Die
Staatsanteile auf dem Aktienmarkt sollten selektiv vermindert
werden
Von
Wang Zhipeng

Mitte Juni 2001,
nach langen Erwägungen, setzte die chinesische Regierung
den Plan in die Tat um, ihren Anteil am Aktienmarkt zu vermindern,
um Mittel für die soziale Sicherung aufzunehmen. Dies löste
Schockwellen aus, die auch die Börse erschütterten und
zu einem unaufhörlichen Sturz der Aktienpreise führte.
Der
chinesische Aktienmarkt, dessen Anfänge in den frühen
90er Jahren liegen, kann auf eine Geschichte von über einem
Jahrzehnt zurückblicken. Doch er sucht weltweit seinesgleichen.
Was ihn einzigartig macht, ist erstens, dass die Mehrheit
der registrierten Firmen Staatsunternehmen sind und der Anteil
an frei gehandelten Titeln gering ist. Ende 2001 gab es 1100
registrierte Firmen, und der Gesamtwert der Aktien belief
sich auf 4000 Mrd. Yuan. Der Regierung gehörten zwei
Drittel der eingetragenen Unternehmen, und der Wert der nicht
frei gehandelten Wertpapiere betrug das doppelte derjenigen
im freien Handel. Ein weiteres charakteristisches Merkmal
ist ein Übermaß an Spekulation auf dem chinesischen
Aktienmarkt. Im Anfangsstadium waren die meisten Investoren
Einzelpersonen. Es herrschte eine spekulative Atmosphäre
vor, und der Anteil der Aktien, die den Besitzer wechselten,
war 10 bis 20 Mal höher als in den Industrieländern.
Um den Aktienmarkt zu regulieren, führte die Regierung 1998
Wertpapierfirmen ein in der Hoffnung, dass sie langfristige
Investitionen tätigen würden. Die Ereignisse widersprachen
jedoch den Erwartungen, die Spekulation nahm zu, und einige
Unternehmen beeinflussten gar den Markt und fuhren mit dubiosen
Geschäften fort. Die letzte, bedeutendste Eigenschaft
der chinesischen Börse ist ihre fehlende Transparenz
und die Unvollständigkeit des Aufsichts- und Regulierungsmechanismus.
Die Daten registrierter Unternehmen sind unzuverlässig,
da nicht wenige Vermittlerfirmen, wie aufgedeckte Fälle
immer wieder gezeigt haben, an ihrer Fälschung beteiligt
waren. Über das letzte Jahrzehnt hinweg haben sich am
chinesischen Aktienmarkt zahlreiche „Seifenblasen“ angesammelt.
Die nicht frei
gehandelten Titel überwiegen auch heute noch. Mit der Regierung
als größtem Aktienbesitzer haben die registrierten
Firmen noch keine moderne Unternehmensstruktur aufbauen können.
Viele der eingetragenen Unternehmen tragen schwere Lasten,
und die Abwesenheit umfassender Einschränkungs-/Anreizmechanismen
jeglicher Art ist deutlich spürbar. Im Lichte dessen hat die
chinesische Regierung beschlossen, die Verwaltungsstruktur
staatseigener Unternehmen zu verbessern, und die Mittel aus
dem Verkauf von Aktien börsennotierter Staatsunternehmen
dafür einzusetzen, die Kassen der sozialen Sicherung wieder
aufzufüllen. Bei der Verminderung des Anteils der Staatsaktien
an der Börse sind jedoch zwei Bedingungen zu erfüllen:
Zum einen müssen die Interessen sowohl des Staats als auch
der Investoren gewahrt sein, zum andern muss die Stabilität
des Aktienmarkts während der Ausgabe nicht frei gehandelter
Aktien gesichert sein.
Der
Plan, die Staatsanteile am Aktienmarkt zu vermindern, sah
Folgendes vor: Zusätzlich zur erstmaligen, aber auch
zu jeder zusätzlichen, öffentlichen Aktienausgabe
einer staatseigenen GmbH sollten Staatsanteile im Wert von
10% des Aktienpakets abgestoßen werden. Um die Interessen
des Staats zu sichern und den Verlust öffentlichen Vermögens
zu verhindern, wurde der Anfangspreis der Staatsaktien weit
höher als erwartet festgesetzt. Doch die Regierung wollte
nicht zur Kenntnis nehmen, oder hatte nicht erwartet, dass
der Börsenkurs derart dramatisch fallen würde. Innerhalb
von gerade fünf Monaten verlor der Aktienmarkt einen Drittel.
Wie allseits bekannt, gibt es auf dem chinesischen Aktienmarkt
eine große Menge von „Seifenblasen“, und Bemühungen
zur Stabilisierung des Markts bergen die Gefahr, diese zum
Platzen zu bringen und damit den gesamten Wertpapiermarkt
zugrunde zu richten. Obwohl der chinesische Aktienmarkt mit
zahlreichen Problemen kämpft, sollten seine Errungenschaften
nicht außer Acht gelassen werden. Heutzutage ist der
Aktienmarkt zu einem grundlegenden Teil von Chinas Makroökonomie
geworden. Jetzt, wo sich die Weltwirtschaft in einer Rezession
befindet, kann sich der chinesische Aktienmarkt keine groben
Fehler erlauben. Die Geschichte sollte eine Lehre sein: Seit
1988 Japans Blasen am Aktienmarkt platzten, hat sich seine
Wirtschaft nicht wieder erholt. Ebenso wurde Südostasien in
der Finanzkrise von 1997 zum Opfer des Zusammenbruchs einer
Blasenwirtschaft. China sollte sich nicht leichtfertig zu
Experimenten hinreißen lassen. Doch im Moment steckt
seine Regierung in der Zwickmühle, sie muss gleichzeitig die
Interessen des Staats wahren und für Stabilität am Aktienmarkt
sorgen.
Meiner Meinung
nach sollte der Plan einen anderen Ansatz wählen. Er
sollte nicht auf alle an der Börse zugelassenen Staatsbetriebe
zielen – ein einheitlicher Plan ist ohnehin nicht ausführbar.
Stattdessen sollte er sich auf einige hervorragende Unternehmen
beschränken, und der Anteil der zum Verkauf freigegebenen
Staatsaktien sollte höher sein. Mit dem Erlös aus
der Veräußerung dieser Aktien könnte der Fond
für die soziale Sicherung aufgestockt werden. Solche herausragenden
Unternehmen könnten aus blühenden Industriezweigen stammen,
z. B. aus dem Telekommunikations- oder dem Petrochemie-Bereich.
Für die Verminderung der Staatsanteile sollten die Unternehmen
ermutigt werden, nach strategischen Investoren Ausschau zu
halten und ausländisches und privates Kapital aufzunehmen,
indem die Aktien zu einem relativ guten Preis ausgegeben werden.
Auf diese Weise könnte ein großer Anteil an Wertpapieren
den Besitzer wechseln, ohne den freien Markt zu überschwemmen,
und es würde verhindert, dass die Börsenkurse unter Druck
geraten.
Haben die Fonds
für Sozialleistungen einmal ein angemessenes Niveau erreicht,
werden sich die Lasten der Unternehmen verringern, und sie
werden sich gesund entwickeln und in einen positiven Kreislauf
eintreten können. Die chinesische Regierung kann die
Möglichkeit zu einer ordentlichen Finanz- und Geldpolitik
nutzen, die ihr die WTO-Mitgliedschaft bietet, und so eine
vorteilhafte Makro-Umgebung für die Unternehmen schaffen.
Deren Profitabilität wird mit dem Preis der an der Börse
eingetragenen Staatsaktien steigen. Dies wiederum wird die
Verminderung der Staatsanleihen auf dem Aktienmarkt vorantreiben.
Gleichzeitig sollten die Wertpapiermarktaufsicht und die Regulierungsbehörden
ihr System so bald wie möglich perfektionieren, um die
Transparenz des Aktienmarkts zu fördern und dadurch das
Vertrauen der Investoren zu vergrößern. Solche
Bedingungen wären einem Kursanstieg an der Börse
zuträglich.
Sobald der Aktienmarkt
wieder floriert, werden mehr Alternativen für die Verminderung
der Staatsanteile zur Auswahl stehen – strömendes Wasser
gräbt sich mit der Zeit ein Bett, will heißen:
Sind die Bedingungen vorhanden, stellt sich auch der Erfolg
ein.
WANG
ZHIPENG ist Doktorand am Institut für Wirtschaftsmanagement
der Tsinghua-Universität.