September 2003
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Kultur und Kunst

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Das Kloster und die Boxtechnik von Shaolin

Das Kloster und die Boxtechnik von Shaolin

Von Xin Yi und Xu Zhao

Das chinesische Boxen ist ein wichtiger Bestandteil der traditionellen chinesischen Kampfkünste, des Wushu, und es gibt davon die verschiedensten Formen und Schulen. Das Shaolin-Boxen ist eine der berühmtesten und stammt, wie der Name sagt, aus dem Shaolin-Kloster. Dieses alte buddhistische Kloster befindet sich am Songshan, einem der fünf heiligen Berge Chinas. Wenn man mit dem Auto 80 km südwestlich von Zhengzhou, der Hauptstadt der Provinz Henan, die Berge hinauffährt, trifft man im dichten Wald am nördlichen Fuß des Shaoshi-Bergs auf das Kloster; daher kommt auch der Name Shaolin, „Wald von Shao“. Die mächtigen Hallen und Pavillons sind von roten Wänden eingerahmt und mit glasierten Ziegeln bedeckt. Vor dem Eingangstor strecken alte Zypressen ihre Zweige gen Himmel. Ringsumher herrscht eine ruhige und heitere Atmosphäre.

Im Jahre 495, als ein indischer Mönch namens Tuo Ba hierher kam, um den Buddhismus zu verbreiten, baute der Kaiser Xiao Wen der Nördlichen Wei-Dynastie (386 – 581 u. Z.) für ihn dieses Kloster. Später predigte auch der berühmte Mönch Bodhidharma hier die Religion, und von dieser Zeit an gilt es als der Ursprungsort des Chan-Buddhismus (auch bekannt unter dem jap. Namen Zen-B.), einer der drei großen Sekten des Buddhismus. Das Shaolin-Kloster besteht aus sieben Hauptgebäuden. Es sind dies das Eingangstor, die Tianwang-Halle, die Daxiongbao-Halle, der Cangjing-Pavillon, in dem die buddhistischen Sutras aufbewahrt werden, die Abtei, der Dharma-Pavillon und die Qianfo-Halle. In der tausendjährigen Geschichte des Klosters wechselten Blüte und Verfall einander mehrmals ab; allein dreimal brannte es ab. Heute sind nur noch einige der großen Hallen in der Mitte erhalten. Nach der Befreiung ist es auf Anregung der Volksregierung mehrmals restauriert worden.

Das hohe Tor des Klosters hat vier nach oben geneigte Dachschrägen. Unter der Traufe hängt eine Tafel mit der goldenen Inschrift „Shaolin-Kloster“ aus, die vom Qing-Kaiser Kangxi (1662 – 1721) geschrieben wurde. Passiert man das Klostertor, so sieht man viele Steintafeln, die die beiden Seiten des Korridors flankieren. Die Schriftzeichen darauf wurden von berühmten Kalligraphen  der Tang- und der Song-Dynastie geschrieben, wie z. B.: „Steintafel für den Abt des Shaolin-Klosters“ vom Kaiser Taizong (627 – 649) der Tang-Dynastie, „Gepriesen sei Guanyin“ vom bekannten Schriftsteller Su Dongpo (1037 – 1101) aus der Song-Dynastie und „Berg Nr. 1“ vom bekannten Song-Kalligraphen Mishi (1051 – 1107) usw. Die „Qianfo(Tausend-Buddha)-Halle“ mit der Torinschrift „Die Weisen aus dem Westen“ ist die Haupthalle des Klosters und wurde in der Ming-Dynastie gebaut. Die hochgezogenen Dachvorsprünge werden von regenschirmartigen Stützpfeilern getragen. An den Wänden zum Osten, Westen und Norden sind viele farbige Wandmalereien zu sehen, bei denen es sich um 500 Luohans (Arhats, Erhabene) handelt. Die Buddhafiguren zeichnen sich durch eine hohe Kunstfertigkeit in ihrer Bemalung aus. Sie zählen zum unschätzbaren Vermächtnis in der Schatzkammer der chinesischen Kunst.

Einen halben Kilometer westlich vom Kloster liegt ein Friedhof mit ungefähr 220 Stupas. Seit tausend Jahren fanden hier berühmte Äbte und Mönche, die durch ihre Kampfgeschicklichkeit bekannt waren, ihre letzte Ruhestätte.

Viele kulturelle Gegenstände im Kloster sind mit der Geschichte des Shaolin-Boxens eng verbunden. Darunter verdienen die Wandmalereien „Schaubilder des Shaolin-Boxens“ in der Baiyi-Halle besondere Beachtung. Die Illustrationen zeigen, wie 30 starke Mönche, in 15 Paare aufgestellt, in der mächtigen, mit Laternen und buntfarbigen Bänden ausgeschmückten Halle das Shaolin-Boxen üben. Die Szenen werden so anschaulich dargestellt, dass man meint, man wäre persönlich dabei anwesend. Neben den Boxer-Schaubildern gibt es in der Halle auch solche Wandmalereien, die Übungen mit Waffen schildern. Dies alles ist wertvolles Material für das Studium der alten Kampfkünste des Shaolin-Klosters.

Es heißt, dass Bodhidharma der Begründer des Shaolin-Boxens sei. Im Jahr 527 u. Z., als er hierher kam und den Chan-Buddhismus lehrte, fand er, dass manche Jünger während des Unterrichts oft in Lethargie versanken. Als Gegenmittel erarbeitete Bodhidharma eine Leibesübung namens „Methode der körperlichen Ertüchtigung“, den Ursprung des Shaolin-Boxens. Durch langjährige Verfeinerung hat sich das Shaolin-Boxen zu einer fast vollkommenen Art des Faustkampfs entwickelt.

Vom Shaolin-Boxen gibt es zwei Abarten. Die südliche Methode legt das Schwergewicht auf die Fäuste, während die nördliche Methode die ganze Aufmerksamkeit auf die Füße richtet. Jede Schule zerfällt wiederum in Unterabteilungen. Shaolin-Boxen konzentriert sich jedoch allgemein hauptsächlich auf den Angriff und dient sowohl der körperlichen Ertüchtigung als auch dem praktischen Kampf. Es gibt verschiedenaritge Angriffs- und Abwehrtechniken, bestimmte Griffe und Übungsbewegungen wie Luftsprünge, Überschläge und Luftrollen.

Seit der Zeit Bodhidharmas haben die Mönche das Boxen dermaßen hart geübt, dass zwei Reihen von Gruben mit einer Breite von 0,4 – 0,5 m und im Abstand von 1,7 m auf den Ziegelböden der Tausend-Buddha-Halle zurückgeblieben sind, die von den Fußabdrücken der Mönche stammen.

Eine andere Wandmalerei hält eine weitere wichtige Episode in der Geschichte des Shaolin-Boxens fest: sie stellt eine alte Stadt mit festen Mauern und tiefem Burggraben dar, die heiß umkämpft wird. Rings um das Kampffeld vor dem Stadttor flattern Fahnen, blitzen Speere und Schwerter. Von tausend und aber tausend Bögen abgeschossen, schwirren Pfeile durch die Luft. Ein Dutzend Mönche kämpft einen tapferen Kampf gegen den mächtigen Feind.

Es heißt, dass es sich bei der abgebildeten Stadt um Luoyang, die Nordhauptstadt, handelt. Kaiser Taizong der Tang-Dynastie begab sich dorthin, um von hier aus den von Wang Shichong geführten Aufstand niederzuschlagen. Da der Kaiser von Wangs Truppen umzingelt wurde, kamen ihm dreizehn Mönche aus dem Shaolin-Kloster mit Tan Zong an der Spitze zur Hilfe, und endlich wurde der Kaiser von ihnen gerettet. Aus Dankbarkeit für ihre Rettungsaktion ernannte der Kaiser Tan Zong zum General und verlieh den anderen zwölf Mönchen die Ehre, purpurnes Ornat tragen zu dürfen. Außerdem bewilligte er dem Kloster reichlich Geld und Boden. Infolgedessen blühte das Kloster auf und beherbergte zu Spitzenzeiten mehr als 1000 Mönche. Von da an drang der Ruf des Shaolin-Boxens weit über die Grenze des Klosters hinaus.

Während der Regierungszeit des Kaisers Jia Jing der Ming-Dynastie (im 16. Jahrhundert), als japanische Seeräuber die Küstengegend Chinas plünderten, organisierte Yue Kong einen Kampftrupp von 40 Shaolin-Mönchen, um der Seeräuberplage im Distrikt Songjiang in der Nähe von Shanghai ein Ende zu machen. Tatsächlich wurden diese heroisch geschlagen, was den überlegenen patriotischen Geist der Mönche zum Ausdruck brachte.

Um das Niveau der Kampfkunst zu heben, wurden viele berühmte Fachleute ins Kloster eingeladen. Sie demonstrierten ihre Geschicklichkeit und übermitteln ihre reichhaltigen Erfahrungen. Unter ihnen befand sich auch Yu Dayou, ein bekannter General der Ming-Dynastie, der sehr geschickt mit seinem Knüppel umgehen konnte. Das Shaolin-Boxen übernahm daher die verschiedensten Elemente aus den anderen Kampfschulen und brachte so die verschiedenen Abarten des Wushu hervor, die jeweils auf den Kampf zu Fuß, zu Pferd, mit verschiedenartigen Waffen usw. spezialisiert sind. Infolgedessen drang sein Einfluss weit über die Grenzen des Landes hinaus.

Die Tradition lebt fort. Nach der Befreiung wurde die Wushu-Schule von Shaolin in der naheliegenden Kreisstadt gegründet. Manche ehemalige Mönche sind jetzt Trainer und Sportlehrer, die aktiv an der Forschungsarbeit des Shaolin-Boxens teilnehmen. Viele Leute aus der Umgebung machten der Sportschule ihre von Hand kopierten Box-Schaubilder, die in ihren Familien von Generation zu Generation aufbewahrt worden waren, zum Geschenk. Als Schaukampfkunst  ist das Shaolin-Boxen beim Nationalen Wushu-Treffen natürlich äußerst publikumswirksam.

1946 wurde der Verein für Shaolin-Boxen in Japan gegründet. Er hat in seinen verschiedenen Zweigen in Japan, den USA, der Bundesrepublik Deutschland, in Indonesien und anderen Ländern jetzt insgesamt ungefähr eine Million Mitglieder. Do Shin So, der Gründer der Organisation, der schon einmal vor 40 Jahren das Shaolin-Kloster besucht hatte, sagte diesmal, als er durch das Tor des Klosters eintrat, „endlich wieder einmal im alten Zuhause.“

Aus China im Aufbau, Nr. 9, 1981 

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