflich erfahrene Lehrer, die ihren Schülern helfen möchten.

In einer Grundschule in Beijings Xicheng-Bezirk nehmen die Schüler gern an der einmal in der Woche veranstalteten Klassenversammlung teil, weil sie dabei Fragen nach Belieben an die Lehrer stellen können, wie z. B. „Warum kann ich noch immer nicht schnell kopfrechnen?“, „Soll ich zurückschlagen, wenn ich geschlagen werde?“ oder „Warum schaffe ich es nicht, mit dem Stoffball zu jonglieren?“ Die Lehrer tun ihr Bestes, auf solche Fragen zu antworten, und spielen gar persönlich mit, wenn es notwendig ist. Bei der Klassenversammlung werden die Lehrer von Schülern als Freunde angesehen.

Der stellvertretende Bildungsminister Yuan Guiren meint, dass Familie, Schule und Gesellschaft Aktivitäten vereinheitlichen sollten, damit die Kinder geistig und körperlich gesund aufwachsen.

Experten schlagen vor, die Idee der Selbstverantwortung in die Bildung einzuführen. Danach sollen Kinder und Jugendliche die Sorge für die eigene geistige und körperliche Gesundheit sowie für das Aufwachsen und ihre Entwicklung tragen. Gute Ess- und Trinkgewohnheiten, die aktive Teilnahme an sportlichen Aktivitäten, Kontakte mit anderen und ein Leben in Eintracht werden besonders betont. Die Eltern sind vor allem verpflichtet, ihren Kindern beizubringen, für ihr eigenes Leben verantwortlich zu sein.

Auf die vielseitige Erziehung wird immer größerer Wert gelegt. Man ist allgemein der Überzeugung, dass Erziehung nicht nur die Funktion der Wissensvermittlung hat, sondern, wichtiger noch, den Kindern auch helfen soll, mit der Außenwelt in Eintracht zu leben.

Seit kurzem bietet die Qinghua-Universität Bootsrennen als Wahlfach an. Wer wird noch Kummer spüren, wenn er in der Natur seinen Mut und seine Kraft zeigen kann?  

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