Mai 2002
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China-Büche

„China in mein Herz geschlossen“
Schmerzhafter Mangel an Wissen

Als Emigrantin zehn Jahre in Shanghai

"China in mein Herz geschlossen"

Ruth Shany ist heute eine bekannte Seidenmalerin in Israel

Von Atze Schmidt

Ruth Shany

Die Kunst der Seidenmalerei, mit der sie vor langer Zeit in Shanghai in Berührung gekommen war, hat die heute in Tel-Aviv lebende Ruth Shany nicht wieder losgelassen, "und das Malen auf Seide verschönte seit Shanghai mein ganzes weiteres Leben und tut es noch immer". Mit rund 30 Ausstellungen in verschiedenen Ländern und einer ständigen Austellung in einem Künstlerdorf in Galilea-Safed hat die Künstlerin diese besondere Form der Malerei in den letzten Jahrzehnten einem breiten Publikum näher gebracht.

Shanghai, die kosmopolitische Metropole in Ostchina, war für viele europäische Juden während der Schreckensherrschaft des Nationalsozialismus schließlich der einzige Fluchtort der Welt geblieben, der ihnen noch offen stand. Die Stadt von damals etwa vier Millionen Einwohnern beherbergte schon 1936 ca. 50 000 Ausländer. Sie lebten vornehmlich im "International Settlement" und in der Französischen Konzession im Westen der Stadt. Die japanische Besatzungsmacht, die Shanghai ab 1937 kontrollierte, versuchte zwar durch allerei Restriktionen, den Strom der Flüchtlinge einzudämmen, dennoch kam es erst zu diesem Zeitpunkt zu einer wahren Massenflucht in die Stadt an der Yangtse-Mündung. Allein von Anfang 1939 bis Ende 1941 - Ausbruch des Pazifischen Krieges - konnten sich noch rund 20 000 europäische Juden nach Shanghai retten, darunter auch die junge Ruth aus Berlin.

Ruth Shany lebte von 1939 bis 1949 in Shanghai, "Jahre der Emigration, in denen ich China in mein Herz geschlossen habe", wie sie schreibt. Vor acht Jahren besuchte sie Shanghai noch einmal und lernte nun auch andere Teile Chinas kennen, die ihr in der Zeit der Emigration verschlossen waren.

"Die Zeit in Shanghai war für mich eine wichtige Episode. Ich lernte einen Maler kennen, der mir das Malen auf Seide beibrachte. Seide regt meine Schaffenskraft an wie kein anderes Material. Seide lässt Farbe und Form noch lebendiger erscheinen. Seide will keine Extreme, sondern Nuancen."

Für die meisten europäischen Flüchtlinge war Shanghai nicht mehr als eine Durchgangsstation auf dem Weg in andere Länder. Die Bereitschaft, sich mit der fremden chinesischen Kultur zu beschäftigen, brachten nur wenige auf. Die junge Berlinerin gehörte zu ihnen, auch der aus Bayern stammende Künstler David Ludwig Bloch, der 1940 nach Shanghai kam und ebenfalls bis 1949 blieb. Seine Holzschnitte aus dieser Zeit, Frucht einer intensiven Beobachtung seiner chinesischen Umgebung, wurden vor einiger Zeit in Buchform veröffentlicht und in "China heute" gewürdigt.

Nun liegt auch von Ruth Shany eine neue Veröffentlichung vor, ein Album mit einem Zyklus von Seidenmalereien, Titel "Die Schöpfung", mit begleitenden Texten von Prof. Dr. Herbert Ulonska in Englisch, Deutsch und Hebräisch.

Eine ihrer vielen Ausstellungen war vor Jahren in ihrer Geburtsstadt Berlin zu sehen, und stets hatte sie gehofft, auch einmal in China ausstellen zu können. "Doch leider waren die damit verbundenen Ausgaben viel zu hoch, und so fiel diese Geschichte ins Wasser. Es war ein Wunschtraum, denn dieses Ereignis hätte den Kreis geschlossen."

Das letzte Bild des Zyklus "Die Schöpfung" von Ruth Shany. Es trägt den Titel "Vollendet". Prof. Ulonska schrieb dazu diesen einfühlsamen Text:

"Fein gestaltet, wie lebensspendende Samenköpfe,

ragen Pflanzen aus dem Urgrund hervor

und strecken sich aus zum Licht,

einem davonfliegenden Paar entgegen.

Die Zweiheit am strahlenden Himmel

im Gleichklang schwebend, in Harmonie,

vollendet in der Liebe,

aus der immer neu Schöpfung geschieht.

Der achte Schöpfungstag beginnt."  

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