Mai 2002
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Wirtschaft

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Die Staatsanteile auf dem Aktienmarkt sollten selektiv vermindert werden
Wirtschaft in Kürze

Die Staatsanteile auf dem Aktienmarkt sollten selektiv vermindert werden

Von Wang Zhipeng

Mitte Juni 2001, nach langen Erwägungen, setzte die chinesische Regierung den Plan in die Tat um, ihren Anteil am Aktienmarkt zu vermindern, um Mittel für die soziale Sicherung aufzunehmen. Dies löste Schockwellen aus, die auch die Börse erschütterten und zu einem unaufhörlichen Sturz der Aktienpreise führte.

Der chinesische Aktienmarkt, dessen Anfänge in den frühen 90er Jahren liegen, kann auf eine Geschichte von über einem Jahrzehnt zurückblicken. Doch er sucht weltweit seinesgleichen. Was ihn einzigartig macht, ist erstens, dass die Mehrheit der registrierten Firmen Staatsunternehmen sind und der Anteil an frei gehandelten Titeln gering ist. Ende 2001 gab es 1100 registrierte Firmen, und der Gesamtwert der Aktien belief sich auf 4000 Mrd. Yuan. Der Regierung gehörten zwei Drittel der eingetragenen Unternehmen, und der Wert der nicht frei gehandelten Wertpapiere betrug das doppelte derjenigen im freien Handel. Ein weiteres charakteristisches Merkmal ist ein Übermaß an Spekulation auf dem chinesischen Aktienmarkt. Im Anfangsstadium waren die meisten Investoren Einzelpersonen. Es herrschte eine spekulative Atmosphäre vor, und der Anteil der Aktien, die den Besitzer wechselten, war 10 bis 20 Mal höher als in den Industrieländern. Um den Aktienmarkt zu regulieren, führte die Regierung 1998 Wertpapierfirmen ein in der Hoffnung, dass sie langfristige Investitionen tätigen würden. Die Ereignisse widersprachen jedoch den Erwartungen, die Spekulation nahm zu, und einige Unternehmen beeinflussten gar den Markt und fuhren mit dubiosen Geschäften fort. Die letzte, bedeutendste Eigenschaft der chinesischen Börse ist ihre fehlende Transparenz und die Unvollständigkeit des Aufsichts- und Regulierungsmechanismus. Die Daten registrierter Unternehmen sind unzuverlässig, da nicht wenige Vermittlerfirmen, wie aufgedeckte Fälle immer wieder gezeigt haben, an ihrer Fälschung beteiligt waren. Über das letzte Jahrzehnt hinweg haben sich am chinesischen Aktienmarkt zahlreiche „Seifenblasen“ angesammelt.

Die nicht frei gehandelten Titel überwiegen auch heute noch. Mit der Regierung als größtem Aktienbesitzer haben die registrierten Firmen noch keine moderne Unternehmensstruktur aufbauen können. Viele der eingetragenen Unternehmen tragen schwere Lasten, und die Abwesenheit umfassender Einschränkungs-/Anreizmechanismen jeglicher Art ist deutlich spürbar. Im Lichte dessen hat die chinesische Regierung beschlossen, die Verwaltungsstruktur staatseigener Unternehmen zu verbessern, und die Mittel aus dem Verkauf von Aktien börsennotierter Staatsunternehmen dafür einzusetzen, die Kassen der sozialen Sicherung wieder aufzufüllen. Bei der Verminderung des Anteils der Staatsaktien an der Börse sind jedoch zwei Bedingungen zu erfüllen: Zum einen müssen die Interessen sowohl des Staats als auch der Investoren gewahrt sein, zum andern muss die Stabilität des Aktienmarkts während der Ausgabe nicht frei gehandelter Aktien gesichert sein.

Der Plan, die Staatsanteile am Aktienmarkt zu vermindern, sah Folgendes vor: Zusätzlich zur erstmaligen, aber auch zu jeder zusätzlichen, öffentlichen Aktienausgabe einer staatseigenen GmbH sollten Staatsanteile im Wert von 10% des Aktienpakets abgestoßen werden. Um die Interessen des Staats zu sichern und den Verlust öffentlichen Vermögens zu verhindern, wurde der Anfangspreis der Staatsaktien weit höher als erwartet festgesetzt. Doch die Regierung wollte nicht zur Kenntnis nehmen, oder hatte nicht erwartet, dass der Börsenkurs derart dramatisch fallen würde. Innerhalb von gerade fünf Monaten verlor der Aktienmarkt einen Drittel. Wie allseits bekannt, gibt es auf dem chinesischen Aktienmarkt eine große Menge von „Seifenblasen“, und Bemühungen zur Stabilisierung des Markts bergen die Gefahr, diese zum Platzen zu bringen und damit den gesamten Wertpapiermarkt zugrunde zu richten. Obwohl der chinesische Aktienmarkt mit zahlreichen Problemen kämpft, sollten seine Errungenschaften nicht außer Acht gelassen werden. Heutzutage ist der Aktienmarkt zu einem grundlegenden Teil von Chinas Makroökonomie geworden. Jetzt, wo sich die Weltwirtschaft in einer Rezession befindet, kann sich der chinesische Aktienmarkt keine groben Fehler erlauben. Die Geschichte sollte eine Lehre sein: Seit 1988 Japans Blasen am Aktienmarkt platzten, hat sich seine Wirtschaft nicht wieder erholt. Ebenso wurde Südostasien in der Finanzkrise von 1997 zum Opfer des Zusammenbruchs einer Blasenwirtschaft. China sollte sich nicht leichtfertig zu Experimenten hinreißen lassen. Doch im Moment steckt seine Regierung in der Zwickmühle, sie muss gleichzeitig die Interessen des Staats wahren und für Stabilität am Aktienmarkt sorgen.

Meiner Meinung nach sollte der Plan einen anderen Ansatz wählen. Er sollte nicht auf alle an der Börse zugelassenen Staatsbetriebe zielen – ein einheitlicher Plan ist ohnehin nicht ausführbar. Stattdessen sollte er sich auf einige hervorragende Unternehmen beschränken, und der Anteil der zum Verkauf freigegebenen Staatsaktien sollte höher sein. Mit dem Erlös aus der Veräußerung dieser Aktien könnte der Fond für die soziale Sicherung aufgestockt werden. Solche herausragenden Unternehmen könnten aus blühenden Industriezweigen stammen, z. B. aus dem Telekommunikations- oder dem Petrochemie-Bereich. Für die Verminderung der Staatsanteile sollten die Unternehmen ermutigt werden, nach strategischen Investoren Ausschau zu halten und ausländisches und privates Kapital aufzunehmen, indem die Aktien zu einem relativ guten Preis ausgegeben werden. Auf diese Weise könnte ein großer Anteil an Wertpapieren den Besitzer wechseln, ohne den freien Markt zu überschwemmen, und es würde verhindert, dass die Börsenkurse unter Druck geraten.

Haben die Fonds für Sozialleistungen einmal ein angemessenes Niveau erreicht, werden sich die Lasten der Unternehmen verringern, und sie werden sich gesund entwickeln und in einen positiven Kreislauf eintreten können. Die chinesische Regierung kann die Möglichkeit zu einer ordentlichen Finanz- und Geldpolitik nutzen, die ihr die WTO-Mitgliedschaft bietet, und so eine vorteilhafte Makro-Umgebung für die Unternehmen schaffen. Deren Profitabilität wird mit dem Preis der an der Börse eingetragenen Staatsaktien steigen. Dies wiederum wird die Verminderung der Staatsanleihen auf dem Aktienmarkt vorantreiben. Gleichzeitig sollten die Wertpapiermarktaufsicht und die Regulierungsbehörden ihr System so bald wie möglich perfektionieren, um die Transparenz des Aktienmarkts zu fördern und dadurch das Vertrauen der Investoren zu vergrößern. Solche Bedingungen wären einem Kursanstieg an der Börse zuträglich.

Sobald der Aktienmarkt wieder floriert, werden mehr Alternativen für die Verminderung der Staatsanteile zur Auswahl stehen – strömendes Wasser gräbt sich mit der Zeit ein Bett, will heißen: Sind die Bedingungen vorhanden, stellt sich auch der Erfolg ein.

WANG ZHIPENG ist Doktorand am Institut für Wirtschaftsmanagement der Tsinghua-Universität.

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