Als
Emigrantin zehn Jahre in Shanghai
"China
in mein Herz geschlossen"
Ruth
Shany ist heute eine bekannte Seidenmalerin in Israel
Von Atze
Schmidt
Die Kunst der Seidenmalerei,
mit der sie vor langer Zeit in Shanghai in Berührung gekommen
war, hat die heute in Tel-Aviv lebende Ruth Shany nicht wieder
losgelassen, "und das Malen auf Seide verschönte
seit Shanghai mein ganzes weiteres Leben und tut es noch immer".
Mit rund 30 Ausstellungen in verschiedenen Ländern und
einer ständigen Austellung in einem Künstlerdorf in Galilea-Safed
hat die Künstlerin diese besondere Form der Malerei in den
letzten Jahrzehnten einem breiten Publikum näher gebracht.
Shanghai, die kosmopolitische
Metropole in Ostchina, war für viele europäische Juden
während der Schreckensherrschaft des Nationalsozialismus
schließlich der einzige Fluchtort der Welt geblieben,
der ihnen noch offen stand. Die Stadt von damals etwa vier
Millionen Einwohnern beherbergte schon 1936 ca. 50 000 Ausländer.
Sie lebten vornehmlich im "International Settlement"
und in der Französischen Konzession im Westen der Stadt.
Die japanische Besatzungsmacht, die Shanghai ab 1937 kontrollierte,
versuchte zwar durch allerei Restriktionen, den Strom der
Flüchtlinge einzudämmen, dennoch kam es erst zu diesem
Zeitpunkt zu einer wahren Massenflucht in die Stadt an der
Yangtse-Mündung. Allein von Anfang 1939 bis Ende 1941 - Ausbruch
des Pazifischen Krieges - konnten sich noch rund 20 000 europäische
Juden nach Shanghai retten, darunter auch die junge Ruth aus
Berlin.
Ruth Shany lebte von 1939
bis 1949 in Shanghai, "Jahre der Emigration, in denen
ich China in mein Herz geschlossen habe", wie sie schreibt.
Vor acht Jahren besuchte sie Shanghai noch einmal und lernte
nun auch andere Teile Chinas kennen, die ihr in der Zeit der
Emigration verschlossen waren.
"Die Zeit in Shanghai
war für mich eine wichtige Episode. Ich lernte einen Maler
kennen, der mir das Malen auf Seide beibrachte. Seide regt
meine Schaffenskraft an wie kein anderes Material. Seide lässt
Farbe und Form noch lebendiger erscheinen. Seide will keine
Extreme, sondern Nuancen."
Für die meisten europäischen
Flüchtlinge war Shanghai nicht mehr als eine Durchgangsstation
auf dem Weg in andere Länder. Die Bereitschaft, sich
mit der fremden chinesischen Kultur zu beschäftigen,
brachten nur wenige auf. Die junge Berlinerin gehörte
zu ihnen, auch der aus Bayern stammende Künstler David Ludwig
Bloch, der 1940 nach Shanghai kam und ebenfalls bis 1949 blieb.
Seine Holzschnitte aus dieser Zeit, Frucht einer intensiven
Beobachtung seiner chinesischen Umgebung, wurden vor einiger
Zeit in Buchform veröffentlicht und in "China heute"
gewürdigt.
Nun liegt auch von Ruth Shany
eine neue Veröffentlichung vor, ein Album mit einem Zyklus
von Seidenmalereien, Titel "Die Schöpfung",
mit begleitenden Texten von Prof. Dr. Herbert Ulonska in Englisch,
Deutsch und Hebräisch.
Eine ihrer vielen Ausstellungen
war vor Jahren in ihrer Geburtsstadt Berlin zu sehen, und
stets hatte sie gehofft, auch einmal in China ausstellen zu
können. "Doch leider waren die damit verbundenen
Ausgaben viel zu hoch, und so fiel diese Geschichte ins Wasser.
Es war ein Wunschtraum, denn dieses Ereignis hätte den
Kreis geschlossen."

Das letzte Bild des Zyklus
"Die Schöpfung" von Ruth Shany. Es trägt
den Titel "Vollendet". Prof. Ulonska schrieb dazu
diesen einfühlsamen Text:
"Fein gestaltet, wie lebensspendende
Samenköpfe,
ragen Pflanzen aus dem Urgrund hervor
und strecken sich aus zum Licht,
einem davonfliegenden Paar entgegen.
Die Zweiheit am strahlenden Himmel
im Gleichklang schwebend, in Harmonie,
vollendet in der Liebe,
aus der immer neu Schöpfung geschieht.
Der achte Schöpfungstag beginnt."