Die
NASDAQ kommt nach Shanghai
Von
Wang Zhipeng


Im Oktober 2002 gründete die NASDAQ eine
Vertretung in Shanghai, zum selben Zeitpunkt, als es sich
aus Japan zurückzog. Die Tragweite dieser Ereignisse ist klar.
Die Gründung der Shanghaier Vertretung der
NASDAQ ist ein wichtiger Bestandteil der Ausweitung des Unternehmens
nach Übersee. Als die NASDAQ Anfang 1971 ihre Tätigkeit
aufnahm, war sie lediglich ein automatisiertes Börsennotierungssystem.
Nach 30 Jahren des Wachstums, in denen sie Giganten wie Microsoft,
Intel und Cisco hervorbrachte, nähert sie sich im Umfang
der 100-jährigen New Yorker Börse. Als zum Ende
des 20. Jhs. die IT-Blase platzte, musste die NASDAQ einige
in ihrer Geschichte beispiellose Rückschläge hinnehmen,
die ihren Punktestand von 5000 auf unter 1500 drückten. Zum
Beginn einer neuen Anpassungsperiode stand die NASDAQ vor
einer weiteren Herausforderung. Wegen der Rezession in den
USA und dem Rest der Welt sank die Zahl der Unternehmen, die
sich um einen Börsengang bemühten, dramatisch. Um ihre
Errungenschaften zu festigen und ihren guten Ruf aus früheren
Jahren zurückzugewinnen, begann die NASDAQ, ins Ausland zu
expandieren. Ihr ursprüngliches Ziel war es, einen weltweiten
Markt für E-Aktien zu schaffen und eine weltweite Börsenvereinigung
einzurichten, die New York, London und Tokio verbinden würde.
Doch wegen riesiger Verluste schloss die NASDAQ Japan, im
Juni 2000 gegründet, bereits im Oktober 2002 ihre Tore. Beim
Rückzug aus Japan bekräftigte der Vorsitzende der NASDAQ,
dass sein Unternehmen durch Joint-Ventures in Europa die globale
Strategie fortsetzen werde. Der Angriff auf Europa wird für
2003 erwartet. Die Gründung einer Vertretung in Shanghai und
das Kooperationsabkommen, das die NASDAQ mit der Aufsichtskommission
für Wertpapiere in Hong Kong geschlossen hat, machen deutlich,
welche Bedeutung China in der Ausweitungsstrategie des Unternehmens
zukommt.
Es gibt drei Gründe dafür, dass die NASDAQ
China den Vorzug gegeben hat. Der wichtigste besteht darin,
dass die chinesische Wirtschaft, im Gegensatz zur seit dem
Beginn des 21. Jhs. kränkelnden Weltwirtschaft, gedeiht
und in den letzten zwei Jahren ein Wachstum von 7% aufweisen
konnte. Gemäß den neuesten Statistiken verzeichnete
China in den ersten drei Quartalen des Jahres 2002 eine Wachstumsrate
von 7,9% – weit mehr als jedes andere Land der Welt. Wegen
der erklärten Absicht der USA, den irakischen Präsidenten
Saddam Hussein zu stürzen, und wegen der Ausbreitung des Terrorismus
ist es unwahrscheinlich, dass sich die Weltwirtschaft auf
kurze Sicht erholt. In China dagegen stehen die Vorzeichen
gerade umgekehrt. China ist friedlich und stabil, und die
erfolgreiche Kandidatur des Landes für die Olympischen Spiele
2008 lässt erwarten, dass die chinesische Wirtschaft
in den kommenden fünf bis sechs Jahren ihren Aufwärtstrend
fortsetzen wird. Dies bietet ein ideales Umfeld für die Errichtung
erstklassiger High-Tech-Unternehmen. In den letzten Jahren
ist in China eine große Anzahl von High-Tech-Unternehmen
mit einem vielversprechenden Entwicklungspotential entstanden,
welche sich vorzüglich für eine Börsenzulassung eignen.
Zweitens haben an der NASDAQ zugelassene
chinesische Firmen gut abgeschnitten. Nach der Notierung von
Chinadotcom Corp. im Jahre 1998 folgten innerhalb kürzester
Zeit weitere Unternehmen, darunter Sina, Sohu und Asiainfo.com.
Es war nicht einfach für diese Unternehmen, neben dem Zusammenbruch
so mancher anderer Dot.coms zu bestehen, und ihr verbesserter
Leistungsausweis konnte das Vertrauen der Investoren erfolgreich
bewahren. Dies wiederum steigerte das Ansehen chinesischer
Unternehmen im allgemeinen und zog die Aufmerksamkeit der
NASDAQ auf sich.
Drittens schließlich ist die Eröffnung
einer Zweitbörse in China nur wenige Schritte entfernt.
Der Zweitmarkt in Hong Kong – der Hong Kong Exchange Growth
Enterprise Market – zieht eine wachsende Anzahl von Unternehmen
aus dem chinesischen Hinterland an. Es gibt auch Firmen, die
reif sind für eine weltweite Börsennotierung. Die NASDAQ
hat ihr Auge auf die Crème dieser Unternehmen geworfen.
Zur Zeit steht die NASDAQ-Vertretung erst
in der Vorbereitungsphase. Um die Notierung chinesischer Firmen
an ausländischen Börsen zu erweitern, bietet sie
High-Tech-Unternehmen auf dem chinesischen Festland Beratungsdienste
an. Diese umfassen die Vorbereitung für eine Zulassung an
der NASDAQ – eine Arbeit, die Anwälte, Buchhalter und
Investment-Banken beschäftigt – sowie Anträge an
die chinesische und die US-amerikanische Börsenaufsicht.
Bis dato wurden mehrere chinesische Unternehmen nach der Beratung
durch das Büro in Shanghai an der NASDAQ zugelassen. Das Büro
bietet auch die kostenlose Ausbildung von Personal für die
chinesische Börsenaufsicht und die Shanghaier Börse
an.
Die flexiblen Mechanismen der NASDAQ und
ihr großes Potential werden ihren Erfolg in Shanghai
garantieren. Durch ihre Vertretung in Shanghai bietet sich
chinesischen Unternehmen die Gelegenheit, ihr Ziel einer Börsennotierung
in Übersee zu verwirklichen, was ihre Entwicklung weiter
fördern wird, während sie gleichzeitig ihre Struktur
internationalen Standards angleichen können.
Wang
Zhipeng ist Doktorand am Seminar für Wirtschaftsmanagement
der Tsinghua-Universität.