He
Shen, der reichste und berüchtigste Beamte in der feudalen Zeit
Chinas
Von
Huo Jianying
In der chinesischen Geschichte gab es nicht
viele Gestalten, die ewigen Ruhm genießen oder umgekehrt
für alle Zeiten verhasst bleiben. In der letzteren Kategorie
nimmt der für Korruption berüchtigste Beamte He Shen (1750 -
1799) den ersten Platz ein.
Historischen Darstellungen zufolge wurde 1799
über ihn eine gesetzliche Strafe verhängt und seine Residenz
wurde durchsucht. Es wurde festgestellt, dass er durch Unterschlagung
ein Vermögen im Wert von 800 Millionen Taels angehäuft
hatte, was in der Qing-Dynastie (1644 - 1911) den finanziellen
Einnahmen von zehn Jahren entsprach. Damals verbreitete sich
ein volkstümlicher Witz: Erst nach He Shens Sturz kann sich
der Kaiser wieder satt essen.
Als
He Shen zum Freitod verurteilt wurde, - ein Gnadenakt des Kaisers
-, war er gerade in den besten Jahren. Er hatte gerade
kurz zuvor die Macht im kaiserlichen Kabinett an sich gerissen.
Und es war kaum zu glauben, dass er innerhalb von weniger als
20 Jahren ein so großes Vermögen erworben hatte.
Als er mit seiner Karriere am Kaiserhof begann, war er nur ein
unbedeutender Wächter. Dann hatte er bald die Gunst des
Kaisers Qianlong gewonnen und eine Blitzkarriere gemacht. Als
er den Gipfel seiner Karriere erreichte, hatte er ein Dutzend
Amtstitel: Er war der Beamte des höchsten Rangs und war
für das Finanzwesen, die Verwaltung des inneren Hofs und die
inneren und auswärtigen Angelegenheiten zuständig.
Außerdem wurde er noch zum Herzog geadelt. Sein Sohn hatte
die Lieblingstochter des Kaisers geheiratet. Er stand also in
angeheirateter Verwandtschaft mit dem Kaiser.
He
Shen machte einen kometenhaften Aufstieg im kaiserlichen Kabinett
und verfügte über einen Reichtum, den er nie zu Ende verbrauchen
könnte. Sein Wohnhaus überbot in Umfang und Luxus die Residenzen
von Prinzen. Als er vom Kaiser Jiaqing zum Tode verurteilt wurde,
wurde sein Wohnhaus beschlagnahmt. Die Hälfte davon schenkte
der Kaiser einem Bruder von ihm. Dieser großzügig angelegte
und architektonisch fein gestaltete Königshof wurde in
der Qing-Dynastie von verschiedenen Prinzen bewohnt und steht
heute nach der Renovierung als Sehenswürdigkeit der Öffentlichkeit
offen. Für gewöhnliche Menschen ist es schwierig zu verstehen,
was eigentlich der Beweggrund dafür war, dass He Shen sein Vermögen
durch Unterschlagung vergrößerte, nachdem er die
Position „nur unter einem, aber über Hunderttausenden“ erreicht
hatte. Lohnte es sich, das Risiko einzugehen? Obwohl He Shen
seit mehr als 100 Jahren als negative Figur durch entsprechende
Darstellungen in verschiedenen Opernstücken verspöttet
und angeprangert wurde, blieb es rätselhaft, warum er in
seiner Position eine so große Raffgier an den Tag legte,
dass er sein Leben und das seiner Familie riskierte. Die Lösung
dieses Rätsels kannte wohl nur He Shen selbst.
Korrupte
Beamte gab es schon seit jeher, auch im Altertum ging man diesem
Problem nach. In verschiedenen Dynastien wurden verschiedene
Gesetze ausgearbeitet, um die Korruption zu bestrafen. Unter
Korruption verstand man in erster Linie einen krankhaften Hang
zur Erwerbung von Reichtum, aber auch eine unbegrenzte Vorliebe
für materiellen Besitz und eine unersättliche Raffgier.
Wenn wir verschiedene Phänomene in der Wirklichkeit näher
betrachten, dann erkennen wir, dass sich diese Auslegung als
zutreffend erweist. Nehmen wir He Shen als Beispiel: Es fehlte
ihm an nichts, er lebte in königlichem Wohlstand. Das genügte
ihm aber nicht. Er besaß eine unersättliche Gier
nach Reichtum und eine krankhafte Vorliebe für luxuriöse
Wohnhäuser, Antiquitäten, Juwelen, kulinarische Speisen
sowie schöne Frauen. Dass man eine Vorliebe zu solchen
Dingen hat, ist eigentlich nicht verwerflich. Wenn aber
Vorliebe und Gier „krankhaft“, „unbegrenzt“ und „unersättlich“
werden, dann kann es zum Verbrechen führen.
Nachdem He Shen festgenommen worden war, stellte
Kaiser Jiaqing 20 verbrecherische Tatbestände fest. Sieben
davon standen in unmittelbarem Zusammenhang mit seiner krankhaften
Vorliebe, beispielsweise wurde als 15. verbrecherischer Tatbestand
festgestellt: „In der Wohnung sind über 200 Perlenketten aufbewahrt,
ein Dutzend mal so viele wie im Kaiserhof, außerdem sind
manche Perlen noch größer als die auf der Krone des
Kaisers.“ Zum 16. verbrecherischen Tatbestand wurde festgestellt:
„Seine Amtshüte waren mit großen Edelsteinen geschmückt,
war sich aber nicht gehörte. Außerdem sammelte er
zahlreiche große Edelsteine, die es selbst im Kaiserhof
nicht gab.“ Als 17. verbrecherischer Tatbestand wurde festgestellt:
„Er hat Hunderttausende von edlen Kleidungsstücken“.
Ein Weiser im Altertum sagte einmal: „Der
edle Mensch liebt auch Reichtum, aber die Erwerbung muss tugendhaft
und legal sein.“ Hier liegt der wesentliche Unterschied zum
Raffzahn, bei dem alle Mittel den Zweck heiligen und die Gier
unersättlich ist. Diese Raffzähne sind wie Drogensüchtige,
die sich nicht von der Sucht befreien können und deren
Gier immer größer wird.
Der Historiographie zufolge traf He Shen einmal
am Eingang des Kaiserhofs Minister Sun Shiyi. Dieser hatte eine
kleine Kassette in der Hand, und He Shen wollte unbedingt den
Inhalt sehen. In der Kassette lag ein aus einer großen
Perle geschnitztes Schnupftabakfläschchen. He Shen bewunderte
diesen kleinen Schatz so sehr, dass er es nicht hergeben wollte.
Er verlangte vom Minister, dass dieser es ihm schenken sollte.
Der Minister erwiderte, dass er es dem Kaiser schenken wollte
und es in einer bereits eingereichten Eingabe erwähnt hatte.
Daraufhin war He Shen sehr enttäuscht.
Ein paar Tage später begegnete Minister
Sun He Shen wieder. Vor Stolz aufgebläht sagte er zum Minister:
„Gestern habe ich mir ein Schnupftabakfläschchen besorgt.
Kann es mit Ihrem Geschenk an den Kaiser verglichen werden?“
Beim Anblick des Fläschchens musste der Minister feststellen,
dass es sich um dasselbe handelte. Er dachte, dass der Kaiser
wohl dieses Fläschchen He Shen weiter geschenkt hatte,
um seine Gunst zu bezeugen. Später erfuhr er, dass ein
Eunuche es gestohlen und He Shen gegeben hatte.
Als He Shen mit seiner Beamtenlaufbahn begann,
war er nicht von Raffgier besessen. Damals sah er elegant aus
und war intelligent und hatte ein großes Pflichtbewusstsein.
Er kannte sich im Mandschurischen, Chinesischen, Tibetischen
und Uigurischen aus und konnte gut schreiben und dichten. Von
ihm ist eine Gedichtsammlung überliefert. Dass der klassische
Roman Traum der Roten Kammer gedruckt werden konnte,
war seiner Empfehlung an den Kaiser zu verdanken. In seinen
Jugendjahren hatte er große Anstrengungen auf sich genommen,
um seine Kenntnisse zu erweitern. Als Lokalbeamter ging er seinem
Amt aufrichtig nach, so dass die Einheimischen, als er sich
durch eine Beförderung von ihnen verabschiedete, auf dem
Boden knieten.
.Dass er später
der berüchtigste korrupte Beamte wurde, dafür gab es viele Gründe.
Er war vor allem bei seinem Aufstieg moralisch verkommen, außerdem
gab es noch viele Missstände im Gesellschaftssystem der
feudalen Zeit. Er verfügte über große Machtbefugnisse,
dafür gab es aber keinerlei Kontrollmechanismen. Dadurch ergaben
sich viele Möglichkeiten zum Tauschhandel von Macht gegen
Geld. Während seiner 20-jährigen Amtszeit im Kabinett
wetteiferten die Beamten verschiedenen Rangs am Kaiserhof um
Bestechungsgelder. Unter ihm wurde ein umfangreicher schmutziger
Handel mit Ämtern und Amtstiteln getrieben.
He Shen wendete alle Mittel an, um Kaiser
Qianlong zu schmeicheln. Ihm gegenüber zeigte der Kaiser immer
größere Gunst. In jener Zeit konnte ihm nichts passieren,
solange er diesen Schirmherrn hatte.
Kaiser Jiaqing beseitigte He Shen deshalb
schon in der Trauerzeit um Kaiser Qianlong, weil er die Staatskasse
geplündert hatte. Außerdem griff im ganzen Land die Korruption
um sich und der ganze Kaiserhof war durch Bestechung und
Vetternwirtschaft verpestet. Vor seiner Festnahme zeigte He
Shen dem neuen Kaiser nicht einmal den gebührenden Respekt.
Im Bericht über seine verbrecherischen Taten machten die Verachtung
des Kaisers und die Überbietung des Kaisers im Lebensstil
einen großen Teil aus. Der oberste Herrscher der Dynastie,
der Kaiser, fühlte sich durch ihn bedroht.
Der Sturz He Shens war sicherlich aber auch
auf den Kampf von aufrichtigen Beamten zurückzuführen. Diese
riskierten ihr Leben und führten einen zähen Kampf gegen
He Shen. Ihr Vertreter war Wang Jie, bekleidet mit dem Amt des
kaiserlichen Kommissars. Er hatte die Verbrechen He Shens entlarvt
und wagte im Kabinett Streit mit ihm zu führen. 1799 stürzte
He Shen, und der Kommissar vernahm ihn.