Das
Leben der Teepflanzer in Südchina
Von
Li Xia


Der
70jährige Sun Jinrong ist Bauer und lebt im Dorf Meijiawu
in der Provinz Zhejiang. Schon im Alter von 16 Jahren beherrschte
er die Technik des Teeblätter-Röstens. Aber in dieser
Erntezeit macht er gemütlich Spaziergang im Dorf, obwohl er
noch über eine 6 mu
große Teeplantage verfügt (1 mu
= 1/15 ha). Denn das Pflücken besorgen Frauen aus der Provinz
Anhui, und das Trocknen der Teeblätter übernimmt sein
48-jähriger Sohn.
Meijiawu
ist ein kleines Dorf in der Provinz Zhejiang mit gut 500 Haushalten.
An den Berghängen rings um das Dorf werden zahlreiche
Teesträucher angepflanzt. Der Monat März ist die
Erntezeit: Es regnet viel, der Laubengang vor jedem Haus ist
voller Bambuskörbe mit Teeblättern und der Ofen
zum Trocknen der frischen Teeblätter wird erst spät
nachts ausgemacht. Das ganze Dorf ist erfüllt von Teeduft.
Sun
Jinrong hat 700 000 Yuan in den Bau eines zweistöckigen
Wohnhauses für seinen Sohn investiert. Solche Wohnhäuser
sind überall auf dem Land in der Provinz Zhejiang zu sehen.
Sie zeigen, dass die Bauern nach der Einführung der Reform-
und Öffnungspolitik einen bescheidenen Wohlstand erreicht
haben. Der Wohlstand der Familie Sun ist vor allem dem Anbau
der Teesträucher zu verdanken.
Der
Tee, der in Meijiawu angebaut und hergestellt wird, heißt
Longjing (Drachenbrunnen)-Tee und ist die bekannteste Teesorte
Chinas. Sie zeichnet sich durch eine grüne Farbe, ein starkes
Aroma, intensiven Geschmack und eine flache Blätterform
aus. Die vor dem Qingming-Fest
(wörtl. „Helles Licht“, um den 5. April) gepflückte Teesorte
ist besonders wertvoll.
In
der Erntezeit werden Frauen aus der Provinz Anhui für das
Pflücken der Teeblätter angestellt. In diesem Jahr hat
die Familie Sun acht solche Frauen in Dienst genommen. Das
Pflücken ist nicht einfach und braucht Geduld und Sorgfalt.
Man nimmt die Knospe und die darunter liegenden zwei Blätter.
Die Knospe soll kürzer als 2 cm und die Blätter dürfen
nicht länger als die Knospe sein. Erst dann kann der
Tee zu einem guten Preis verkauft werden.
Die
Erntezeit dauert normalerweise 20 Tage. Die angestellten Frauen
verdienen täglich 15 Yuan, Essen und Unterkunft sind
kostenlos. Auch die Kosten für die Rückkehr werden vom Arbeitgeber
getragen. Der Verdienst ist nicht schlecht für diese Frauen,
denn die Provinz Anhui ist im Vergleich zur wirtschaftlich
entwickelten Provinz Zhejiang noch rückständig. Die Familie
Sun ist besonders nett zu den angestellten Frauen. Die Frauen,
die fleißig gearbeitet haben, können vor ihrer
Abreise Geschenke oder Geldprämien bekommen. Selbst diejenigen,
die nicht gut pflücken können, finden eine Arbeit. Sie
bereiten die Mahlzeiten zu Hause zu und bringen sie zur Essenszeit
aufs Feld. Die Arbeit beginnt in aller Frühe, um 6 Uhr, und
endet erst, wenn alle zu pflückenden Teeblätter geerntet
sind. In den grünen Bergen sind zahlreiche Frauen an der Arbeit,
plaudernd, ab und zu lachend – was für ein schönes Bild
in Süchina!


Das
Meijiawu-Dorf ist bekannt für den Longjing-Tee. 1958 besuchte
der damalige Ministerpräsident Zhou Enlai dieses Dorf.
Daran erinnert sich Sun Jinrong bis heute noch, als ob es
gestern gewesen wäre, und zwar darum, weil der Besuch
des Ministerpräsidenten das Schicksal seines jüngeren
Bruders veränderte. Damals hatte sein jüngerer Bruder
die Oberstufe der Mittelschule abgeschlossen und arbeitete
im Dorf als Buchhalter. Ministerpräsident Zhou versammelte
einige junge Menschen um sich und sagte ihnen: "Ihr seid
jung und gut gebildet. Ihr sollt das ganze Land im Auge behalten."
Der jüngere Bruder Sun Jinrongs nahm sich den Ratschlag des
Ministerpräsidenten zu Herzen und machte sich mit vier
Gleichgesinnten in den Westen Chinas auf. In Lanzhou, der
Hauptstadt der Provinz Gansu, ließ er sich als Arbeiter
in einer Maschinenfabrik anstellen. Die anderen vier jungen
Menschen konnten das harte Leben nicht ertragen und kehrten
bald zurück. Aber Sun Jinrongs jüngerer Bruder wurde in Lanzhou
heimisch. Inzwischen ist er in den Ruhestand getreten. Im
Frühling, wenn Lanzhou oft von Sandstürmen heimgesucht wird,
macht er einen kurzen Urlaub in seiner schönen Heimat
in Zhejiang.
In
den 70er Jahren war die Herstellung von Tee eine hochpolitische
Aufgabe, die Mitgliedern der Kommunistischen Partei Chinas
vorbehalten war – denn Tee aus Meijiawu bot man nur den Oberen
an. In der heutigen Zeit sind reich gewordene Fabrikdirektoren
oder Manager die wichtigsten Kunden. So hat ein Manager gleich
20 Kilo vor dem Qingming-Fest
gepflückten und hergestellten Tee gekauft. Das entspricht
der jährlichen Produktionsmenge der Familie Sun.
Die
Bauern sind dank dem Anbau von Tee reich geworden. Bis 1983
hatte im Dorf das kollektive Eigentumssystem Bestand. Die
Bauern arbeiteten zusammen, aber verdienten sehr wenig. Nach
1983 wurde die Planwirtschaft in eine Marktwirtschaft umgewandelt.
Jeder Haushalt bekam ein Stück Land zugeteilt, und der hergestellte
Tee wurde nicht mehr einheitlich vom Staat eingekauft. Dadurch
verbesserte sich das Leben der Teepflanzer.
1999
wurde eine Straße von Meijiawu zur Außenwelt angelegt,
durch die das Dorf zweigeteilt wurde. Im einen Teil sind überall
zweistöckige Gebäude zu sehen, in denen überwiegend
junge Menschen wohnen. Im anderen verbringen die Älteren
die Zeit in alten, dunklen Häusern, die noch von einer
Holzkonstruktion getragen werden. Sun Jinrongs Frau sieht
erst aus wie 50. Sie kümmert sich um den Laden, den Sun Jinrong
eröffnet hat. Seine Schwiegermutter ist 90 Jahre alt
und sitzt ganz ruhig und gemütlich vor dem Laden. Das Geschäft
läuft nicht schlecht, denn Herr Sun ist gesetzestreu
und vertrauenswürdig.
Sun
Chunfu, Sun Jinrongs Sohn, hat die Technik zum Rösten
der frischen Teeblätter von seinem Vater gelernt. Um
die Temperatur besser regulieren zu können, darf man
bei der Arbeit keine Handschuhe tragen. Die Teeblätter
müssen nach der Verarbeitung flach sein. Um diese Technik
zu beherrschen, braucht man mindestens drei Jahre. Weil eine
Person täglich nur ein Kilo getrockneten Tee herstellen
kann und die frisch gepflückten Teeblätter sofort geröstet
werden müssen, braucht die Familie Sun in der Erntezeit einige
Helfer. Sun macht nicht viel Aufhebens davon, ihnen die Geheimnisse
der Teerösterei beizubringen.
Die
vor dem Qingming-Fest gepflückte grüne Teesorte
kann für einen guten Preis verkauft werden, etwa 3200 Yuan
pro Kilo. Auf dem Markt kostet sie 5600 Yuan pro Kilo. Aus
diesem Grund wollen viele Bauern nicht mehr Tee anbauen, sondern
nur noch damit Handel treiben.
Das
Dorf Meijiawu ist ein lohnendes Reiseziel. Grüne Berge, klares
Wasser, frische Luft und unverschmutztes Gemüse, das alles
übt eine große Anziehungskraft auf in- und ausländische
Touristen aus. Die Familie Sun beherbergte einmal ein Ehepaar
aus den USA mit seiner dreijährigen Tochter. Für Essen
und Unterkunft bezahlten sie 150 Yuan pro Tag.
In
familiären Angelegenheiten ist es noch heute Sun Jinrong,
der die Entscheidungen trifft. Seine zwei Töchter sind
schon verheiratet, sein Enkel besucht noch die Schule, und
seine Enkelin arbeitet in einer pharmazeutischen Fabrik. Sun
ist Mitglied des lokalen Industrie- und Handelsvereins und
auch Mitglied des Vereins der Privaten Händler. Außerhalb
der Erntezeit reist er gern.
Sun
Jinrong hat zwei Wünsche: zum einen möchte er einen Minibus,
und zum anderen eine Kamera kaufen. Die Kamera soll von guter
Qualität sein, aber nicht mehr als 3000 Yuan kosten.
Damit wird er schöne Landschaften in allen Teilen Chinas
aufnehmen und die Fotos an die Wand seiner Wohnung hängen
können. "Ich will den frischen Hauch der Kultur
atmen", sagt Sun, obwohl er nur die Grundschule besucht
hat.
Der
alte Sun wünscht sich, dass noch mehr Menschen das Meijiawu-Dorf
besuchen. Das ist auch der Grund, warum er einen Minibus kaufen
möchte. Meijiawu, ein Ort mit schöner Landschaft
und freundlichen Menschen, ist ein Paradies für Touristen.
Über
den chinesischen Tee
Je
nach Herstellung unterscheidet man Grünen Tee, Oolong-Tee,
Schwarzen Tee und Jasmin-Tee. Grüner Tee macht keine Fermentation
durch. Er wird mit heißem Wasser (mindestens 80 Grad)
aufgegossen und die Blätter sind grünlich. Man trinkt
grünen Tee gern im Sommer. Zur Gewinnung von Oolong-Tee wird
die Fermentation in der Mitte der zur Herstellung von schwarzem
Tee notwendigen Zeit unterbrochen. Die Blätter sind dunkel,
aber noch grünlich. Im Geschmack ist dieser Tee dem grünen
Tee ähnlich, sein Aroma ist jedoch stärker. Der
Oolong-Tee aus der Provinz Fujian im Küstengebiet im Südosten
ist landesweit bekannt. Schwarzer Tee sieht rötlichbraun
aus und hat ein kräftiges Aroma. Er ist bei älteren
Menschen beliebt und wird im Winter getrunken. Jasmintee wird
aus Grünem Tee und Jasminblüten hergestellt. Er ist in Nordchina
beliebt.
Der
Longjing (Drachenbrunnen)-Tee, eine grüne Teesorte, stammt
aus vier kleinen Dörfern bei der Stadt Hangzhou, Provinz
Zhejiang, und wird deshalb nach den Namen dieser vier Dörfer
in vier Sorten untergeteilt, nämlich: Meijiawu, Shifeng,
Yunxi und Hupao. In China werden diese vier Teesorten auf
insgesamt 3200 mu angebaut, davon befinden sich 1200 mu in Meijiawu. Die vor dem Qingming-Fest gepflückte grüne Teesorte
ist besonders wertvoll.