Eine
Chance für Aidskranke – eine wahre Geschichte
Heimkehr
Als Herr X am Anfang des vorigen Jahres nach
einem fünfjährigen Aufenthalt in einem südasiatischen Land
in sein Heimatland zurückkehrte, freute er sich sehr. Er hatte
bei der anstrengenden Arbeit im tropischen Wald lange Zeit unter
Heimweh gelitten. Bereits vor der Rückkehr hatte er gemerkt,
dass etwas mit seiner Gesundheit nicht stimmte. Er hatte angeschwollene
Lymphknoten, die von dem einheimischen Arzt als Tuberkulose
diagnostiziert und behandelt wurden. Daraufhin schwollen die
Lymphknoten ab. Er fühlte sich nur sehr schwach. Gleich nach
der Ankunft in seiner Heimatstadt im Süden des Landes ließ
er sich untersuchen. Durch Röntgenstrahlen wurde
nichts Schlimmeres festgestellt, der Arzt ging davon aus, dass
die Tuberkulose geheilt wurde.
Doch wider Erwarten ging es ihm nicht besser.
Seine Gefühle wurden stumpf und seine Reaktionen waren langsam.
Er litt an einer Halsentzündung. Im März wurde seine Stimme
heiser. Er wurde gesundheitlich immer schwächer. Und die
Behandlung durch die chinesische traditionelle und westliche
Medizin zeigte keine Wirkung. Im Mai litt er an ununterbrochenem
Husten. Er musste mit der Arbeit aufhören.
Ein Freund von ihm war Mediziner, dieser sagte
ihm: „Ich fürchte, dass du dir eine andere Krankheit zugezogen
hast. Du darfst nicht mehr weiter zögern. Komm doch morgen
zu uns, du solltest dein Blut untersuchen lassen.“ Er ahnte
nicht im geringsten, dass ein teuflisches Gespenst im Dunkel
nahte.
Neue Diagnose
Der Korridor zum Labor erschien Herrn X so
schmal und lang, als hätte er kein Ende. Als er auf dem
Testbogen die Buchstaben „HIV“ erblickte, durchfuhr ihn ein
Schock. Er wusste, worauf er geprüft wurde. Erst jetzt hat er
begriffen, um welche Krankheit es sich bei der Andeutung seines
Freundes handelte.
Das Ergebnis der Untersuchung kam erst nach
48 Stunden. Nach einem unerträglichen Warten klingelte
das Telefon. Man sagte ihm: „Ihr HIV-Test ist problematisch,
wir müssen Ihr Blut an die Seuchenschutzstation weiterleiten.
Dafür müssen Sie zusätzlich 500 Yuan bezahlen.“
Sein Kopf wurde plötzlich leer. Er war
unsicher, ob er zur Schutzstation gehen sollte. Er dachte, dass
er dem teuflischen Gespenst ausweichen könnte , wenn er
das Ergebnis nicht sähe. Er ging aber doch mit der besten
Hoffnung zur Seuchenschutzstation. Als er dort einen Mitarbeiter
nach dem zuständigen Laboranten fragte, wurde dessen Gesichtsausdruck
ernst, die Umstehenden gingen schnell weg. Er wusste sofort,
dass er nun zur Persona ingrata geworden war.
Wieder zwei Tage qualvollen Wartens. In diesen
zwei Tagen war jede Minute schwer zu ertragen. Als dann das
Telefon klingelte, teilte ihm eine gelangweilte Laborantinnenstimme
mit: „Das Ergebnis ist herausgekommen. Kommen Sie bitte her.“
Keine Erläuterung, keine Fragen. Alles schien selbstverständlich
zu sein.
Herr X wählte sofort die Telefonnummer
der Seuchenschutzstation, er wollte gerne wissen, wie der Ansteckung
der anderen Familienangehörigen vorgebeugt werden kann,
wenn er mit ihnen zusammen wohnt. Die Ärzte der Station
sagten ihm, dass das sog. „Cocktail-Verfahren“ bestimmt wirksam
sei, aber es sei ziemlich teuer. Die Kosten der Arzneimittel
und der Untersuchung beliefen sich monatlich fast auf 10000
Yuan (etwa 1333 Euro). Theoretisch dürfe die Einnahme nicht
unterbrochen werden.
Verzweiflung
Herr X konnte sich eine solche medizinische
Behandlung nicht leisten. Dennoch ging er zur Seuchenschutzstation.
Er wurde von einer Ärztin empfangen. Als er ihr sagte,
dass er HIV positiv sei, zog sie sich sofort zurück, und machte
einen Eindruck, als ob sie jederzeit fliehen möchte. Herr
X fühlte sich innerlich sehr verletzt.
Sie verschrieb ihm schnell ein paar Medikamente
und ließ ihn schnell abfertigen. Er wusste, dass diese
Medikamente nicht viel bringen würden, und verließ schnell
das Krankenhaus.
Auf dem Weg nach Hause erlebte er im Omnibus
einen Streit zwischen zwei Passagieren: „Warum stößt
du mich? Kannst du dich nicht festhalten? “
„Wollte ich dich denn absichtlich stoßen?
Wer weiß, ob du ein Aidskranker bist?“
„Ach was, du bist doch selbst aidskrank.“
Da stockte Herrn X der Atem. Es schien ihm,
als ob jedes Wort auf ihn abzielen würde. Seine Freunde begannen,
ihn zu meiden. Herr X blieb allein zu Hause und suchte auf einer
Landkarte nach einem abgelegenen Ort, wo er sein restliches
Leben zu Ende verbringen konnte.“ Besonders traurig fühlte er
sich, wenn er seinen Vater sah. Früher hatte Herr X immer auf
die Rückkehr gewartet, jetzt musste er bald unrühmlich sterben.
Er wollte das Geheimnis bis zu seinem Tod
hüten, aber sein Vater hatte es gemerkt. An einem Tag im September
fragte ihn der Vater: „Was machst du in diesen Tagen? Wenn du
krank bist, solltest du zum Arzt gehen.“ Dem alten Mann mit
grauen Haaren gegenüber konnte er sich nicht mehr beherrschen,
brachte in Tränen aus und kniete sich vor ihm auf den Boden.
Schluchzend sagte er: „Alles ist vorbei, meine Krankheit kann
nicht geheilt werden.“ Da zeigte der Vater Verständnis.
„Du hattest es sicherlich nicht leicht, so lange Zeit allein
zu sein,“ sagte er.
Beginn der medizinischen Behandlung
Im Oktober
war Herr X völlig abgemagert, hatte keinen Appetit und
wurde leicht müde. Er hustete Tag und Nacht. Wenn er sich ins
Bett legte, juckte es überall. Der ganze Körper war mit
roten Flecken und Wunden übersät. Sein Vater war ein Mann
mit starkem Willen und zeigte keine Traurigkeit ihm gegenüber.
Vielmehr versuchte er, seinen Sohn zu trösten. Er wachte
oft nachts auf, ging in das Zimmer seines Sohns aus der Befürchtung,
dass sein Sohn in der Nacht gestorben sei.
Mitte November hatte Herr X ununterbrochen
hohes Fieber und konnte pro Tag nur ein bisschen Suppe einnehmen.
Er konnte nicht mehr ausgehen und wusste, dass er im Sterben
lag.
Das Leben schien für ihn aufgehört zu
haben. Der 1. Dezember war ein Tag wie jeder andere. - Da wusste
er noch nicht, dass das der Tag für Aidskranke war. - Sein Vater
kam in sein Zimmer und sagte: „Das Zentrale Fernsehen sendet
gerade ein Programm über Aidskranke.“ Eine Expertin sprach gerade
über die medizinische Behandlung von Aids. Die Chefärztin
Xu Lianzhi aus dem You’an-Krankenhaus in Beijing wurde gerade
interviewt. Lange Zeit später erinnerte er sich noch an
ihre Worte: „Die Aidskranken sollten Selbstvertrauen haben,
in vielen ernsten Fällen wurden die Patienten gerettet.
Es gibt ehemalige Aidskranke, die nach der Behandlung ihre Arbeit
wiederaufgenommen haben.“
Die Worte gaben ihm einen letzten Hoffnungsschimmer,
er schrieb an diesem Tag einen Brief an Chefärztin Xu und
beschrieb darin seinen gesungheitlichen Zustand.
Sieben Tage später erhielt er einen Anruf,
die Ärztin sagte ihm, dass er unter allen Umständen
zu ihr kommen solle. Wenn eine Möglichkeit bestehe, dann
solle man sie nutzen. Zur stationären Behandlung brauchte
er einige tausend Yuan mitzubringen. Wenn das Geld zur Behandlung
nicht reiche, dann könne man immer noch einen Ausweg finden.
Er solle Mut haben.
Nach dem Telefonat dachte er, wenn es schon
so weit war, dann würde er einen letzten Versuch wagen. Der
Vater, der ihn wegen Gesundheitszustands nicht zur Behandlung
begleitete, brachte ihn zum Bahnhof. Ein Studienfreund von Herrn
X war auch dabei, er schenkte ihm 1000 Yuan und ein Handy.
Mit weniger als zehn kg Gepäck schleppte
er sich endlich zum Beijinger You’an-Krankenhaus. Durch die
Bahn- und Busfahrt war er total erschöpft. Beim kalten
Wetter in Bejing hustete er unaufhörlich. Er wagte nicht,
nach der Abteilung für Aids zu fragen. Gerade in diesem Moment
kam eine Schwester auf ihn zu und fragte, welche Schwierigkeiten
er hätte. Er sagte, dass er zu Chefärztin Xu wollte.
Die Krankenschwester stellte sich vor und sagte, sie solle ihn
im Auftrag der Chefärztin aufnehmen.
Als sie die Station erreicht
hatten, hatte Herr X keine Kraft mehr. Die Krankenschwester
erledigte für ihn die Formalitäten, die anderen Patienten
kamen auch zu ihm und begrüßten ihn. Als Chefärztin
Xu zu ihm kam, hatte er das Bewusssein verloren. Bei der Aufnahmeuntersuchung
lag seine Temperatur bei 38°und sein Gewicht
war von 67 kg auf 55 kg gesunken.
Gleich nach der Aufnahme in der Station begann
er wie die meisten Patienten, die kostenlose chinesische Medizin
einzunehmen. In den ersten Tagen fühlte er sich sehr schlecht.
Die Chefärztin frage ihn einmal plötzlich, ob er Kontakt
mit seinen Familienangehörigen aufnehmen wollte. Er sagte
nein.
Herr X ahnte jetzt, dass der Tod ihm nahte.
Später erfuhr er, dass sein CD4-Wert bei weniger als 20
lag (bei normalen Menschen beträgt er über 500). Die Chefärztin
schrieb seinem Vater, dass die Krankheit von Herrn X sehr schlimm
sei. Er selbst verlangte von der Krankenschwester mehrmals Euthanasie.
Jedesmal tröstete die Krankenschwester: „Ihr Fall ist gar
nicht schlimm. Wir haben viele Patienten gesehen, deren Krankheit
viel schlimmer als Ihre war, und jetzt führen sie ein ordentliches
Leben, und zwar wie das von normalen Menschen.“
Warmherziges Zuhause
Die Krankheit wurde immer schlimmer, der Hautausschlag
dehnte sich bis auf die Hände und Füße aus. Herr
X konnte nur mit Hilfe von Schlafmitteln schlafen. Aber gerade
in diesem Moment trat eine Schicksalswende ein. In der Abteilung
für ansteckende Krankheiten war das medizinische Personal einfühlsam
und freundlich. Im gewöhnlichen Umgang zeigten sie keine
Distanz zu den Patienten und trugen auch keine Handschuhe. Zu
den Mahlzeiten kauften sie das Essen für die Patienten und besorgten
den Patienten tägliche Gebrauchsartikel. Sie behandelten
die Patienten wie ihre Familienangehörigen. Nach der Dienstvorschrift
müssen die Schwestern mit den Patienten, insbesondere mit den
Patienten ohne Begleitung, plaudern, wenn sie zwischendurch
Zeit haben. Chefärztin Xu war sehr beschäftigt. Sie
arbeitete in der Klinik und in der Station, außerdem arbeitete
sie noch für die Aids-Hotline. Aber immer wenn sie in die Abteilung
für ansteckende Krankheiten kam, unterhielt sie sich lange Zeit
mit Herrn X und ermutigte ihn, indem sie von vielen geheilten
medizinischen Fällen erzählte.
Einmal nach einer Infusion trat weiter Blut
aus, als die Krankenschwester die Injektionsnadel zurückzog.
Ohne Zögern drückte sie einen Wattetupfer auf die Wunde,
das Blut rötete ihre Finger. Herr X schrie: „Lassen Sie
das, das ist zu gefährlich!“ Sie hielt aber seine Bewegung
auf und sagte: „Ich habe keine Wunde an meinem Finger, bleiben
Sie, Sie brauchen gerade Blut“.
Die Abteilung leitete außerdem eine
Aktion namens „Warmherziges Zuhause“ ein. Freiwillige kamen
regelmäßig zu den Patienten, um ihnen zu helfen.
Medizinstudenten brachten den Patienten Nahrungsmittel, liehen
ihnen Bücher über Heilungswege und feierten ihren Geburtstag.
Ein Arbeiter scheute nicht den langen Weg ins Krankenhaus, um
den Patienten Haare zu schneiden. Am Vorabend des Frühlingsfests
kam er mit vielen Nahrungsmitteln in das Krankenzimmer von Herrn
X und verbrachte mit ihm den wichtigsten Abend in einem Jahr.
Unter den Freiwilligen gab es noch einen Bankangestellten. Er
kam öfters zu Besuch zu Herrn X . Mit diesen Freiwilligen
steht Herr X auch heute noch in Kontakt. Sie haben ihm Mut gegeben,
gegen die Krankheit zu kämpfen und weiter zu leben.
Wende im Schicksal
Ende Dezember teilte ein Arzt Herrn X mit,
dass die chinesische Medizin für die Behandlung nicht mehr reiche
und das „Cocktail-Verfahren“ eingeleitet werden solle. Dazu
hatte sein greiser Vater seine letzten Ersparnisse geschickt.
Als er es seinem Sohn telefonisch mitteilte, war er innerlich
zutiefst bewegt.
Als das „Cocktail-Verfahren“ angewendet wurde,
war die Krankheit von Herrn X schon sehr schlimm. Er hatte hohes
Fieber, aber zitterte vor Kälte. Eines Nachts war er so
schwach, dass er die Rufklingel an der Wand nicht drücken konnte.
Am darauffolgenden Tag installierten die Schwestern den Schalter
am Kissen.
Obwohl Herr X an einer schweren köperlichen
litt, änderte sich sein psychischer Zustand zum Positiven.
Dies hatte große Wirkung auf die Genesung. In der Station
hatte er oft gesehen, dass die Patienten mit einer optimistischen
Einstellung am ehesten gesund werden. So faßte er den
Willen, optimistisch mit Aids umzugehen und weiter zu leben.
Das Cocktail-Heilverfahren zeigte bei Herrn
X Wirkung. Eine oder zwei Stunden am Tag fühlte Herr X sich
erleichtert und besser. In dieser kurzen Zeit versuchte er,
sich an erfreuliche Sachen zu erinnern, und mit Krankenschwestern
und anderen Patienten zu plaudern. Er merkte, dass sich diese
Zeit allmählich ausdehnte.
Schon vor der völligen Genesung wollte
Herr X ins normale Leben zurückkehren und seinen Lebensunterhalt
verdienen. Er wollte mit seiner Tat anderen Aidskranken beweisen,
dass sie nicht aus der Gesellschaft ausgestoßen sind.
Als das medizinische Personal das erfuhr,
fragte es Herrn X, ob er finanzielle Schwierigkeiten habe. Das
verneinte er. Die Oberschwester kaufte die Bahnkarte für ihn,
Herr Hao vom Roten Kreuz in Beijing begleitete ihn zum Bahnhof.
Der Abschied war an einem Sonntag, die Krankenschwestern
trugen das Gepäck nach unten. Es war zwei Monate her, seitdem
er ins Krankenhaus gegangen war. Am Tor des Krankenhauses warteten
noch Herr Hao und Chefärztin Xu. Sie hatten umsichtig die
Rückfahrt organisiert. Herr Hao trug das Gepäck für ihn,
die Chefärztin begleitete ihn zum Zug. Sie sagte dem Zugpersonal
noch, dass es ihn besonders betreuen soll. Bei der Ankunft begleitete
ihn ein Schaffner zum Ausgang und rief ein Taxi für ihn. Schwach
war Herr X immer noch, aber er hatte nun einen neuen psychischen
und geistigen Zustand erreicht.
Rückkehr ins gesellschaftliche Leben
Der Frühling begann ziemlich früh im Süden.
Herr X wollte sich in seiner gewohnten Umgebung in das normale
gesellschaftliche Leben integrieren.
Das Ergebnis der Untersuchung, die am Vortag
der Entlassung aus dem Krankenhaus durchgeführt wurde, zeigte,
dass der CD4-Wert nach dreimonatiger Behandlung schon 52 erreicht
hatte, doch das war immer noch zu niedrig. Wenn dieser Wert
mit dem früheren Ergebnis verglichen wurde, war das ermutigend.
Zuhause vermied es Herr X auszugehen, um nicht infiziert zu
werden. Er nahm gemäß der ärztlichen Verordnung
die Medikamente ein, half dem Vater bei der Hausarbeit, las
Zeitungen und Bücher, in denen über die Behandlung von Aidskranken
berichtet wurde. Chefärztin Xu schrieb ihm regelmäßig,
fragte nach seinem Zustand und machte ihm Vorschläge.
Nach einiger Zeit ging es Herrn X wesentlich
besser, er hatte Appetit beim Essen, nahm zu und die roten Flecken
am Körper begannen zu verschwinden. Er bereitete sich darauf
vor, seine Arbeit aufzunehmen. Durch Vermittlung eines Freundes
fand er eine reguläre Arbeit mit einem recht guten Einkommen.
Jeden Morgen fuhr er eine halbe Stunde zur Arbeit. Durch den
Stress der Arbeit fühlte er sich manchmal völlig erschöpft.
Nach einem Monat musste er die Arbeit wieder aufgeben. Er war
noch nicht in der Lage, eine reguläre Arbeit durchzustehen.
Während der Arbeit begegnete er gelassen
dem Klatsch über Aids. Dabei fühlte er sich überhaupt nicht
beleidigt. Gerade durch den Aufenthalt im Youan-Krankenhaus
war er nicht nur physisch, sondern auch psychisch gestärkt.
Hilfe für Aidskranke
Herr X besuchte oft eine Internet-Bar in der
Nähe seiner Wohnung. Dort konnte er viele Informationen
über Aids finden, wobei er feststellte, dass auf manchen Websites
völlig angsterfüllt von Aids geprochen wird. Zur gleichen
Zeit dachte er an die anderen leidenden und verzweifelten Aids-Kranken,
die nicht von dem „Warmherzigen Zuhause“ im Beijinger You‘an-Krankenhaus
wussten. Er wollte dieses „Warmherzige Zuhause“ nach seinen
Möglichkeiten ausdehnen. Deshalb beantragte Herr X ein
Forum im Internet, mit dem Namen „Kommunikation mit Aidskranken“.
Sehr schnell hat er Kontakt mit anderen Aidskranken aufgenommen,
sie tauschten Erfahrungen über Arzneimittel aus und erzählten
sich ihren Kummer.
Mitte Juli erfuhr Herr X aus seinem Untersuchungsergebnis,
dass bei ihm der CD4-Wert bereits auf 104 angestiegen war, obwohl
das Verhältnis von T-Zellen noch unausgeglichen war. Das
signalisierte, dass sich seine Genesung auf einem guten Weg
befand. Die Ärzte hatten gesagt, dass es nicht leicht sein
musste, das CD4 von gerade über zehn bis auf 100 ansteigen zu
lassen. Dieses Ergebnis gab Herrn X großes Selbsvertrauen.
Neben der Kommunikation im Internet schrieb
Herr X anderen Aidskranken und telefonierte oft mit ihnen. Da
Herr X das Forum im Internet führte, wurde er von den anderen
Aidskranken sehr geschätzt. Aidskranke und auch Leute,
die Verdacht hegten, an Aids erkrank zu sein, wollten ihm ihre
Geheimnisse und ihren Kummer verraten. Sie hatten große
Angst vor der Ansteckung, aber keine Angst, mit ihm in Berührung
zu kommen. Sie wollten nur unter seiner Begleitung zur ärztlichen
Untersuchung gehen.
Zu Herrn X kamen auch Leute aus großer
Entfernung. Einmal kam ein gut gekleideter Herr aus Tianjin
zu ihm. Er sah wie ein gebildeter Intellektueller aus und hatte
größte Angst vor Aidskranken. Nach der Blutentnahme
wagte er nicht, das Ergebnis zu sehen. Herr X holte dann für
ihn das Ergebnis ab, das negativ war. Dennoch konnte er seine
Bedenken immer noch nicht zerstreuen. Er wohnte in einem Hotel
unweit der Wohnung von Herrn X. Sie tranken oft Tee zusammen.
Einmal fragte ihn Herr X: „Haben Sie keine Angst vor mir?“ Er
erwiderte: „Das macht nichts. Wir trinken nur Tee zusammen.“
Herr X hat festgestellt, dass diejenigen,
die unbedingt unter seiner Begleitung zur Untersuchung gingen,
zumeist keine Aidskranken waren. Sie hatten nur viel zu große
Angst vor Aids.
Herr X appelliert oft an die Medien, dass
sie die Angst vor Aids nicht stärken sollen. Denn je größer
die Angst in der Gesellschaft ist, umso kleiner ist der Lebensraum
für die Aidskranken. In einer Fernsehsendung erzählten
zwei Aidskranke mit Maske über ihr Leiden. Das zeigt, dass die
Gesellschaft immer noch ziemlich angsterfüllt ist.
Manche Patienten, die Herr X kennt, ermahnten
die Ärzte, die medizinischen Geräte noch intensiver
zu desinfizieren. Der Vorschlag war wohlgemeint, Herr X war
dagegen. Denn durch die konventionelle Desinfizierung können
die Geräte leicht entgiftet werden. Wenn ein Aidskranker
allein wohnt, ist die Ansteckungsmöglichkeit äußerst
gering. Man braucht nach Ansicht von Herrn X nur etwas aufzupassen.
Im Vergleich zur Leberentzündung ist die Möglichkeit der
Aids-Ansteckung äußerst gering.
Herr X schlägt aufgrund seiner Lebenserfahrung
vor, dass Aidskranker als ein normaler Mensch in der Gesellschaft
leben soll, und dass die anderen Menschen die Aidskranken als
normale Menschen betrachten sollen. Denn ein Aidskranker ist
wie jeder andere, abgesehen von den Viren in seinem Körper,
gegen die er jeden Tag Arznei einnimmt.
Die gesunden Menschen sollen die Aidskranken
nicht mit einem anderen Blick sehen, sie sollen mit ihnen leben.
(Der vorliegende Text beruht u.a. auf einem
von Hong Sheng geschriebenen Bericht in der Zeitschrift Duzhe
„Leser“, zusammengestellt von Gao Zhuan.)